Bently oder Porsche? Nein ein Genesis GV70 Electrified, der mit seiner Motorleistung und Verarbeitung durchaus in der oberen Premium- Mittelklasse mitfährt.
Foto: Clemens Noll-Velten
Bently oder Porsche? Nein ein Genesis GV70 Electrified, der mit seiner Motorleistung und Verarbeitung durchaus in der oberen Premium- Mittelklasse mitfährt.

Inhaltsverzeichnis

bfp-Fahrtest

Genesis Electrified GV70: Am Anfang war der Verbrenner

Nach dem Start in Europa mit Verbrennermotoren im vergangenen Jahr legte Genesis 2022 mit zwei E-Autos nach. Wir haben den Genesis Electrified GV70 – das zweite Strom-Derivat einer Verbrenner-Baureihe – getestet.

Die Elektrifizierung bei Hyundais Edelmarke Genesis schreitet voran. Ab 2025 will Genesis nur noch rein elektrische Fahrzeuge auf den Markt bringen und ab 2030 alle angebotenen Modelle auf Elektro umgestellt haben. Den Start machte das batterieelektrische Mittelklasse-SUV GV60, das auf der E-GMP (Electric Global Modular Platform) der Konzernmutter Hyundai Motor Group basiert. Sie ist auch die technische Grundlage des Hyundai Ioniq 5, Kia EV6. Nach der großen Limousine G80 Electrified, folgt nun der Genesis Electrified GV70 als zweites Strom-Derivat einer Verbrenner-Baureihe. Ein umgebauter Verbrenner also. Das formal der Mittelklasse zuzuordnende batterieelektrische SUV GV70 Electrified ist ab 56.555 Euro (alle Preise zzgl. USt.) ohne Förderung mit einer 490 PS Motorleistung zu haben. Im Vergleich zum GV60 ist der rund 4,72 Meter lange GV70 Electrified 20 Zentimeter länger, deutlich stärker motorisiert und kostet dafür auch rund 9.000 Euro mehr. Damit kann er sich auch mit dem gleichlangen BMW iX3 (286 PS) vergleichen, dessen Einstiegspreis auch bei 56.555 Euro anfängt.

Genesis Electrified GV70: Starker Auftritt

Passanten drehen sich um und bewundern das schöne SUV mit seiner dynamischen und frischen Linienführung. Ins Gespräch mit anderen kommt man mit dem Genesis GV70 Electrified leicht. Uneinigkeit herrschte bei der Zuordnung des Wagens zu einer Marke. Von Bentley bis Porsche gingen die Einschätzungen. Vor allem seine Breite von 1,91 Metern und auch die Höhe von 1,63 Metern beeindrucken. In den Innenraum gelangen Fahrer und Beifahrer über sich weit öffnende Türen, die sich bis unter das Fahrzeug spannen und somit den inneren Türschweller vor Straßenschmutz schützen. Das vergrößert den Einstiegsbereich und macht das Ein- und Aussteigen einfacher und sauberer. Innen herrscht ein elegantes, luxuriöses Ambiente, das durch die Velourslederverkleidung von Dachhimmel und A-, B- und C-Säulen und die Nappaledersitze und Türverkleidungen unterstrichen wird (Nappaleder-Sitzpaket: 2.286 Euro). Fahrer und Beifahrer haben bequem Platz, auch wenn die Mittelkonsole breit ausfällt. Die Vordersitze sind sehr bequem, vielfach elektrisch einstellbar und geben auch in Kurven sehr guten Seitenhalt. Während sich hinten drei Kinder auf Sitzerhöhungen fürstlich fühlen, sieht es für Mitreisende ab 1,85 m Körpergröße eng aus - das gilt besonders für den Fußraum, ebenso für den Abstand der Knie zum Vordersitz.

