Von Dr. Katja Löhr-Müller
Nicht nur im Straßenverkehr, auch vor Gericht spielen Elektroautos eine immer größere Rolle. So hatte das Oberlandesgericht Zweibrücken im November 2018 über einen Fall zu entscheiden, in dem der Fahrer eines Elektroautos auf der Landstraße statt erlaubter 100 km/h mit 174 km/h unterwegs war. Wegen zu schnellen Fahrens wurde gegen ihn ein Bußgeld und ein Fahrverbot ausgesprochen – und ihm wurde Vorsatz unterstellt.
Geschwindigkeit auch bei E-Autos erkennbar
Der Fahrer argumentierte, dass Elektroautos geräuschlos unterwegs seien und daher Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht so einfach wahrgenommen werden könnten. Zudem verursache ein E-Fahrzeug keine Immissionen, aus denen man sonst auf die Höhe der Geschwindigkeit Rückschlüsse ziehen könne.
Nachdem das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid samt Fahrverbot zurückgewiesen hatte, versuchte der Betroffene die Sache mit einer Rechtsbeschwerde vor dem OLG zu drehen. Ohne Erfolg, denn der Senat folgte dem Amtsgericht darin, dass mit zunehmender Geschwindigkeit auch Art und Umfang der Fahr(außen)geräusche steigen sowie durch das Abrollen der Räder Fahrzeugvibrationen bewirkt werden. Somit seien sehr wohl Emissionen feststellbar.
Es komme deshalb bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von immerhin 74 km/h nicht darauf an, ob antriebsbedingte Fahrgeräusche und Vibrationen bei Elektrofahrzeugen geringer ausfielen als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Allein durch den Umstand, dass die Umgebung bei einer so hohen Geschwindigkeit schneller aus dem Blickfeld des Fahrers verschwinde, habe der Fahrer sehr wohl wahrgenommen, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit die Landstraße gefahren habe. Einzig betreffend des Fahrverbots hatte der Senat Zweifel, ob nach 19 Monaten – so lange hatte sich das Verfahren bereits hingezogen – ein Fahrverbot überhaupt noch eine erzieherische Wirkung habe (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.11.2018 - 1 OWi 2 Ss Bs 75/18).
Gilt das Zusatzzeichen „Lärmschutz“ auch für Elektroautos?
Auch das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 13.12.2018, Az.: 3 Ws (B) 296/18 - 162 Ss 133/18) hatte Ende letzten Jahres über eine Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Elektrofahrzeug zu entscheiden. In diesem Fall befand sich in einem bestimmten Streckenabschnitt eine Geschwindigkeitsbegrenzung mit dem Zusatzzeichen „Lärmschutz“.
Der Fahrer des Elektrofahrzeugs argumentierte, dass solche Streckenverbote nicht für geräuscharme Elektrofahrzeuge gelten könnten. Die Beachtung des Zeichens 274, wie es in der Straßenverkehrsordnung niedergelegt sei, hänge bei Elektrofahrzeugen davon ab, wie viele Fahrzeuge mit einer solchen Antriebstechnik in Deutschland zugelassen seien. Denn nur bei einer großen Anzahl von Elektrofahrzeugen müsse man von Fahrzeuggeräuschen ausgehen, die Anwohner belästigen können.
Verkehrsregeln nicht von empirischen Untersuchungen abhängig
Das sah das Kammergericht allerdings anders. Die Wirksamkeit von Verkehrsregelungen müsse für alle Verkehrsteilnehmer klar, einfach und deutlich sein. Sie dürfe nicht von empirischen Erhebungen abhängig gemacht werden. Dies würde den Normappell des Gesetzgebers schwächen und die Verkehrssicherheit gefährden.
Es sei dem Betroffenen unbenommen, sich in einem Verwaltungsverfahren dafür einzusetzen, dem Verkehrszeichen 274 ein Zusatzzeichen hinzuzufügen, wonach Elektrofahrzeuge vom Streckenverbot ausgenommen sein sollen. Bis dahin müsse sich jedoch jeder Verkehrsteilnehmer an die Regeln halten.