Von Dr. Katja Löhr-Müller
"Den Fuhrpark macht man doch so nebenher." Solche Aussagen hören Fuhrparkverantwortliche aus der Geschäftsleitung ihres Unternehmens immer wieder. Tatsächlich müssen Fuhrparkleiter häufig über die reguläre Arbeitszeit hinaus tätig werden, um den Berg an Aufgaben zur Betreuung von Firmenfahrzeugen zu bewältigen.
So erging es auch einem Fuhrparkverantwortlichen, der nicht nur den Fuhrpark eines größeren Transportunternehmens leitete, sondern darüber hinaus auch noch für den Bereich Technik verantwortlich war.
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In nur einem knappen Jahr waren über 500 Überstunden angefallen. Diese vielen Überstunden sollten nun vom Arbeitgeber nach dem Willen des Arbeitnehmers vergütet werden. Nachdem das Unternehmen eine Zahlung verweigerte, zog der Fuhrparkleiter vor Gericht.
Eigene Aufzeichnungen als Grundlage
Der Fuhrparkleiter hatte in seiner Beschäftigungszeit im Unternehmen eigene Aufzeichnungen über seine geleisteten Überstunden angefertigt. Zwar gab es im Betrieb ein Zeiterfassungssystem, was der Arbeitnehmer in den ersten drei Wochen seiner Tätigkeit auch nutzte. Danach war ihm von der Geschäftsführung jedoch die weitere Teilnahme an der Zeiterfassung untersagt worden.
Der Arbeitgeber wandte vor Gericht ein, von den Überstunden nichts gewusst zu haben. Insbesondere habe er sie nicht angeordnet. Vom Arbeitnehmer aufgedrängte Überstunden müsse er nicht vergüten. Zudem leisteten ohnehin auch andere Führungskräfte im Unternehmen unentgeltlich Mehrarbeit. Der Fuhrparkleiter habe daher nicht erwarten dürfen, dass Überstunden auch vergütet werden.
Überstunden: restriktive Rechtsprechung
Das Arbeitsgericht Potsdam schloss sich dieser Rechtsauffassung zunächst an, auch im Hinblick darauf, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vergütung von Überstunden durchaus restriktiv ist. Arbeitnehmern fällt es häufig schwer, den Umfang von Überstunden und die Kenntnis ihres Arbeitgebers hiervon vor Gericht zu beweisen.
Zudem dürfen Arbeitnehmer ab einer bestimmten Hierarchieebene nicht davon ausgehen, Überstunden auch vergütet zu erhalten. In der Regel wird dies an der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung festgemacht. Liegt das Bruttogehalt über der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze im Jahr, darf ein Arbeitnehmer zunächst nicht davon ausgehen, Überstunden ausbezahlt zu bekommen.
Nachdem das Arbeitsgericht die Klage auf Auszahlung der Überstunden abgewiesen hatte, ging der Fuhrparkleiter in Berufung. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgte dem erstinstanzlichen Gericht nicht und sah einen Vergütungsanspruch als gegeben an (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2017, Az. 15 Sa 66/17).
Arbeitgeber muss Arbeitszeiten prüfen
So könne ein Arbeitgeber nicht behaupten, man habe von Überstunden nichts gewusst, wenn im Betrieb ein Zeiterfassungssystem eingesetzt wird. Denn es gehört gerade auch zu den Arbeitgeberpflichten, elektronische Zeiterfassungssysteme zu prüfen, damit die gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen Arbeitszeiten eingehalten werden.
Der Umstand, dass die Geschäftsführung dem Fuhrparkverantwortlichen verbot, über das System die Arbeitszeit erfassen zu lassen, müsse sich der Arbeitgeber selbst zurechnen lassen. Zudem habe das Unternehmen selbst vorgetragen, dass Führungskräfte regelmäßig im Betrieb unentgeltlich Mehrarbeit leisteten. Daraus sei zu schließen, dass der Arbeitgeber sehr wohl gewusst habe, dass Überstunden anfallen, so die Arbeitsrichter. Damit war die Hürde, der Arbeitgeber habe von den Überstunden nichts gewusst, vor Gericht beseitigt.
Arbeitsvertragliche Regelung
Auch den Einwand, der Arbeitnehmer habe nicht damit rechnen dürfen, für die Mehrarbeit eine Vergütung zu erhalten, ließ das Landesarbeitsgericht nicht gelten. Denn im Arbeitsvertrag des Fuhrparkleiters stand ausdrücklich, dass Überstunden entweder als bezahlte Freistellung ausgeglichen oder aber auf Grundlage des Mindestlohngesetzes vergütet werden sollten.
Haben die Arbeitsparteien aber eine vertragliche Regelung über den Umgang mit Überstunden und deren Vergütung getroffen, ist es nicht mehr Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Beschäftigte tatsächlich eine Vergütungserwartung haben durfte. Denn in einem solchen Fall ist die arbeitsvertragliche Regelung eindeutig.
Da der Fuhrparkleiter für jeden Arbeitstag Arbeitsbeginn und Arbeitsende unter Abzug einer Pause von 45 Minuten schriftlich dokumentiert hatte, konnte er dem Gericht exakt darlegen, wie viele Überstunden er während seiner Beschäftigungszeit geleistet hatte. Das Landesarbeitsgericht verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung von nahezu 5.000 Euro brutto.
Fast eine Milliarde Überstunden
Zudem ließen es sich die Richter nicht nehmen, sich überaus kritisch zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts über die Vergütungsvoraussetzungen von Überstunden zu äußern. Denn bei fast einer Milliarde Überstunden, die weder durch Freizeit noch durch Zahlung in Deutschland abgegolten werden, müsse man sich fragen, ob ein solcher Missbrauch durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung auch noch gedeckt werden dürfe.