3D-Funktion und Augmented Reality im Display

Der Arbeitsplatz des Fahrers ist ergonomisch ausgerichtet und alle relevanten Einstellungen lassen sich intuitiv vornehmen. Der 14,5 Zoll große Monitor für das Infotainmentsystem ist entweder als Touchscreen oder per Dreh-Drück-Rad auf der Mittelkonsole zu steuern. Viele Funktionen lassen sich auch über die gut funktionierende Sprachsteuerung bedienen und über die Tasten am Lenkrad oder auf der Mittelkonsole. Der Regelung der Klimaautomatik hat Genesis eine eigene Steuerung und ein eigenes Display spendiert. Ein Gimmick ist die 3D-Funktion im Fahrerinformationsdisplay hinter dem Lenkrad, mit der Informationen dreidimensional angezeigt werden können. Über eingebaute Kameras werden die Augenbewegungen des Fahrers verfolgt und relevante Informationen im direkten Sichtbereich klar hervorgehoben. Das Navigationssystem berücksichtigt Echtzeitverkehrsdaten und es werden in der Kartendarstellung Ladepunkte angezeigt. Navigationsanweisungen lassen sich zudem auch in einer Augmented Reality anzeigen. Dabei werden in das reale Straßenbild, das auf dem Infotainment-Bildschirm zu sehen ist, Fahranweisungen in Form von animierten Pfeilen eingeblendet.

Genesis GV 70 Electrified: reale Reichweite von 320 Kilometern

Plant man eine Reise, die über die Batterie-Reichweite von 320 Kilometer (WLTP 455 km) hinausgeht, erhält man Warnungen zu Beginn und während der Fahrt, dass das Ziel nicht ohne Zwischenstopp, um Strom zu tanken, erreicht werden kann. Ladepunkte kann man vorab als Wegepunkte setzen oder während der Fahrt auswählen. Zur Planung kann man als Richtwert einen Verbrauch von 22,8 kWh ansetzen. Wer dabei auf der Autobahn unterwegs ist, sollte unbedingt den Filter auf „entlang der Route“ und High-Power-Charging-Ladepunkte stellen. Sonst werden bevorzugt AC-Ladestationen, die weit von den Autobahnen entfernt liegen, vom Navigationssystem vorgeschlagen. Dann dauert das Laden länger, da das AC-Laden beim GV70 E bei 11 kW begrenzt ist. Das ultraschnelle Laden (HPC) ist, laut Genesis, mit 800 V und 400 V möglich. Damit soll die 77,4-kWh-Batterie theoretisch an einem 350 kW Ladepunkt in nur 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufgeladen werden. Bei unseren Testladungen an HPC-Stationen erreichten wir diese Werte nicht. Die höchste Ladeleistung lag in der Spitze bei rund 200 kW. So dauerte der Vorgang (von 25 Prozent auf 80 Prozent) im Schnitt 30 Minuten, trotz Aktivierung des Batteriemanagements.

Auf der Fahrerseite befindet sich im großen geschlossenen Kühlergrill die Lade-Klappe des GV70 Electrified. Dank seiner Vehicle-to-Load-Funktion (V2L, 874 Euro), kann er auch als mobile Stromquelle genutzt werden. So lassen sich beispielsweise beim Mobile Office oder bei Outdoor-Aktivitäten elektrische Geräte wie Laptop oder E-Bike mit Strom versorgen. Die Ladeleistung beträgt 3,7 kW. Je nach Gerät kann der Besitzer den Strom entweder über den externen Ladeanschluss im Kühlergrill oder über eine herkömmliche Haushaltssteckdose im Kofferraum abrufen.

Werfen wir noch einen Blick in den Kofferraum, bevor die Fahrt losgeht. 503 Liter Ladevolumen gibt Genesis an, die sich durch Umlegen der zweigeteilten Rückbank (2/3 und 1/3) auf 1.678 Liter erweitern lassen. Unter dem Ladeboden ist noch etwas Platz für Trennnetz, Pannenhilfe und Kleinkram. Das Ladekabel kann entweder in einer praktischen Tasche im Kofferraum oder im 25 Liter fassenden Frunk gelagert werden. Vier stabile Zurrösen fixieren das Ladegut sicher. Optional möglich ist eine Anhängerkupplung. Ziehen darf der GV70 E an dieser Kupplung bis zu 1,8 Tonnen.

