Chinesische Stadtlandschaft: Autohersteller aus dem Reich der Mitte fassen jetzt auch in Deutschland Fuß.
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Chinesische Stadtlandschaft: Autohersteller aus dem Reich der Mitte fassen jetzt auch in Deutschland Fuß.

Chinesische Automarken

Gekommen, um zu bleiben

Der zweite Anlauf ist erfolgversprechend: Chinesische Autohersteller wollen sich auch in Europa etablieren. Wir sagen, was sie vorhaben.

Jetzt geht es richtig los: Nachdem Autos chinesischer Marken wie Brilliance oder Landwind im vorletzten Jahrzehnt erst an der Crashmauer und dann am Markt versagten, starten viele Autokonzerne aus China jetzt eine ernstzunehmende Europa-Offensive. Und zwar nicht nur über den Zukauf einheimischer Hersteller – nein, die Chinesen wollen sich jetzt auch mit eigenen Marken ein gehöriges Stück vom europäischen Autokuchen abschneiden.

Auch wenn die Absatzzahlen vieler Newcomer aus China noch überschaubar sind – das kann sich schnell ändern. Marken wie Lynk & Co (6.600 Einheiten) oder MG (15.700 Einheiten) haben es 2022 in Deutschland bereits über einen Achtungserfolg hinaus geschafft. Wie die chinesischen Marken hierzulande aufgestellt sind, was sie mittelfristig planen und welche Rolle Flotten- und Gewerbekunden für sie spielen, zeigen wir in unserer aktuellen Übersicht.

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Aiways

U5 (seit 2020) und U6 (startet derzeit) heißen die beiden Elektro-SUVs von Aiways. Probefahrtbuchungen und Fahrzeugbestellungen erfolgen online, das Vertriebsnetz von Aiways in Deutschland besteht derzeit aus 47 Filialen des Elektronikhändlers Euronics. Den Service übernehmen die ATU-Werkstätten, von denen heute 25 als Aiways-Kompetenzzentren auch für komplexere Arbeiten zum Beispiel an der Hochvolt-Batterie qualifiziert sind. Bis Ende des Jahres soll ihre Zahl auf 50 wachsen. Speziell auf gewerbliche Kunden ausgerichtete Vertriebs- und Servicestützpunkte sind bei Aiways auch für die Zukunft nicht geplant.

Zentraler Ansprechpartner für Unternehmenskunden ist die Groß- und Flottenkundenabteilung bei Aiways Automobile Europe. Für die Zielgruppe gibt es eine eigene Website und spezifische Angebote. So können Fuhrparks mit 20 und mehr Fahrzeugen einen Aiways unverbindlich bis zu einem Monat testen. Aiways-Leasing-Partner sind Arval, die Bank11 oder die FCA Bank. Beim Thema Autoabo kooperiert Aiways mit Finn Auto. Als Lieferzeit nennt Aiways rund sechs Monate, Tendenz fallend.

Für die nächsten Jahre plant Aiways jährlich eine komplette Neuheit oder ein Facelift. So ist dieses Jahr neben der Einführung des U6 auch ein Facelift für den U5 vorgesehen.

BYD

BYD (Build your Dreams) hat seine Wurzeln in der Batterieproduktion, heute zählen zum Portfolio auch Elektronikgeräte, Schienenfahrzeuge, schwere Nutzfahrzeuge und eben Elektro-Pkw. Das Kompakt-SUV Atto 3 sowie die Mittelklässler Han (Limousine) und Tang (SUV) sind jetzt auch in Deutschland zu haben.

Auch um die spezifischen Bedürfnisse gewerblicher Kunden optimal zu bedienen, setzt BYD bei Vertrieb und Service auf ein klassisches Händler- und Werkstattnetz mit persönlicher Interaktion sowie physischen Kontaktpunkten zum Produkt. Dafür arbeitet der deutsche BYD-Importeur Hedin Electric Mobility derzeit mit sechs Händlergruppen zusammen und will die Verkaufs- und Servicestützpunkte in den kommenden Monaten „signifikant“ erhöhen.

