Frank Kemmerer, Leiter Flottenmanagement Mercedes-Benz Pkw
Foto: Mercedes-Benz AG
Frank Kemmerer, Leiter Flottenmanagement Mercedes-Benz Pkw

Inhaltsverzeichnis

bfp-Interview

Mercedes: „E-Autos passen zu immer mehr Fahrprofilen“

Frank Kemmerer über die Digitalisierung des Vertriebs bei Mercedes-Benz und die Auswirkungen der E-Mobilität für Flotten und Gewerbekunden.

Frank Kemmerer, Leiter Flottenmanagement bei Mercedes-Benz Pkw, im Gespräch mit bfp FUHRPARK & MANAGEMENT über Online-Bestellmöglichkeiten auch für gewerbliche Kunden, die Auswirkungen der Chipkrise auf die Lieferzeiten, die Positionierung der Marke Mercedes-Benz sowie die Chancen der Elektromobilität für Flotten- und Gewerbekunden.

Mercedes EQB: GLB auf Strom

Elektroautos mit sieben Sitzen? Sind bislang noch rar. Eine Lösung ist ab sofort der Mercedes EQB, ein enger Verwandter des Kompakt-SUVs GLB.
Artikel lesen

Pilotprojekte: Online-Vertrieb auch für gewerbliche Kunden

Herr Kemmerer, die Corona-Krise führt zu verstärkter Online-Kommunikation. Wie wirkt sich das auf den Kundenkontakt bei Mercedes-Benz aus?

Frank Kemmerer: In der Kommunikation mit unseren Kunden setzen wir auf ein hybrides Modell. Der digitale Kundenkontakt ist natürlich auch bei uns zum Standard geworden und wir haben festgestellt, dass sich, beispielsweise durch den Wegfall von Fahrzeiten, die Kundenbetreuung für beide Seiten sogar noch effizienter gestalten lässt. Gleichzeitig werden wir aber auch den physischen Kontakt mit unseren Kunden, da wo es sicher und sinnvoll ist, weiterhin pflegen. Unser Handel vor Ort ist und bleibt dabei die wichtigste Säule unseres Geschäfts. Digitaler sind wir aber nicht nur bei der Kommunikation geworden: Im Rahmen von Pilotprojekten bieten wir nun auch gewerblichen Kunden die Möglichkeit, Fahrzeuge direkt im Internet über unseren Online-Store zu bestellen. Diese Möglichkeit bestand in der Vergangenheit ausschließlich für Privatkunden. Mit diesem Online-Angebot kommen wir dem Kundenwunsch entgegen, Bestellvorgänge auch vollständig digital vorzunehmen. Die Fahrzeugauslieferung erfolgt dann wie gewohnt vor Ort an unseren Handelsstützpunkten.

Auf welche gewerblichen Zielgruppen fokussieren Sie sich in diesen Pilotprojekten?

Kemmerer: Im ersten Schritt konzentrieren wir uns auf die Anbindung ausgewählter, kleinerer Unternehmen. Später wollen wir hier selbstverständlich auch größere Fuhrparks integrieren. Dafür wird es aber notwendig sein, die individuellen Kundenprofile im System zu hinterlegen, was sich bei größeren Unternehmen dann deutlich komplexer darstellt.

Welche Fahrzeuge sind online für gewerbliche Kunden verfügbar? Und zu welchen Preisen?

Kemmerer: Grundsätzlich erstreckt sich das Angebot unseres Online-Stores über das komplette Portfolio, mit allen Segmenten und Antriebsarten. Wie im Privatkundengeschäft bieten wir auch hier der gewerblichen Zielgruppe bereits vorkonfigurierte Fahrzeuge an, die kurzfristig verfügbar sind. Das ist sicherlich ein weiterer Aspekt, der die Fahrzeugbestellung im Online-Store attraktiv macht. Spezielle Konditionen für Online-Bestellungen gibt es nicht. Egal, über welchen Kontaktpunkt die Bestellung erfolgt, der Kunde erhält immer den gleichen Preis.

Flexible Steuerung gegen verzögerte Auslieferungen

Mit Blick auf den derzeitigen Chipmangel: Wie lange warten Mercedes-Benz-Kunden derzeit auf ihr Fahrzeug?

Kemmerer: Wie bekannt, kommt es derzeit aufgrund der Auswirkungen durch den gegenwärtig weltweit bestehenden Lieferengpass an bestimmten Halbleiterkomponenten zu Einschränkungen im Ausstattungsangebot bei verschiedenen Baureihen. Daraus ergeben sich leider auch Verzögerungen bei der Fahrzeugauslieferung. Unsere Auslieferungssteuerung erfolgt derzeit flexibel, um die Wartezeit unserer Kundinnen und Kunden bestmöglich zu begrenzen.

Gibt es bei Ihnen Konfigurationen, die zu besonders langen Lieferfristen führen?

