Was mit Volumenmodellen gelang, möchte die Hyundai Motor Group jetzt im Premiumsegment wiederholen: sich langfristig ernsthaft etablieren. Unter den Labeln Hyundai und Kia ist das kaum möglich, also musste eine neue Marke her. Genesis taufen die Koreaner ihre Premiummodelle, die sie seit Kurzem auch in Europa an Mann und Frau bringen.
Vier Modellreihen bietet Genesis zunächst an: in der Mittelklasse den G70 als Limousine und als Sport-Kombi Shooting Brake sowie das SUV GV70, dazu in der oberen Mittelklasse als Limousine den G80 und das SUV GV80. Antriebsseitig präsentieren sich die Koreaner bislang konventionell. Es gibt Benziner und Diesel. Plug-in-Hybride oder reine Elektroautos? Heute noch Fehlanzeige.
Genesis-Limousine mit Coupé-Linien
Für den ersten Genesis-Test haben wir uns den G80 im E-Klasse-Format ausgesucht. Knapp fünf Meter lang, 1,93 Meter breit und 1,47 Meter hoch fährt er in traditionellen Segment-Maßen vor. Ein klassisches Stufenheck trägt die Limousine nicht, ihre fließenden Formen erinnern eher an ein viertüriges Coupé à la Audi A7. Prägnant und markentypisch sind außerdem der große, fünfeckige Grill sowie die Leuchten. Wie in allen Genesis-Modellen sind Front- und Heckleuchten auch der Spitzen-Limousine G80 als Doppellinie mit lackierter Blende in der Mitte gezeichnet. Besonders deutlich zeigt sich das beim Blinken: Hier sind nicht nur die Front- und Heck-LEDs in doppelter Linie ausgeführt, sondern auch die Seitenblinker in den Kotflügeln.
Trotz schnittiger Coupé-Optik knausert der G80 innen nicht mit Platz für seine Passagiere. Auch im Fond gibt es mehr als genug Knie- und trotz abfallender Dachlinie auch Kopffreiheit. Dafür geizt der Genesis mit Platz fürs Gepäck: 424 Liter sind in dieser Klasse wahrlich keine Glanzleistung. Und trotz des fließenden Heckabschlusses sind auch nur vier Türen angesagt: Eine große Heckklappe gibt es nicht, Koffer und Co. müssen durch die kleine Öffnung passen, die der Heckdeckel freigibt.
Funktionale Digitalfunktionen im G80
Ansonsten zeigt sich der G80 im Interieur zeitgemäß digitalisiert: Serienmäßig an Bord sind 8-Zoll-Digitalinstrumente sowie ein 14,5-Zoll-Touchscreen in der Armaturentafel für die Bedienung des Infotainmentsystems inklusive Navigation. Im Testwagen gab es 12,3-Zoll-Digitalinstrumente (im Technikpaket für 3.605 Euro; alle Preise netto zzgl. USt.) – Tacho, Drehzahlmesser und Co. präsentieren sich hier gut ablesbar im Hologramm-Layout. Die Bedienung des Infotainments und des Navis gestaltete sich bei uns allerdings nicht immer einwandfrei. Zwar gibt´s nichts zu meckern, wenn es um die Menüstruktur geht. Über das kreisrunde Dreh- und Touchpad namens „Genesis Touch Controller“ in der Mittelkonsole ließen sich die einzelnen Funktionen bei uns aber nicht immer sofort exakt ansteuern, manchmal war ein zweiter Anlauf fällig. Auch die Eingabe von Navizielen via Sprachsteuerung klappte nicht immer beim ersten Versuch. Bleibt also noch die Eingabe direkt am Touchscreen. Funktioniert zwar prima, ist aber eine Armlänge entfernt.
Aber nochmal kurz zurück zum Technikpaket. Zwei Bestandteile halten wir für besonders erwähnenswert. Punkt eins: Der Totwinkelassistent mit Monitoranzeige. Wer den Blinker setzt, erhält per Video in den Digitalinstrumenten direkten Blick in den Toten Winkel. Ist zwar schon bekannt aus einigen Hyundai- und Kia-Modellen, funktioniert aber auch im Genesis einwandfrei. Und Punkt zwei: das durchdachte Head-up-Display (HUD). Wer zum Beispiel den adaptiven Tempomaten einschaltet, erhält im HUD grafisch Live-Informationen über Fahrzeuge im direkten Umfeld.
Auch Materialanmutung und Verarbeitung unseres Test-G80 hinterließen bei uns einen guten Eindruck. In der von uns gefahrenen Top-Ausstattung „Luxus“ fahren Echtholz-Interieur und Ledersitze immer mit. Hier – und auch beim Kunstleder-Bezug des Armaturenbretts – passen Optik und Haptik zum Segment. Allerdings: In einigen Bereichen der Türverkleidung könnte Genesis nochmal nachbessern, was den Qualitätseindruck angeht.