Ob BYD-Händler als spezielle Business Center qualifiziert werden, steht noch nicht fest. Aber in jedem Händlerbetrieb soll ein Key-Account-Manager oder Flottenverkäufer ansprechbar sein. Und auch beim Importeur ist der Aufbau eines Key-Account-Managements geplant.

Ein Gewerbekunden-Leasing ist derzeit für den für den BYD Atto 3 verfügbar, die Ausweitung der Leasing-Kooperationen ist aber geplant. Wer jetzt einen Atto 3 bestellt, erhält ihn „kurzfristig“, BYD Han und Tang nach drei bis vier Monaten. Eine Lieferung bis zum Auslaufen des Umweltbonus will BYD für Gewerbekunden sicherstellen. Innerhalb der nächsten zwölf Monate sollen zwei bis drei neue Modelle das BYD-Portfolio ergänzen, um alle wesentlichen Segmente ab den Kompakt-SUVs abzudecken.

Elaris

Elaris ist mit seinen vier Elektroautos in unterschiedlichsten Segmenten präsent. Der Beo ist ein Mittelklasse-SUV, Pio und Dyo sind zweisitzige City-Flitzer und der Caro ist ein Transporter im Format und Design des Sprinter-Vorgängers.

Elaris ist heute allerdings kein Fahrzeughersteller, sondern Importeur chinesischer Fahrzeuge verschiedener Hersteller. Mit den Kleinst-Elektroautos spricht das Unternehmen zum Beispiel Pflege- oder Lieferdienste an, mit seinem Elektro-Transporter Handwerker und Zustelldienste. Ansprechpartner für Flotten- und Gewerbekunden ist eine spezielle Taskforce. Kauf oder Leasing erfolgen online, bei Fahrzeugübergabe und Service setzt Elaris auf stationäre Partner – und zwar vor allem auf Euromaster-Betriebe. Als Lieferzeiten nennt Elaris derzeit zehn bis zwölf Wochen. Noch dieses Frühjahr will Elaris den Leo, ein elektrisches Kompakt-SUV, sowie die Elektro-Limousine Jaco präsentieren.

Indimo

Auch Indimo ist Deutschland-Importeur verschiedener chinesischer Fabrikate. Antworten auf unsere Anfrage haben wir nicht bekommen, daher nur so viel: Zum Portfolio zählen Fahrzeuge der Marken BAIC, DFSK, JAC, Seres und SWM, darunter vornehmlich SUVs, aber auch kleine City-Transporter. Neben konventionellen Verbrennern befinden sich auch Fahrzeuge mit Elektroantrieb im Programm, Vertrieb und Service erfolgen über Händler und Werkstätten vor Ort.

LEVC

Die Geely-Marke LEVC (London Electric Vehicle Company) ist vor allem bekannt für das legendäre London Taxi (LEVC TX) und setzt daneben auf den Transporter VN5. Dessen Besonderheit: der serielle Plug-in-Hybrid, dessen Benziner ausschließlich als Stromgenerator für den Elektromotor dient.

Mit dem VN5 startete LEVC 2021 in Deutschland, bei Vertrieb und Service setzte man auf den stationären Handel. Wie es hierzulande – nach Umwälzungen im Management – weitergeht, beantwortete uns die Zentrale in Großbritannien nicht.

Lynk & Co

Lynk & Co, ebenfalls eine Geely-Marke, ist in Deutschland bis zum Erscheinen des ersten vollelektrischen Modells ausschließlich mit dem Lynk & Co 01 aktiv. Das Kompakt-SUV ist technisch eng verwandt mit dem Volvo XC40 und mittlerweile ausschließlich als Plug-in-Hybrid zu haben.

Lynk & Co sieht sich nicht als traditionellen Autohersteller, sondern als Mobilitätsanbieter mit Fokus auf Autoabos. Für das entscheiden sich derzeit knapp 90 Prozent aller Kundinnen und Kunden in Deutschland, bei Lynk & Co Mitglieder genannt. Kauf und Leasing sind aber ebenfalls möglich. Der 01 ist laut Lynk & Co bei allen relevanten Leasinganbietern gelistet, zusammen mit ALD Automotive gibt es außerdem „Lynk & Co Lease“.