Starker Antritt

Nach dem Schließen der Türen herrscht im Innenraum angenehme Stille, die sich auch beim Fahren nicht vertreiben lässt. Eine aktive Geräuschkontrolle misst (als Extra im Lexicon-Audio-Paket für 983 Euro) mithilfe von vier Sensoren und acht Mikrofonen die Fahrbahngeräusche und erzeugt gleichzeitig inverse Schallwellen, um den Geräuschpegel zu senken. Ein Knopfdruck auf den Startknopf, ein Dreh am besonders designten Wählhebel und der GV70 E rollt elektroautotypisch leise los. Wem die Stille zu unangenehm ist, kann eines der vielen künstlich erzeugten Sounds über die Lautsprecher abspielen lassen. Die beiden E-Maschinen des Genesis leisten stolze 490 PS (Systemleistung), gleichmäßig aufgeteilt auf Front- und Heckmotor mit jeweils 245 PS. Und wer es ganz eilig hat, drückt die Boost-Taste im Lenkrad, und für zehn Sekunden stehen bis zu 490 PS und ein Drehmoment von 700 Newtonmetern zur Verfügung: in 4,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Aber auch ohne Boost-Funktion beschleunigt der Genesis so schnell wie ein Sportwagen: in 4,8 hat er aus dem Stand die 100 Kilometermarke auf dem Tacho erreicht. Damit hat man das Gefühl, genug Power zu jeder Zeit zur Verfügung zu haben.

Rekuperation mit Einschränkungen

Das Spiel mit dem Strompedal fordert der Genesis GV70 E permanent ein. Auch wenn man verleitet ist, mehr als die Hälfte des Pedals zu betätigen, spielt sich das Fahren im Alltag im Bereich des ersten Drittels ab. Um sich zu zügeln und keine Geschwindigkeitsüberschreitungen zu riskieren, sollte man den mehrstufigen One-Pedal-Modus (i-Pedal) einschalten, der in der höchsten Stufe auch Beschleunigung, Verzögerung und Anhalten rein über das Fahrpedal ermöglicht. Das klappt sehr gut, allerdings nur, wenn die Batterie nicht zu 100 Prozent gefüllt ist. Bei einer Testfahrt starteten wir mit einer vollen Batterie und eingeschaltetem i-Pedal. Nach rund zwei Kilometern Bergabfahrt im Taunus schaltete sich ohne Vorwarnung das Rekuperationssystem aus und das Fahrzeug wurde nicht mehr gebremst. Ungebremst zeigte der Genesis sein sehr gutes Rollverhalten, was allerdings in dieser Situation einer Beschleunigung gleichkam. Glücklicherweise fuhr vor uns kein weiteres Auto. Zwar wurde im Fahrerinformationsdisplay kurz eine Warnung eingeblendet, dass bei voller Batterie keine Rekuperation möglich sei, dies muss aber bitte vor der Fahrt angezeigt oder die Funktion schon vor Beginn der Fahrt gesperrt werden.

Kamerabasiertes Fahrwerk und Geländetauglichkeit

Insgesamt fährt sich der Genesis GV70 Electrified sehr angenehm und gleitet komfortabel auch über Querfugen und Asphaltflicken. Das liegt auch an seinem elektronisch gesteuerten Fahrwerk, das Informationen einer Frontkamera für die Konditionierung seiner Dämpfer nutzt. Wer in das Gelände mit dem GV70 Electrified gehen möchte, schaltet die sogenannte E-Terrain Technologie ein, die erstmals in einem Elektrofahrzeug von Genesis zum Einsatz kommt. Der Fahrer kann damit das Allradsystem, je nach Untergrund (Schnee, Schlamm und Sand), anpassen.