Kemmerer: Grundsätzlich variieren Lieferzeiten je nach Baureihe und Ausstattung der einzelnen Modelle. Wir beobachten und evaluieren die Situation kontinuierlich auch in enger Abstimmung mit unseren Lieferanten. Dabei berücksichtigen wir unabhängig vom Modell, wie lange ein Kunde bereits auf sein Fahrzeug wartet und versuchen entsprechend zu priorisieren. Dennoch sind die Übergaben an die Kunden stark von der individuellen Ausstattung und der jeweils kurzfristigen Teileverfügbarkeit abhängig.

Haben Sie derzeit bestimmte Ausstattungsoptionen gesperrt?

Kemmerer: Wie bereits erwähnt, kommt es derzeit zu Ausstattungseinschränkungen bei verschiedenen Baureihen, wodurch sich auch Verzögerungen bei der Auslieferung ergeben. Sollten Kunden aber auf ein Auto mit ihrer Wunschausstattung auch bei verlängerter Lieferfrist bestehen, steht es ihnen selbstverständlich frei, auf das bestellte Fahrzeug so lange zu warten, bis es in gewünschter Konfiguration geliefert werden kann.

E-Mobilität voll praxistauglich

Differenzieren Sie bei Ihren Einkaufskonditionen für Flotten- und Gewerbekunden zwischen konventionellen Verbrennern, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos?

Kemmerer: Nein, die Gestaltung der Konditionen für unsere Fahrzeuge erfolgt unabhängig von der jeweiligen Antriebsart. Einfluss auf die individuellen Konditionen des Kunden haben andere Faktoren, wie beispielsweise die Abnahmemenge.

2022 starten Sie mit dem EQE erstmals ein vollelektrisches Fahrzeug im Segment der traditionellen Business-Limousinen. Wie differenzieren Sie die Zielgruppe zur E-Klasse?

Kemmerer: Wir setzen hier unsere Elektro-Offensive ganz klar weiter fort. Nach dem EQS ist der EQE bereits das zweite Modell auf unserer neuen Plattform für Elektrofahrzeuge der Luxus- und Oberklasse. Mit dem EQE können wir nun auch erstmals eine vollelektrische Business-Limousine anbieten und somit Kunden erreichen, für die wir vorher noch kein passendes Produkt im Portfolio hatten.

Welche Hürden sehen Sie derzeit noch für Unternehmen, die die Nutzung der E-Mobilität in der Praxis erschweren?

Kemmerer: Wir können mittlerweile von einigen Kunden berichten, die ihren Fuhrpark komplett auf Elektrofahrzeuge umgestellt haben. Die steigenden Reichweiten tragen dazu bei, dass diese Modelle zu immer mehr Fahrprofilen passen. Die Schnellladezeiten unserer Fahrzeuge verkürzen sich mit jeder neuen Generation, den flächendeckenden Zugang zur Ladeinfrastruktur inklusive der Abrechnung der Ladevorgänge decken wir über unsere Services ab. Somit wird die Nutzung von Elektroautos im Alltag für die Fahrerinnen und Fahrer immer komfortabler. Wirkliche Einschränkungen, wie es sie vor einiger Zeit vielleicht noch gab, sehen wir daher heute nicht mehr.

Mercedes-Benz hat vor Kurzem seine Studie EQXX vorgestellt, die mit einer Batterieladung 1.000 Kilometer weit fahren soll. Wann ist es soweit, dass auch Außendienstler im Langstreckeneinsatz bedenkenlos auf Elektroautos umsteigen können?

Kemmerer: Das können sie heute schon bedenkenlos tun, denn sie können sich eine intelligente Routenplanung zunutze machen, die Ladevorgänge im Tagesablauf, beispielsweise an der Schnellladesäule oder vielleicht auch beim Kunden, miteinschließt. Elektromobilität ist heute schon auch eine praktikable Option für Vielfahrer. Auch weil technische Assistenten im Fahrzeug den Fahrer immer mehr unterstützen, wie zum Beispiel unser Navigationssystem mit „Electric Intelligence“, das dynamisch und auf Basis zahlreicher Faktoren die schnellste und komfortabelste Route inklusive Ladestopps plant. Ob der Umstieg auf ein rein elektrisches Fahrzeug oder ein Hybridmodell für das individuelle Fahrprofil praktikabel ist, können Unternehmen ganz einfach mit unserer „EQ Ready“-App überprüfen. Die Analysen hierbei zeigen übrigens, dass mehr Fahrten als gedacht mit einem rein elektrischen Antrieb möglich sind.

Luxus im Angelsächsischen Wortsinn

Wenn wir auf die Fahrzeuge außerhalb der EQ-Reihe schauen: Welche Neuheiten planen Sie für 2022?