Über klassische Vertriebsstandorte verfügt Lynk & Co nicht, die deutschlandweit vier sogenannten Clubs dienen in erster Linie als Event-Location. Gewerblichen Kunden steht neben dem Online-Vertrieb ein B2B-Team zur Verfügung, auch als Ansprechpartner für die Bestellung mehrerer Fahrzeuge. Die Auslieferung erfolgt entweder direkt an Abholstellen oder gegen Gebühr direkt zum Kunden. Den Service übernehmen Volvo-Vertragswerkstätten. Wer jetzt einen neuen Lynk & Co 01 bestellt, erhält ihn in acht bis zwölf Wochen.

Maxus

Unter dem Maxus-Label vertreibt die Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) Business Shuttle, Pick-up und Transporter. In Deutschland liegt der Fokus auf der E-Mobilität, nur der größere der beiden Transporter im Portfolio ist auch als Diesel erhältlich. Maxus startet aktuell den Verkauf des ersten vollelektrischen Pick-ups in Deutschland, für dieses Jahr geplant sind außerdem Doppelkabinen-Varianten für die Transporter mit langem Radstand.

Maxus setzt ganz konventionell auf physische Vertriebs- und Servicestandorte. Dafür arbeitet der deutsche Importeur auch mit etablierten großen Händlergruppen zusammen.

MG

Die ursprünglich englische Marke MG zählt mittlerweile ebenfalls zum SAIC-Imperium – als Full-Line-Anbieter im Volumensegment. Fünf Modellreihen haben die Chinesen in Deutschland derzeit im Angebot, darunter den ersten vollelektrischen Kombi MG 5. Mit diesem Portfolio mauserte sich MG zum 2022 erfolgreichsten chinesischen Anbieter in Deutschland.

Nur zwei MG-Modelle in Deutschland fahren nicht vollelektrisch. Unternehmenskunden sieht das Unternehmen als „hochrelevant“ an, Groß- und Gewerbekunden bedient MG im Rahmen des Direktvertriebs. Ansprechpartner sind die sogenannten Regional Fleet & Corporate Sales Manager der Vertriebsgebiete Nord und Süd. Aber auch der Online-Kauf ist bei MG möglich. Darüber hinaus existiert ein aus derzeit 130 Agenten bestehendes Vertriebs- und Servicenetz, allerdings ohne auf Gewerbekunden spezialisierte Business Center. Ein Full-Service-Leasing ist über Arval möglich, 2023 erweitert MG die Palette des erst kürzlich eingeführten Elektro-Kompakten MG 4 um eine Version mit erhöhter Reichweite sowie um eine Performance-Variante.

Nio

Was Nio auszeichnet: Die Marke setzt direkt im Premiumsegment an, bietet ausschließlich vollelektrische Fahrzeuge der Business Class. In der oberen Mittelklasse spielen der ET7 (Limousine) und der EL7 (SUV), noch dieses Jahr geht es weiter in der Mittelklasse. Der ET5 startet als Limousine, was man hört, ein Kombi ist geplant.

Nach dem Debüt ausschließlich mit flexiblen und festen Autoabo-Modellen sowie Leasing-Angeboten bietet Nio seine Fahrzeuge auf ausdrücklichen Kundenwunsch auch zum Kauf an. Ein Full-Service-Leasing gibt es in Kooperation mit Leaseplan.

Der Nio-USP sind die Swap Stations genannten Batterie-Wechselstationen. Ende 2023 soll der Akkuwechsel innerhalb von fünf Minuten an europaweit rund 100 Stationen möglich sein, bis Ende 2024 plant Nio in Deutschland mit EnBW den Aufbau von 20 Stationen. Bislang sind drei Stationen in Betrieb beziehungsweise stehen kurz davor.

