Von Dr. Katja Löhr-Müller
Obwohl allen Verkehrsteilnehmern bekannt sein sollte, dass es beim Führen eines Kraftfahrzeugs verboten ist, ein in der Hand gehaltenes Handy zu nutzen, trifft man im Straßenverkehr ständig auf Fahrer mit dem berühmten Handy am Ohr. Wer sich dabei erwischen lässt, ist selber schuld. Was die Öffentlichkeit jedoch bisher nur am Rande wahrgenommen hat, ist der Umstand, dass der Gesetzgeber am 18. Mai 2017 mit Wirkung zum 6. Oktober 2017 die Straßenverkehrsordnung (StVO) angepasst und eine neue Definition zu elektronischen Geräten geschaffen hat. Dass dies auch nicht jedem Strafrichter bekannt ist, zeigt eine Entscheidung des Amtsgerichts Berlin, die durch das Kammergericht Berlin am 29. März diesen Jahres aufgehoben wurde.
Kurzer Blick von der Straße erlaubt
So wurde einer Autofahrerin vorgeworfen, während der Fahrt im dichten Berufsverkehr kurz den fest eingebauten Joystick in der Mittelkonsole ihres Fahrzeugs genutzt zu haben, um im Bordcomputer auf das Navigationssystem umzuschalten und sich die Uhrzeit anzeigen zu lassen. Dabei hatte sie für wenige Sekunden den Blick von der Fahrbahn abgewendet und war aus Unachtsamkeit auf das vor ihr fahrende Fahrzeug aufgefahren. Hierfür erhielt sie ein Bußgeld wegen der Benutzung eines elektronischen Gerätes beim Führen eines Kraftfahrzeugs mit Unfallfolge in Höhe von 250 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte die Fahrzeugführerin Einspruch ein, sodass die Angelegenheit vor dem Amtsgericht verhandelt wurde.
Der Amtsrichter hatte die Frau daraufhin vom Vorwurf der vorsätzlicher Benutzung eines elektronischen Gerätes beim Führen eines Fahrzeuges mit Unfallfolge gemäß §§ 1 Abs. 2, 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 22 StVO i.V.m. § 24 StVG mit der Begründung freigesprochen, das im Bordcomputer des Fahrzeugs enthaltene und über den fest eingebauten Joystick zu bedienende Navigationssystem falle nicht unter die Geräte im Sinne von § 23 Abs. 1a S. 2 StVO. Zudem habe die Fahrerin auch nur sehr kurz ihren Blick von der Straße abgewendet. Dies sei nach der Vorschrift erlaubt. Die zuständige Amtsanwaltschaft legte daraufhin Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ein und hatte damit beim Kammergericht Berlin Erfolg.
Auch Touchscreens als elektronisches Gerät definiert
So führt das Kammergericht in seiner Entscheidung aus, dass entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts auch ein Navigationsgerät unter den Begriff der elektronischen Geräte nach § 23 Abs. 1a StVO fällt. Mit der Neufassung der Vorschrift liegt ein elektronisches Gerät vor, wenn dies der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist. Die Vorschrift umfasst dabei ausdrücklich auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorecorder. Dabei ist es unerheblich, ob das elektronische Gerät fest im Fahrzeug verbaut ist oder es sich um ein mobiles Gerät handelt. Das Kammergericht stellte klar, dass der Gesetzgeber in der Vorschrift gerade nicht mehr zwischen mobilen und immobilen elektronischen Geräten unterscheiden wollte.
Nach § 23 Abs. 1a S.1 Nr.1 StVO ist die Benutzung eines elektronischen Gerätes nur dann gestattet, wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten werden muss und nach Nr. 2 der Vorschrift entweder nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
Tipp: Sprachsteuerung nutzen
Das Kammergericht war der Ansicht, dass es sich vor dem Hintergrund des Auffahrunfalls und der festgestellten Verkehrsdichte aufgedrängt hätte, sich als Amtsrichter damit auseinanderzusetzen, warum der Zeitraum der Unaufmerksamkeit wegen der Bedienung des Navigationsgerätes dennoch dem Verkehrsgeschehen angepasst gewesen sein sollte. Da hierzu das Amtsgericht keine weiteren Ausführungen gemacht hatte, wurde die Sache zur weiteren Sachaufklärung vom Kammergericht wieder an das Amtsgericht zurückverwiesen (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 29.03.2019 – 3 Ws (B) 49/19).
Jedem Autofahrer kann deshalb nur dringend angeraten werden, die Sprachsteuerung im Fahrzeug zu nutzen und ein manuelles Bedienen von elektronischen Geräten im Fahrzeug zu unterlassen. Dann muss auch kein Gericht darüber entscheiden, ob der Zeitraum der Unaufmerksamkeit bei manueller Handhabung dem Verkehrsgeschehen angepasst war oder nicht.