Von Alfons Wolf
Die drängendste Frage eines jeden Flottenmanagers lautet: Welche Vorteile hat er von Carsharing-Lösungen? Peter Jegutzki, Mitgründer und Geschäftsführer vom Fuhrparksoftwareanbieter AZOWO, nennt auf diese Frage vorneweg die Flexibilität. Aber auch die Themen Nachhaltigkeit und Kosteneinsparung seien für viele Unternehmen omnipräsent, weiß er aus seiner Erfahrung. Er versichert: "Wir möchten die Fahrzeugflotte ja nicht abschaffen, sondern durch gemeinschaftliche Nutzung die Auslastung erhöhen."
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Bettina Dannheim, Geschäftsführerin von Cambio, verweist auf die Abdeckung von Bedarfsspitzen und die Verkleinerung des Fuhrparks, was ebenfalls die Kosten senkt, da keine ungenutzten Standzeiten bei einzelnen Fahrzeugen anfallen.
Bei den Flottenmanagern setzt sich nach Meinung von Gunnar Nehrke, Geschäftsführer des Bundesverbands CarSharing e.V., allmählich die Erkenntnis durch, dass Sharing-Lösungen überall dort, wo unregelmäßige Mobilitätsbedarfe anfallen, effizienter sind als zugeordnete Fahrzeuge oder Poolfahrzeuge ohne Sharing-Technologie.
Corporate Carsharing: Zahlen und Fakten
Aber können diese theoretischen Überlegungen so belegt werden, dass auch ein Controller sein Placet erteilt? Bei Fleetster hat man die Daten fest im Griff und kann mit spannenden Zahlen aufwarten: Die Auslastung über alle Firmen zu Geschäftszeiten liegt zwischen zwei und 15 Prozent der vorhandenen Zeit. Das ist per se nicht sehr hoch, aber höher als bei privaten Fahrzeugen, die oft nur bei ein bis zwei Prozent am Tag genutzt werden. Im Vergleich dazu weisen Fahrzeuge, die auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und gut positioniert sind, eine Auslastung von über 33 Prozent auf.
Vorrangig an der Automatisierung des Buchungs- und Schlüsselübergabeprozesses interessiert sind 40 Prozent der Fuhrparks. 60 Prozent der Fuhrparks brauchen die Software aber lediglich, um Transparenz bei der Buchung und einer lückenlosen Dokumentation zu bekommen. Es ist also wichtig zu verstehen, was das Unternehmen eigentlich sucht, und eine Lösung zu finden, die genau diesen Bedarf abdeckt.
Meist stationsbasierte Lösung
Peter Jegutzki von AZOWO hält den Sharing-Ansatz besonders für Logistik-Unternehmen, Lieferdienste, Pflegedienste, aber auch für Städte und Gemeinden attraktiv. Corporate Carsharing funktioniert vor allem dort, wo längere Strecken gefahren werden müssen und keine Fahrzeugvermieter in der Nähe sind, so die Erfahrung von Fleetster. Das trifft vor allem für mittelständische Unternehmen in der Peripherie zu.
Typischerweise werden stationsbasierte Angebote gewählt, weil sie deutlich günstiger sind als Free-floating-Systeme, weil die Fahrzeuge an vorhersehbaren Orten stehen und lange im Voraus reserviert werden können.
Ökologisch wertvoll?
Das Carsharinggesetz (CsgG) attestiert dem Carsharing eine Verringerung insbesondere der klima- und umweltschädlichen Auswirkungen des motorisierten Individualverkehrs. Das scheint aber nicht auf alle Carsharing-Systeme zuzutreffen: Einer Studie des Öko-Instituts in Zusammenarbeit mit dem ISOE Institut für sozial-ökologische Forschung zufolge erzielt ein großer, Free-floating-Carsharer keine verkehrsentlastende Wirkung.