Genesis G80: kein Sparmobil
Zwei Vierzylinder stehen derzeit in der G80-Preisliste: Ein 2,2-Liter-Diesel mit 210 PS und der von uns getestete 2,5-Liter-Benziner mit 304 PS, für die Kraftübertragung sorgt serienmäßig eine Achtgang-Automatik. Die Fahrstufenwahl erfolgt nicht via Wählhebel, sondern per Drehrad. Apropos Rad: Der Diesel kommt immer mit Heck-, der Benziner mit Allradantrieb.
Sehr souverän und seidenweich dreht der Genesis G80 seine Runden. Obwohl wie gesagt ein Vierzylinder, bekommen seine Passagiere kaum etwas von der Arbeit unter der Haube mit – auch bei hohem Tempo nicht. Das Fahrwerk macht seine Sache ebenfalls sehr gut, kurze Stöße bügelt es kaum merklich aus. Dabei findet der G80 einen guten Kompromiss aus Komfort und Dynamik, federt weder zu hart noch zu weich. Wir nutzten den G80 hauptsächlich für längere Touren, was sich auch auf den Verbrauch auswirkte. 10,1 Liter Benzin je 100 Kilometer flossen in unserem Testauto im Schnitt durch die Zylinder. Sparsam geht anders, aber Allrad und 304 PS fordern eben ihren Tribut. Mit 9,3 Litern WLTP-Verbrauch zählt der G80 zudem auch auf dem Papier nicht zu den Benzin-Geizhälsen.
Umfangreiches Genesis-Servicepaket
Zu den Preisen: Los geht es in der Basis „Premium“ bei 39.412 Euro für den Diesel und 43.445 Euro für den Benziner. 4.958 Euro Aufpreis kostet die Toplinie „Luxus“. Ob man diese Summe ausgeben möchte, hängt von mehreren Faktoren ab. Erstens: Echtledersitze, in dieser Klasse fast ein Muss, gibt es für die Basis weder für Geld noch gute Worte. Auch wer sich optional weitere Oberklasse-Extras wie ein besseres Audiosystem oder belüftete Sitze gönnen möchte, geht in der Basis leer aus.
Angesichts der immer noch akzeptablen Einstiegspreise für den „Luxus“, der neben Echtholz und Leder im Innenraum auch andere 19-Zoll-Räder, einen elektrischen Heckdeckel oder eine Dreizonen-Klimaautomatik mitbringt, entscheiden wir uns für die gehobene Variante. Auf jeden Fall dabei sein sollten außerdem
- das Technikpaket (3.605 Euro) vor allem wegen seiner Assistenzsysteme sowie
- das Sitzpaket Komfort (1.555 Euro) für Langstreckenfahrer.
Übrigens: Auch wenn der Genesis G80 heute ausschließlich als reiner Verbrenner in der Preisliste steht, eine rein elektrische Variante mit bis zu 520 Kilometern WLTP-Reichweite ist geplant. Als Starttermin peilen die Koreaner noch das erste Quartal 2022 an.
Auch in Sachen Vertrieb und Service ist ein weiterer Aufschlag geplant: Ende 2023 soll es in jeder größeren Stadt in Deutschland einen Genesis-Showroom geben, heute steht der einzige in München. Und noch im Laufe dieses Jahres soll die Zahl der Service-Stützpunkte steigen, eine genaue Zahl der geplanten Standorte nennt Genesis derzeit allerdings nicht. Wen die Lücken im Netz heute abschrecken, für den hat die Premiummarke aber eine andere Lösung parat: Im Rahmen des „Genesis Car Plan“ gibt nicht nur fünf Jahre Garantie für jeden Genesis, sondern in dieser Zeit bis zu einem Tachostand von 75.000 Kilometern auch alle planmäßigen Inspektionen und Wartungsarbeiten – Abholung und Rückgabe am Ort nach Wunsch inklusive.
Der Genesis G80 2.5 T AT8 AWD Luxus in der Kurzkritik:
Plus:
- Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
- Hoher Fahrkomfort und leiser Antrieb
- Umfangreiches Garantie- und Servicepaket
Minus:
- Kleiner Kofferraum
- Noch keine elektrifizierten Varianten
- Kleines Vertriebsnetz
Technische Daten Genesis G80 2.5 T AT8 AWD Luxus:
- Viertürige, fünfsitzige Limousine der oberen Mittelklasse
- Länge/Breite/Höhe: 4.995/1.925/1.465 mm
- Antrieb: Allradantrieb mit Achtstufen-Automatikgetriebe
- Motor: Reihenvierzylinder-Turbo-Benzinmotor
- Leistung: 222 kW (304 PS)
- Max. Drehmoment: 422 Nm bei 1.650 – 4.000 U/min
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
- Beschleunigung 0-100 km/h: 6,0 s
- Norm-Verbrauch (WLTP): 9,3 l
- Testverbrauch: 10,1 l
- CO2-Emission (WLTP): 210 g/km
- Kofferraumvolumen: 424 l
- Tankinhalt: 65 l
- Zuladung: 520 kg
- Schadstoffklasse: Euro 6d
- KH/VK/TK: k.A.
- Wartung: k.A.
- Grundpreis Testwagen netto: 48.403 Euro
- Stand: Januar 2022
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