Sabine Neumann
Die Folgen ungesicherter Ladung sind erschreckend. Kontrollen haben ergeben, dass bis zu 40 Prozent der Ladungen auf Lkw und Transportern mangelhaft gesichert sind und Unfälle durch unzureichend gesicherte Ladung jährlich bis zu 500 Million Euro Schaden verursachen. Hinter diesen Zahlen verbergen sich nicht nur Situationen wie umgekippte Transporter, weil die Paletten mit Ware ins Rutschen gekommen sind, oder Verletzungen von Fahrern zum Beispiel durch Ladung, die bei einer Vollbremsung ihre ursprüngliche Position verlassen hat und dann beim Öffnen der Türen auf den Mitarbeiter stürzt. Teuer und mit viel Aufwand verbunden sind auch all die Fälle, bei denen die unzureichend gesicherte Ladung bei einem Fahrmanöver so beschädigt wird, dass beim Empfänger Produktionsausfälle entstehen. Spätestens dann wird von Seiten der Betroffenen – und der Behörden – die Frage gestellt, ob diese Situation hätte vermieden werden können.
Hätte Schaden vermieden werden können?
Eine Frage, die Experten wie Thorsten Ludwig, Sachverständiger beim Tüv Süd mit einem klaren „Ja“ beantwortet: „Ladungssicherung muss nicht kompliziert sein, wenn man die drei Komponenten Fahrzeug, Transportgut und Anwender gemäß der vorgegebenen Normen und Regeln gut aufeinander abstimmt.“
Basis ist dabei immer der Paragraf 22 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), der besagt, dass die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen so zu verstauen und zu sichern sind, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Schon in dieser Verordnung heißt es, dass die „anerkannten Regeln der Technik“ zu beachten sind.
Was bedeutet das konkret?
Was das tatsächlich bedeutet, lässt sich in der VDI-Richtlinie 2700 Blatt 16 (Ausgabedatum 2009-07) nachlesen. Sie nennt Anleitungen und Hinweise zu geeigneten Verfahren und Methoden zur Ladungssicherung in Kastenwagen, auf Transportern mit einer offenen Ladefläche und auf mitgeführten Anhängern bei Transportern mit bis zu 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht.
Auf europäischer Ebene kommt zudem die Richtlinie DIN EN 12195-1:2011 zum Einsatz, die unter anderem eine Berechnungsgrundlage für die so genannten Reibbeiwerte vorgibt. Demnach müssen Anwender – und auch Kontrolleure – beispielsweise darauf achten, dass zum einen der verwendete Reibbeiwert bei Berührungsflächen, die nicht besenrein sowie frei von Frost, Eis und Schnee sind, höchstens 0,2 betragen darf. Zum anderen ist für rutschhemmende Matten und ähnliches eine Bescheinigung über deren Reibeiwert notwendig. Bei der Berechnung der Ladungssicherung wird in jedem Fall davon ausgegangen, dass
• bei einer Vollbremsung eine Kraft der Ladung nach vorne wirkt, die 80 Prozent des Ladungsgewichts ausmacht.
• bei Kurven und Ausweichmanövern eine Kraft zur Seite wirkt, die 50 Prozent des Ladegewichts entspricht.
• beim Anfahren, Beschleunigen oder Vollbremsungen bei Rückwärtsfahrten eine Kraft nach hinten wirkt, die 50 Prozent der Ladungsmasse ausmacht.
Wo finde ich die Anforderungen?
Die Anforderungen und Testmethoden an Sitzrückenlehnen, Rückhalteeinrichtungen, Zurrpunkte sowie Trennwände in 3,5-Tonner ist des Weiteren in den ISO-Normen 27955 und 27956 definiert. Zudem gibt die DIN 75410 weitere Mindestanforderungen an die Ladungssicherung in diesen Fahrzeugen vor.
„Theoretisch kann die Berechnung der Ladungssicherung nach der höher einzustufenden europäischen Norm als auch der den Richtlinien der VDI erfolgen“, empfiehlt Ludwig Absendern, Frachtführern, Verladern, Fahrzeughaltern sowie Fahrzeugführern die nationale Richtlinie als Grundlage zu nehmen. In jedem Fall gilt es, ein Fahrzeug zu wählen, dessen Aufbau und Ausrüstung die auftretenden Kräfte sicher aufnehmen kann. Gleichzeitig dürfen das zulässige Gesamtgewicht und die Achslasten nicht überschritten beziehungsweise die Mindestachslast der Lenkachse nicht unterschritten werden.
Was bedeutet Form- und Kraftschluss?
Während es Kurier- oder Eildienste mit einigermaßen gleichförmigem Ladegut in Form von Kisten und Paketen relativ einfach haben, das Ladegut zu sichern, müssen sich Handwerker mit Material wie Waschbecken, Holzbrettern oder Ersatzteilen für den Heizungsbau da deutlich mehr einfallen lassen. Denn dann können die Teile nicht wie beim Formschluss entweder so gestapelt werden, dass sich alles an den Bordwänden abstützen kann oder Hilfsmittel wie Leerpaletten oder Speerstangen keine Luft zwischen den Kartons lassen. Je unförmiger oder schwerer die Gegenstände sind, desto eher muss man auf das Prinzip des Kraftschluss vertrauen. Dabei zurrt man das Ladegut mit Spanngurten auf die Ladefläche und erhöht dadurch die Haftreibung, die durch die bei der Fahrt entstehenden Beschleunigungs-, Verzögerungs- und Fliehkräfte auf den Inhalt der Transporter wirken.