Gunnar Nehrke vom Bundesverband CarSharing entgegnet: "Wir sehen aus neuen Daten einer Vergleichsstudie, die wir im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts STARS durchgeführt haben, dass andere Carsharing-Varianten sehr wohl eine hohe verkehrsentlastende Wirkung haben. Das trifft auf das stationsbasierte Carsharing zu, aber auch auf kombinierte stationsbasierte/Free-floating-Systeme. Es gibt also kein Problem mit dem Carsharing, sondern ein Problem mit dem Stand-alone-Free-floating, wie es der untersuchte Anbieter betreibt." Da Unternehmen wohl kaum Stand-alone-Free-floating Systeme betreiben, könnte demnach eine positive Wirkung angenommen werden.
Vorreiter bei Elektrofahrzeugen
Mit dem Thema Ökologie eng verbunden ist die Nutzung von Elektrofahrzeugen. So haben erste Bundesländer schon begonnen, die Anschaffung von E-Fahrzeugen staatlich zu fördern. Rund 10 Prozent der in Deutschland operierenden Carsharing-Fahrzeuge sind batterieelektrisch. Das klingt nach wenig, ist aber im Vergleich zu allen privaten und gewerblichen Fahrzeughaltern viel, wie Nehrke weiß: "Hier sind nur 0,2 Prozent der Fahrzeuge batterieelektrisch."
Allerdings muss er Entscheidern auch zu bedenken geben: "E-Fahrzeuge machen im Carsharing durchaus zusätzliche Probleme. Die Ladezeiten senken die Fahrzeugverfügbarkeit, die Wiederverkaufswerte, mit denen die Flottenmanager rechnen können, sind unklar. Trotzdem bemühen sich die Carsharing-Anbieter um eine Erhöhung des Elektro-Anteils in ihren Flotten, weil sie die Umweltfreundlichkeit der Dienstleistung weiter steigern wollen. Gerade für Corporate-Carsharing-Lösungen eignen sich Elektrofahrzeuge oft gut, da die Akzeptanz unter den Nutzern oft viel höher ist als beim öffentlichen Carsharing."
"Elektromobilität im Carsharing-Betrieb noch nicht wirtschaftlich"
Bettina Dannheim von der Cambio-Gruppe sieht die aktuelle Situation nicht ganz so positiv: "Sowohl die Fahrzeuge als auch die Ladeinfrastruktur sind noch sehr teuer. Beides bedeutet, dass sich Elektromobilität im Carsharing-Betrieb noch nicht wirtschaftlich betreiben lässt. Und wirklich emissionsfrei unterwegs, wie es den Stromern oft nachgesagt wird, sind sie nur dann, wenn Ökostrom aus erneuerbaren Energien (Sonne, Wasser, Wind) durch die Leitungen fließt. Deshalb setzen wir bei Cambio ausschließlich auf Ökostrom."
David Braun, Produktmanager Carsharing Deutsche Bahn Connect, weist auf zwei wichtige Erfolgsfaktoren bei der Einführung von E-Fahrzeugen hin: "Unserer Erfahrung nach lassen sich Elektrofahrzeuge derzeit vor allem innerhalb räumlich oder sachlich klar definierten Nutzungsszenarien erfolgreich einsetzen. Dies kann zum Beispiel bei Verkehren innerhalb eines Werkes oder auf eng definierten, regelmäßig zurückgelegten Strecken der Fall sein."
Im Wesentlichen geht es also darum, Unsicherheiten bei Nutzern abzubauen, in dem dezidierte Nutzungsszenarien vorgegeben werden. Braun ergänzt: "Auf der anderen Seite lässt sich feststellen, dass die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen deutlich geringer ausfällt, wenn Nutzungsszenarien nicht genügend geschärft sind und zeitgleich konventionelle Fahrzeuge als Alternative zur Verfügung stehen." Auch die Travel-Policy eines Unternehmens kann die Etablierung alternativer Antriebe im Unternehmen nachhaltig unterstützen.
Corporate Carsharing: Akzeptanz steigt
Im Zentrum der Nutzerbetrachtung steht immer die Akzeptanzfrage, die Nehrke vom Bundesverband Carsharing bei seinen Mitgliedern pragmatisch wahrnimmt: "Viele Unternehmen sagen uns, dass die Akzeptanz für Sharing-Lösungen insbesondere unter ihren jüngeren Mitarbeitern hoch sei. Meiner Meinung nach wird es aber in Zukunft nicht darum gehen, dass Unternehmen lediglich Carsharing als Alternative zum Dienstwagen anbieten. Attraktiv sind umfassende und individuell gestaltbare Mobilitätslösungen. Das kann zum Beispiel ein E-Bike, eine ÖPNV-Karte und eben ein Carsharing-Angebot umfassen."
