Dennis Gauert
Das Kürzel steht für "Compressed Natural Gas" und ist – im Volksmund – nichts weiter als Erdgas. Schon Mitte der Neunziger kamen die ersten Pkw mit dem komprimierten Erdgas auf den Markt. Heute, gut zwanzig Jahre später, schrauben die Italiener Gasflaschen unter ihre Transporter und hoffen auf eine Erweiterung der Infrastruktur.
Deutschland ist ein CNG-Entwicklungsland
Wenn man einen Blick auf die Liste der CNG-Tankstellen in Deutschland wirft, muss man davon ausgehen, dass man sich in einem Entwicklungsland befindet. Im Januar 2014 hatte Deutschland 917 CNG-Anlaufpunkte. Die meisten davon stehen in Nordrhein-Westfalen (mehr als 160 Tankstellen). Hessen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und das Saarland kommen zusammen nicht einmal auf diese Anzahl.
Hinzu kommt, dass die Preise für den alternativen Kraftstoff in Deutschland weltweit am höchsten sind. Um einen Euro kostet ein Kilogramm CNG-Gas. Dazu ist die Bundesregierung nicht sehr spendabel, was Steuervergünstigungen an anderen Stellen angeht. Dabei erzeugt CNG bis zu 75 Prozent weniger Kohlenmonoxid und 25 Prozent weniger Kohlendioxid.
Ruhig und kraftvoll schiebt das Erdgas
Der Fiat Ducato ist bekannt. Als günstiger Lastenesel empfiehlt er sich überall dort, wo viel Platz zum günstigen Preis gesucht wird. Mit Blattfedern und starrer Lenksäule ist er keine technische Neuheit, verrichtet seinen Dienst aber gut und zuverlässig. Umso interessanter ist der Antrieb. Während die Diesel alle kräftig aber rau zu Werke gehen, ist der CNG-Antrieb nahezu zahm. Mit drei Litern Hubraum ohne Turboaufladung ist der Motor für den Erdgasbetrieb eigens konstruiert worden.
Ähnlich den Dieselmotoren präsentiert sich das Drehmoment von 350 Newtonmetern schon sehr früh, nämlich bei 1500 Umdrehungen. Bei 3500 Umdrehungen liegen dann die vollen 136 PS des Erdgas-Transporters an. Die fünf 40-Liter-Gastanks sind mit Blechverkleidungen unter Flur installiert und nehmen dem Ducato in der Praxis etwas Bodenfreiheit. Aufpassen ist bei steilen Einfahrten also angesagt.
Innen ist die Gasanlage dagegen nicht wirklich wahrnehmbar. Der Fiat Ducato hält sich bis auf das typische CNG-Zischen akustisch im Hintergrund. Auch der Drehmomentsverlauf ist angenehm. Da das maximale Drehmoment schon sehr früh anliegt, steht dem flotten Anfahren mit Beladung nichts im Wege. Lediglich zwischen 2300 und 2800 Umdrehungen wirkt der Motor etwas zugeschnürt, nimmt danach aber wieder an Fahrt auf. Als Höchstgeschwindigkeit konnten bei der Testfahrt 159 Kilometer pro Stunde abgelesen werden. Das ist für die Leistung, das um 370 Kilogramm erhöhte Leergewicht und die hohe Stirnfläche erstaunlich gut.
400 Kilometer können reichen
Was man als Fahrer hingegen vermisst, ist die Reichweite. Etwa 400 Kilometer schafft der Ducato – so Fiat - im reinen CNG-Betrieb. Als Puffer steht noch ein 15-Liter-Nottank für Otto-Kraftstoff bereit. Für die Wege, die man üblicherweise mit einem Transporter fährt, ist das völlig ausreichend. Auch längere Fahrten sind kein Problem, sofern man sich vorher sinnvolle Anlaufstellen zum Nachtanken heraus sucht. Zum Testzeitpunkt, Mitte November, wurden 96 Cent pro Kilogramm Erdgas fällig. Etwa 12 Kilogramm pro 100 Kilometer verbraucht der Ducato davon in der Praxis.
CNG kostet 270 Kilogramm Nutzlast
Beim Fiat Ducato Hochdach mit CNG gehen dazu im Vergleich zum etwa gleichwertigen 130 Multijet insgesamt 270 Kilogramm Nutzlast verloren. Insgesamt stehen noch mindestens 1190 Kilogramm zur Verfügung. Das Ladevolumen von 10 beziehungsweise 11,5 Kubikmetern bleibt, je nach Variante, dabei identisch.
Wie lohnenswert der Kauf eines CNG-Transporters ist, erklärt eine grobe Rechnung. Bei aktuell 0,96 Euro pro Kilogramm CNG und 1,35 pro Liter Diesel bezahlt der CNG-Fahrer auf 10.000 Kilometer gerechnet 883 Euro an der Tankstelle, der Diesel-Fahrer 851 Euro (Rechnung nach ECE-Normverbrauch: 6,3 Liter Diesel; 9,2 Kilogramm CNG). Als Maxi-Großraumkastenwagen 35 kostet der Ducato Multijet Natural Power 39.110 Euro netto, der 130 Multijet hingegen 33.150 Euro.
Eine Amortisierung wird nie stattfinden. Das liegt weniger an Fiats Preispolitik (die generell sehr positiv ist) als an den Mehrkosten, die bei den kleinen Serien von Erdgas-Transportern einfach anfallen. Das Kauf-Argument bleibt im Moment also die Umweltbilanz und die Hoffnung auf sinkende Steuerlasten und stärkere Förderungen. Die Infrastruktur ist in vielen Gebieten ebenfalls eine Großbaustelle. Doch mit solchen umweltpolitischen Wundern ist Deutschland ja bekanntlich zurückhaltend - besonders wenn der Strom sich gerade so gut verkaufen lässt.
Technische Daten Testfahrzeug Fiat Ducato 35 L2H2 140 Natural Power
Hubraum: 2999 ccm
Leistung: 100 kW / 136 PS bei 3500 U/min
Max. Drehmoment: 350 Nm bei 1500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 159 km/h
Abgasnorm: Euro 6
ECE-Durchschnittsverbrauch: 9,2 kg / 100 km
Maximale Anhängelast: n.A.
Abmessungen in mm (L x B x H): 5399 x 1956 x 1971 mm
Radstand: 3450 mm
Leergewicht: 2310 kg
Nutzlast: 1190 kg
Ladevolumen: 11,5 Kubikmeter
Maximale Ladelänge auf Bodenhöhe 3,12 Meter
Laderaumhöhe: 1,93 Meter
CO2-Emissionen: 234g
Aufpreispflichtige Ausstattungsmerkmale
Cruise Control & Geschwindigkeitsbegrenzer
elektrisch verstell- und beheizbare Außenspiegel
vollwertiges Ersatzrad inklusive Halterung
5-Zoll-Bluetooth-Touchscreen-Radio
Regen- und Lichtsensor, Nebelscheinwerfer
Einzonen-Klimaautomatik, Rückfahrkamera, Allwetterreifen
Ablagefach im Dach, Stahltrennwand ohne Fenster
USB-Ladeanschluss, Spurassistent, mechanisch geferter Komfortsitz im Mittelarmlehn
Instrumente mit Chromumrahmung, Lederlenkrad, Klimatronik
Basispreis Testwagen: 39.110 Euro ohne Mehrwertsteuer