Bestellt wird bei Nio online, die bis Ende 2023 vier deutschen Nio Houses (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg) dienen vor allem der Markenrepräsentanz und als Event-Locations. Den Service übernehmen die Werkstätten von Global Automotive Service (G.A.S.), wobei Nio einen Hol- und Bringservice bietet. Zusätzliche Service-Kooperationen mit großen Händlergruppen sind für die Zukunft aber nicht auszuschließen.

Ora

Mit dem Funky Cat startete Anfang 2023 Ora, eine Marke für vollelektrische Fahrzeuge des Great-Wall-Konzerns, in Deutschland. Vertrieb und Service übernimmt Frey Import Services, hierzulande auch für Mitsubishi und Subaru aktiv. Auch Ora setzt auf physische Vertriebs- und Servicestandorte. 150 sind es aktuell, zum Jahresende sollen es 200 sein. Spezielle Business Center plant Ora jedoch nicht, sondern verweist auf die bereits vorhandene hohe Kompetenz des Netzes in Sachen Gewerbekundengeschäft. Außerdem ist das Key-Account-Management der Frey Import Services Ansprechpartner für Ora-Interessenten.

Als gewerbliche Zielgruppen für Ora hat Frey Import Services vor allem kleinere und mittlere Flotten definiert, darunter auch Pflege- oder Lieferdienste. Ein Full-Service-Leasing ist über Santander Consumer Leasing möglich, Mitte des Jahres ist aber auch ein eigenes Angebot geplant. Acht bis zwölf Wochen Lieferzeit sind derzeit für individuell konfigurierte Funky Cat einzuplanen. Noch für 2023 plant Ora die Einführung einer elektrischen Mittelklasse-Limousine, für 2024 sind ein Kompakt- und ein Mittelklasse-SUV geplant, beide ebenfalls vollelektrisch.

Wey

Wey ist in Deutschland neben Ora die zweite Marke aus dem Great-Wall-Imperium. Der Fokus bei Wey liegt derzeit auf Plug-in-Hybriden. Im Moment einziges Modell ist der Coffee 01, ein SUV der oberen Mittelklasse. Auf der europäischen Wey-Website findet sich aber bereits auch ein kleineres SUV namens Coffee 02. Zur weiteren Strategie oder zu Details zur Ansprache von Groß- und Gewerbekunden äußert sich Wey aktuell nicht. Auf der Website nennen die Chinesen aber Santander Consumer Leasing als Leasing-Partner.

Datenspeicherung: Aus Herstellersicht kein Problem

Was Flotten- und Gewerbekunden – nicht nur, aber auch bei chinesischen Herstellern – umtreibt: die Frage der Datenspeicherung. Wo landen die Informationen, die im Fahrbetrieb oder durch Nutzung digitaler Services entstehen? Je nach Hersteller werden unterschiedlich viele Daten erhoben, bezüglich die Speicherorts aber beruhigen explizit Aiways, BYD, Elaris, Lynk & Co, MG und Ora: Die entsprechenden Server seien alle in Deutschland beziehungsweise im europäischen Ausland zu verorten. Die anderen Marken haben unsere Fragen generell nicht beantwortet, zumindest Nio informierte uns aber bei anderer Gelegenheit, dass die Server in Deutschland lokalisiert seien.

China startet ernsthaft durch

Einige starten gerade, einige haben die ersten Meter bereits hinter sich. Klar ist aber: Chinesische Marken nehmen auch in Deutschland an Fahrt auf. Bei vielen Herstellern bewegen sich die Produkte mittlerweile auf Augenhöhe mit denen der europäischen und asiatischen Wettbewerber oder sind zumindest nicht mehr weit davon entfernt. Auch bei Vertrieb und Service sind bei den meisten chinesischen Fabrikaten deutliche Fortschritte erkennbar – wenn auch je nach Marke auf unterschiedlichem Niveau. Was MG, Nio, Ora und Co. eint: Auf den reinen Verbrenner setzt hierzulande keine chinesische Marke ernsthaft, Elektroautos und wenn überhaupt Plug-in-Hybride machen das Gros des Portfolios aus.

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