Ein besonderes Augenmerk hat Genesis auch auf die elektronische Servolenkung EPAS (Electronic Power Assisted Steering) gelegt. Bei unserem Testwagen hatte die Lenkung allerdings zu viel Spiel im Geradeauslauf. Hinzu kommt das EDTVC-System (Electronically-assisted Dynamic Torque Vectoring Control), das bei Kurvenfahrt das kurveninnere Rad sanft abbremst und ein größeres Drehmoment auf die äußeren Räder lenkt. Dies verbessert, laut Genesis, die Agilität. Doch ein Held der Querdynamik wird er damit nicht. Optional verfügt der GV70 Electrified über einen Autobahnassistent (HDA II), der automatisch eine voreingestellte Geschwindigkeit und sicheren Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug hält. Der Fahrassistent ist sogar in der Lage, bei Betätigung des Blinkers die Fahrspur autonom zu wechseln. Das funktionierte in vielen Fällen gut, es bedurfte aber immer noch der Aufmerksamkeit des Fahrers, da sich das System bei einigen Spurwechseln zwischenzeitlich ausschaltete.

Ausstattung und Preise

Werfen wir einen Blick auf die Preisliste, die überschaubar ist. Den GV70 Electrified gibt es ausschließlich in der Variante Sport zu einem Preis von 56.555 Euro mit einer ordentlichen Ausstattung. Er ist zwar kein Sonderangebot, angesichts seiner Mitbewerber aber auch nicht überteuert. Der Mercedes EQC ist ab gut 55.462 Euro zu haben, der BMW iX3 ab 56.555 Euro und der Jaguar i-Pace ab 64.537 Euro. Zu den optionalen Extras zählen drei Pakete und acht Einzelpositionen, zu denen auch eine Fingerabdruck-Authentifizierung zählt (84 Euro). Sehr zu empfehlen ist das Technikpaket für 3.529 Euro. Darin sind unter anderem Folgendes enthalten: ein Querverkehrswarner mit Notbremsfunktion, LED-Doppelscheinwerfer (Abblendlicht und Fernlicht) mit adaptiver Lichtverteilung, eine größere Fahrer-Instrumententafel mit 12,3 Zoll 3D-TFT Display, ein Head-Up-Display mit detaillierter Anzeige von Navigationsanweisungen, Kollisionsvermeidungsassistent, Abbiegeassistent und Kreuzungsassistent, Automatischer Einparkassistent, 360-Grad Übersichtskamera, der bei Kia und Hyundai bekannte Totwinkelassistent mit Monitoranzeige und der oben beschriebene Autobahnassistent (HDA II). Das Sitzpaket Komfort sollten Dienstwagenfahrer ordern, die lange Strecken und viel Zeit im Genesis GV70 Electrified verbringen. Es beinhaltet Ergo-Motion-Sitze mit Massagefunktion (für Fahrer und Beifahrer), elektrisch einstellbare Lendenwirbelunterstützung (nur für Beifahrer), elektrisch ausfahrbare Sitzverlängerung, Einstellvorrichtung für Seitenpolster, Sitzpolster und Rückenlehne, sowie Unterstützung des Seitenhalts durch Luftkissen im Fahrersitz bei Fahrten ab 130 km/h. Belüftung der Sitze im Sommer und eine Touch-Bedienung zur Sitzverstellung gehören auch dazu. Wer beheizbare Vordersitze haben möchte, muss das Komfortpaket ordern (1.168 Euro). Darin sind u.a. auch automatisch abblendbare Außenspiegel, ein beheizbares Lenkrad sowie eine Drei-Zonen-Klimaautomatik enthalten.

Fazit

Der Genesis Electrified GV70 fährt in der Liga der Premium-Mittelklasse mit. Verarbeitung, Materialanmutung und Leistung sind sehr gut. Die Kinderkrankheiten wird Genesis sicher in naher Zukunft beheben. Das für Privatkunden umfangreiche Serviceangebot gilt auch für Flottenkunden: Fünf Jahre Garantie, alle Kundendienste, Pannenhilfe, einen Werkstatt-Ersatzwagen, Hol- und Bringservice des Fahrzeugs sowie Over-the-Air-Software-Updates sind inklusive. Zudem kümmert sich ein persönlicher Ansprechpartner darum, dass alle Dienstleistungen nach Hause zum Dienstwagennutzer gebracht werden.

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