Für Tom Bechert, Sales Manager bei Vispiron Carsync, ist die Öffnung des Fuhrparks für private Nutzung Kernbestandteil des Konzeptsund damit ein weiteres Instrument der Mitarbeitermotivation: "Ein ausgeklügeltes Rechte- und Rollenkonzept sowie technische Maßnahmen sichern private Nutzung hinsichtlich der Akzeptanz gegenüber den Mitarbeitern ab . Für die Umsetzung wird zwischen Mitarbeiter und Unternehmen ein firmenspezifischer Fahrzeugnutzungsvertrag geschlossen. Dieser regelt Details zu Versicherung, Nutzungsbedingungen und Kosten. Üblich ist eine Berechnung der Kosten anhand einer Kilometer-Pauschale zur Umgehung des geldwerten Vorteils. Die Höhe dieser Pauschale muss steuerrechtlich abgesichert werden."
Bei der Europcar-Tochter Ubeeqo bekommt jeder Nutzer einen Privat- und einen Business-Account.
Tim Ruhoff, CEO der Next Generation Mobility (Fleetster), berichtet: "Der Großteil der Buchungen ist für Geschäftszwecke. 22 Prozent der Buchungen sind privat. Die durchschnittliche Geschäftsbuchung dauert 20,64 Stunden, die durchschnittliche Privatbuchung 14,71 Stunden. Im Schnitt bringen die Nutzer die Fahrzeuge eine Stunde und zehn Minuten zu spät zurück, wofür Fleetster ein ausgeklügeltes System für automatische Umbuchungen hat." Sicher ist: In den letzten 30 Jahren seit dem ersten öffentlichen Carsharing im Jahr 1988 hat sich viel getan in Sachen Akzeptanz.
Corporate Carsharing: Selbstfahrende Autos als künftiger Impuls
Das Carsharing-Gesetz ermöglicht es den Städten, Bevorrechtigungen insbesondere beim Parken bezüglich Stellplatz oder Tarif einzuräumen. Allerdings ist es nicht auf reine Corporate-Carsharing- Flotten anwendbar, denn es sieht als Anforderung an die Fahrzeugflotte vor, dass Carsharing-Anbieter im Rahmen der vorhandenen Kapazität grundsätzlich jeder volljährigen Person mit einer für das entsprechende Kraftfahrzeug gültigen und vorgelegten Fahrerlaubnis diskriminierungsfrei eine Teilnahmeberechtigung gewähren.
Dennoch betrifft das Gesetz auch die Unternehmen, denn viele offene Flottenanbieter bieten Unternehmenstarife beziehungsweise bauen für Unternehmen sogar eigene neue Stationen auf. Offensichtlich ist dies gerade für kleinere Unternehmen attraktiv, deren eigener kleiner Corporate-Carsharing-Fuhrpark mit hohen Overhead-Kosten belastet wäre. Blockbuchungen sorgen dafür, dass die Fahrzeuge während der Arbeits- respektive Dienstzeiten verfügbar bleiben. Typischerweise steht dann außerhalb dieser Zeiten allen Nutzern die Station zur Verfügung. Darüber hinaus wird das Gesetz sicherlich auch der privaten Nutzung einen Impuls geben und mittelbar auch die Akzeptanz bei den Arbeitnehmern verändern.
"Gewicht zwischen Besitz und Nutzung deutlich in Richtung der Nutzung"
Wenn man den Blick in die Zukunft des Carsharings wagt, müssen die wichtigsten Impulse aber nicht zwingend vom Gesetzgeber kommen. Tim Ruhoff von Next Generation Mobility glaubt an den großen Durchbruch mit dem selbstfahrenden Auto: "Hier wird sich das Gewicht zwischen Besitz und Nutzung deutlich in Richtung der Nutzung verschieben, was Corporate Carsharing in die breite Masse tragen wird."