Dennis Gauert
Ein Pick-up ist kein nüchternes Arbeitsgerät. Modernes Design, zuschaltbarer Allradantrieb und ein sparsamer Dieselmotor – so handhaben es eigentlich alle Hersteller für europäische und asiatische Formate. Da sie als Doppelkabine hierzulande keine Lkw-Zulassung bekommen, ist die Ein-Prozent-Regel eine Eintrittskarte zum Spaßkonzept, das auch privat begeistert. Ford bietet mit dem Ranger das kompakte Pendant zum in den USA verkaufen F-150. Die Abmessungen entsprechen Konkurrenten wie dem Amarok oder dem Nissan Navara. Der Unterschied bei Ford ist die Leidenschaft für den Spieltrieb. Im Kölner Kraxler geht alles einen Tick cooler – insbesondere als „Wildtrak“. Wir haben uns den Wühlmeister im niedersächsischen Offroad-Park Fursten Forest zusammen mit dem Guide Timo Schweer zur Brust genommen.
Grobstollige Reifen sind die halbe Miete
Danke Ford! In der Presseabteilung wurde nach der Ankündigung, im Dreck zu spielen, gleich mitgedacht und grobes Offroad-Schuhwerk montiert, mit dem der Raptor serienmäßig ausgestattet ist. Die wuchtigen Pneus mit viel Negativprofil sind für den leicht durchgeweichten Untergrund wie geschaffen. Mit an Bord: zuschaltbarer Allradantrieb mit Untersetzung und ein separat sperrbares Hinterachsdifferential – eine Seltenheit, die aktuell nicht einmal der deutsche Offroadkönig Mercedes-Benz G-Klasse bietet. So gelingt leichtes Gelände sogar ohne Allradantrieb.
Aktives Fahrverhalten mit Spaß-Bonus
Übersteuern, das können die Pick-ups alle gut. Durch den Hinterradantrieb und das im unbeladenen Zustand geringe Gewicht am Heck greifen alle Vertreter ihrer Zunft hinten auch mal ins Leere. Der Ranger lässt sich durch seine vergleichsweise direkte Lenkung damit formschön um die Ecken zirkeln. Für so einen Klotz von Auto ein sportliches Talent. Dabei ist der Top-Ausstatter Wildtrak eigentlich für den Offroad-Einsatz mit Gepäck gedacht. Mit einer Wattiefe von bis zu 80 Zentimetern geht so leicht niemand baden, die 265er Offroad-Pneus tun ihr Übriges, um den Ranger durchs Gelänge zu bringen. Innen könnte der Eindruck konträrer nicht sein: sportlich-robust, mit Ledersitzen und Schriftzügen geziert vermittelt der hochgewachsene Ford ein Ambiente, das so gar nicht an ein Nutzfahrzeug für Sand und Schlamm erinnert.
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Pick-ups sind immer ein Kompromiss
Doch seien wir ehrlich: Auch ein Ranger ist kein Vollblut-Offroader. Allein aufgrund des langen Radstands spielen Pick-ups gegenüber den Land Rovers, G-Klassen und Jeeps dieser Welt erwartungsgemäß die zweite Geige. Denn sie sollen einen Kompromiss zwischen Nutzlast, Zuglast und Traktion bieten. Im Fall des Rangers gelingt alles mindestens genau so gut wie bei der Konkurrenz: Über 1,1 Tonnen Nutzlast sattelt das europäische Pendant zum F-150 auf, 3,5 Tonnen schwere Anhänger können gezogen werden. In Verbindung mit einem 170 PS starken Vierzylinder-Turbodiesel sind bei den 2,1 Tonnen Leergewicht zwar keine Genickschläge zu erwarten, aber das Drehmoment von 340 Newtonmetern liegt früh an und reicht für alle Zwecke.
Selbst kuppeln ohne Assistenten
Handgeschaltet übergeben wir den Ranger gespannt in die Hände von Timo Schweer. Der Offroad-Spezialist mit Rallyeerfahrung war vor seiner Bestimmung als Guide im Fursten Forest unter anderem als Geländespezialist beim Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan eingesetzt. Er kennt den Park mit allen Wasserlöchern, Hügeln und Abfahrten wie seine Westentasche. Viel erwarten wir nicht vom Ranger, denn wir wissen: Die Messlatte für Offroader liegt in diesem Park hoch und Timo hat den direkten Vergleich.