In diesem Zusammenhang ist ein Hinweis, den unter anderem die Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart den Anwendern mit auf den Weg gibt, wertvoll: „Beim Einsatz von Zurrmittel wie Ketten, Drahtseilen und natürlich auch Gurten muss die Festigkeit des Zurrpunktes bekannt sein, an dem die Zurrmittel befestigt werden.“ Eine Vorgabe, die für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht in der DIN EN 75410 T1 beziehungsweise für Kastenwagen in der DIN EN 75410 T3 n Normen geregelt ist. Diese Normen legen dabei eine Festigkeit von 400 Dekanewton (daN) fest. Ebenso werden die Winkelbereiche festgelegt, innerhalb derer der Zurrpunkt diese Kräfte aufnehmen muss. Die Zurrpunkte dürfen im Winkel zwischen Ladeboden und Zurrmittel nur ab 30 Grad belastet werden und die Belastung darf bis zum Winkel von 90 Grad eingeleitet werden. Dadurch werden bestimmte Zurrvarianten wie Niederzurren mit kleinem Zurrwinkel oder Diagonalzurren mit kleinem Horizontalwinkel ausgeschlossen.
Risiko Schnittstelle
Experten wie Thorsten Ludwig macht an dieser Stelle weniger der exakte Winkel als die Schnittstelle zwischen Fahrzeug und eingesetztem Hilfsmittel Sorge: „Wenn ich einen Zurrpunkt im Fahrzeug habe, der 300 daN aushält, aber einen Gurt mit Ratsche und 500 daN einsetze, laufe ich Gefahr, bei einem Crash die gesamte Bodengruppe aus dem Fahrzeug zu reißen.“ Seiner Meinung nach ist es also von entscheidender Bedeutung, von Anfang an zu wissen, was das Fahrzeug leisten kann, was man generell an Ladegut im Fahrzeug hat und wie man es sichern will: „Es geht um das Gesamtpaket.“ Ein Paket, bei dessen Zusammenstellung Unternehmen wie der Tüv Süd jederzeit beratend zur Seite stehen. Die Möglichkeiten reichen von einer kostenlosen Beratung über dynamische Fahrversuche bis hin zur zertifizierten Schulung aller an der Be- und Entladung beteiligten Personen. „Idealerweise setzen wir uns mit dem Kunden zusammen und definieren genau, was er für sein Gewerk wirklich will. Auf dieser Basis entwickeln wir gemeinsam ein Konzept und führen die notwendigen Schritte durch“, beschreibt Ludwig die Vorgehensweise. Unter Umständen gehören auch dynamische Fahrversuche mit dem tatsächlich genutzten Fahrzeug und der individuellen Ware dazu: „ Meist haben wir sehr viel schneller und effizienter ausprobiert, was sich an Ladungssicherung tatsächlich bewährt, als es in jeglicher Kombination theoretisch ausgerechnet.“ Schon ab etwa 3.000 Euro erhält man auf diese Weise ein, mit dem man in vielerlei Hinsicht gut unterwegs ist:
• Man zeichnet sich als zuverlässigen Partner in der Transportkette aus
• Man vermeiden Unfälle durch sachgemäße Ladungssicherung
• Man spart Kosten und Folgekosten aus Verkehrsunfällen
• Man vermeidet Schäden an der Ladung, am Fahrzeug und an unbeteiligten Dritten
• Man verhält sich gesetzeskonform
"Wenn wir ein Projekt anfangen und bis zum Ende durchdenken, dann haben Unternehmer keine Probleme mehr mit der Ladungssicherung“, beruhigt der Sachverständige all jene, die meinen, den Berg an einzuhaltenden Vorgaben und Normen im Alltag nie bewältigt zu bekommen.
Die wichtigsten Regeln zur Ladungssicherung
• Alle Sicherungsmittel müssen in einwandfreiem Zustand sein.
• Der Fahrer muss geeignet und geschult sein.
• Das Fahrzeug und die Ladungssicherungsmittel müssen zum Transport der jeweiligen Ladung geeignet sein.
• Zulässige Gesamtmasse sowie zulässige Achslasten des Fahrzeuges sind zu beachten.
• Bei Transport von Gasen muss das Fahrzeug über eine ausreichende Belüftung verfügen (Boden-, und Dachlüfter, oder Seitenlüfter).
• Die Ladefläche muss besenrein und ölfrei sein.
• Die Zurrmöglichkeiten müssen eine ausreichende Belastbarkeit (Kennzeichnung durch Aufkleber) aufweisen und für die Sicherung der Ladung geeignet sein.
• Die Ladung muss gegen Rutschen und Kippen gesichert werden.
• Die Beladung darf die Fahrstabilität nicht beeinträchtigen. Die Veränderung des Schwerpunkts von Fahrzeug und Ladung führt aber in jedem Fall zu einem veränderten Fahrverhalten des Fahrzeugs.
• Schwere Ladung sollte immer so tief wie möglich im Fahrzeug verstaut werden.
• Vor Fahrtbeginn müssen das Fahrzeug und die Ladung auf Verkehrstauglichkeit überprüft werden.
• Nach Vollbremsungen oder besonderen Belastungen muss die Sicherung der Ladung überprüft werden.
(Quelle: Sortimo)