Los geht es über die ersten Sandhügel, die der Ranger auch ohne Sperre und Allradantrieb leicht absolviert, erste Anhöhen mit schlammigem Untergrund machen den Griff zur Sperre dann langsam unverzichtbar. Auch das ESP wird gelockert, um mehr Selbstkontrolle in den Antriebsstrang zu bringen. „Das ist das erste, was jetzt nervt: die Park Distance Control“, erklärt Timo. Beim Offroad-Einsatz ist die Nähe zu Gestrüpp und Bodenabrisskanten omnipotent, also wird die PDC prompt deaktiviert. „Das Fahrwerk ist leider nicht einstellbar, wäre jetzt schön um ihn weicher zu bekommen“, stellt Timo fest. Das ist den Lasten geschuldet, die beim Ranger Wildtrak aufgeladen werden dürfen. Ein einstellbares Fahrwerk ist im Preissegment aktuell unrealistisch.
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Steife Karosserie und klare Rückmeldung
Das macht aber nichts. Die Abstimmung ist nicht exakt auf den Offroadeinsatz zugeschnitten, geht mit Verschränkungen aber spielend leicht um und findet auf dem Kurs so gut wie immer Bodenkontakt. Auch aus eingefahrenen Spuren mit Steigung zieht sich der Wildtrak gekonnt heraus. Kein Knarzen, kein Knacken – der Ford überzeugt überdies durch eine hohe Karosseriesteifigkeit. Der Seitenhalt der Sitze ist fürs Gelände trotz der glatten Lederbezüge auch gut zu gebrauchen. Mit so viel Positivem hätten wir nicht gerechnet, und auch Timo zeigt sich begeistert: „Das steckt der hier schon alles ziemlich gut weg. Auch die Kupplung lässt sich weich und mit klarer Rückmeldung dosieren“, sagt er. Da ist die Empfehlung, als Anfänger besser mit Automatik ins Gelände zu fahren, im Fall des Ranger fast überflüssig.
In der Sandkuhle hilft die Allrad-Untersetzung
Wir nähern uns den ersten Wasserlöchern. Timo kennt sie alle mit ihren Tiefen und Tücken. Ein geeignetes Planschbecken für den Ranger findet sich schnell. Von den 80 Zentimetern Wattiefe des Pick-up motiviert, lässt sich der Reservist zu einem Kopfsprung mit dem Ranger animieren, der die orange Spaßpritsche kurz hinter einer Wand aus schlammigem Wasser verschwinden lässt. Auch hier richtet sich der Ranger nur kurz die Krone.
Nun geht es aber ans Eingemachte: In der Sandkuhle wird es schlammiger, ohne Allradantrieb mit Untersetzung und Differentialsperre geht es an einigen Stellen nicht weiter. Timo deaktiviert das ESP nun vollständig und fühlt sich selbst in die Strecke ein. Durch das etwas höhere Fahrwerk, das der Wildtrak mitbringt, gelingen auch Hügel ohne Aufliegen, die sonst eher für einen Vollblut-Geländewagen bestimmt sind. Das bestätigt auch Timo: „Das ist eine sehr gute Bodenfreiheit, nur vorne muss man beim Abfahren halt ein bisschen gucken“. Bei einer Anhöhe mit tiefen Schlammspuren wird der Ranger Wildtrak kurz schwach. Durch unnachgiebiges, langsames Schaufeln fasst er aber auch hier wieder Fuß. Beeindruckt ist Timo von der Bergabfahrhilfe: „Es ist toll, dass sie schon eingebaut ist“, bemerkt er. „und sie funktioniert völlig easy“.
Der Ranger Wildtrak kann begeistern
Am Ende unserer kleinen Tour in mittlerem Gelände zieht Timo Schweer vor dem Ranger Wildtrak seinen Hut: „Wenn ich mich zwischen den aktuellen Pick-ups entscheiden müsste, würde ich entweder den VW Amarok mit V6-Motor wollen oder den Ford Ranger. Den Amarok habe ich mit grobem Profil noch nicht gefahren, daher habe ich keinen direkten Offroad-Vergleich. Der Ranger hat sich jedenfalls überraschen gut geschlagen und sieht viel geiler aus“. Das lassen wir gerne so stehen.
Auch auf der Straße macht der Ranger eine gute Figur: Die Lenkung ist direkter als bei manch anderem Nutzfahrzeughersteller, die Bremsen packen gut und er genehmigt sich bei normaler Fahrt nur 7,5 Liter Diesel. Auf der Autobahn kann der Verbrauch schon mal auf neun Liter Ansteigen. Positiv sticht das Fahrwerk auf den alltäglichen Strecken hervor: Das nervöse Zittern, das eigentlich alle Leiterrahmen mit mehr als einer Tonne Nutzlast in sich haben, fällt beim Ranger Wildtrak kaum ins Gewicht. Für 40.240 Euro netto ist der Ranger Wildtrak ein rundum gelungener Spaß-Pick-up. Unser Testwagen schlägt durch Sonderoptionen wie das Laderaum- und Wildtrak-Paket 2, sowie Metallic-Lackierung und Anhängerkupplung mit 43.483 Euro netto zu Buche.