Kemmerer: Ich möchte an dieser Stelle noch nicht zu viel verraten. Für den Fuhrpark relevant wird aber in jedem Fall der Diesel-Plug-in-Hybrid in der C-Klasse, der dann ebenso über eine rein elektrische Reichweite von über 100 Kilometer verfügt wie der seit Ende letzten Jahres verfügbare C 300e mit Plug-in-Hybrid und hochmodernem Vierzylinder-Benziner.

Die Marke Mercedes-Benz will sich zukünftig stärker in Richtung Luxus positionieren. Welche Auswirkungen hat das für Flotten- und Gewerbekunden?

Kemmerer: Hierzu muss zunächst immer auch berücksichtigt werden, dass der Begriff „Luxus“ für uns im Unternehmen die Bedeutung hat, wie er im Angelsächsischen zu verstehen ist: Luxus beschreibt für uns ein subjektives Gefühl, das durch Erlebnisse und Produkte hervorgerufen wird. Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden etwas Besonderes bieten und in diesem Sinne steht Mercedes-Benz für Luxus, was beispielsweise Technologie, Qualität, Komfort, Design aber auch Sicherheit oder Nachhaltigkeit betrifft. Es geht um die Emotionen und die Schärfung der Markenwerte. Und das ist in jedem Segment möglich, von der Kompakt- bis zur Oberklasse. Luxus bedeutet für uns also nicht, sich ausschließlich auf höhere Segmente zu konzentrieren.

Berichte über Kombi-Ende rein spekulativ

Auf der Kippe stehen aber Ihre Kombis, die T-Modelle, wenn man einschlägigen Medienberichten Vertrauen schenkt.

Kemmerer: Der Bericht, den Sie hier ansprechen, ist rein spekulativ. Die T-Modelle haben in der Modellgeschichte von Mercedes-Benz eine lange Tradition und sind insbesondere auf dem deutschen Markt sehr beliebt. Mit der aktuellen C-Klasse bieten wir erstmals auch eine All-Terrain-Version an und haben das T-Modell-Segment damit noch einmal erweitert. Auch für die kommende E-Klasse ab 2023 ist das T-Modell ein fester Bestandteil der Planungen.

Rein elektrische Kombis sind auf absehbare Zeit aber nicht geplant?

Kemmerer: Unser Ziel ist und bleibt die emissionsfreie Mobilität. Bis 2039 ist unsere Ambition eine komplett CO2-neutrale Pkw-Neuwagenflotte. Bereits ab 2025 werden alle neuen Fahrzeug-Architekturen ausschließlich elektrisch sein, und die Kunden werden für jedes Modell eine vollelektrische Alternative zur Auswahl haben. Schon heute bieten wir in unserem Portfolio reinelektrische Mercedes-EQ-Modelle wie den EQB oder den EQC, die ebenfalls die Variabilität und das Platzangebot klassischer Kombis besitzen.

Sie haben vor Kurzem das Privat- und Gewerbekundenangebot von „Mercedes Me“ zusammengeführt. Welche Auswirkungen hat das auf den Angebotsumfang für gewerbliche Kunden?

Kemmerer: Tatsächlich verfügen wir mit „Mercedes Me“ nun über ein System, in dem wir fahrzeugnahe Dienste sowohl für Privat- wie auch Geschäftskunden anbieten können. Um das Angebot komplett zu machen, haben wir diesen Schritt gleichzeitig genutzt, um hier auch unsere Lösung für den Van-Bereich „Mercedes Pro“ zu migrieren. Zudem werden über „Mercedes Me“ die Connect-Dienste zur Bereitstellung von Datenschnittstellen für größere Flotten abgebildet. Damit bietet „Mercedes Me“ ein komplettes Ökosystem, das vom privaten Einzelkunden bis zum größten Fuhrpark genutzt werden kann. Darüber hinaus hat sich das Service-Portfolio durch die Zusammenführung der Dienste nicht verändert. Unabhängig von „Mercedes Me“ haben wir aber mit der Mercedes-Benz-„Fleetshare App“ einen neuen Service für Flottenkunden, über den sich die Organisation von Poolfahrzeugen komplett digital abbilden lässt.

Herr Kemmerer, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das könnte Sie auch interessieren:

Mercedes Citan: Kompakt und komfortabel

Mehr Mercedes-Gene sollte er bekommen, der neue Citan. In der Tat muss sich der kleine Transporter nicht hinter Vito und Sprinter verstecken.
Artikel lesen

Das Raumwunder in der Business-Oberklasse

Die E-Klasse von Mercedes-Benz, besonders das T-Modell, gehört seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Dienstwagen in der Oberklasse. Der familienfreundliche Kombi vom Daimler bietet reichlich Platz, viel Komfort und gute Motoren. Wir waren mit dem E 400 d 4Matic T unterwegs.
Artikel lesen

Mercedes C-Klasse: Der Stern strahlt digital

Die fünfte Generation der Mercedes C-Klasse geht an den Start – mit neuester MBUX-Generation, Plug-in-Hybriden und insgesamt sehr souverän.
Artikel lesen
nevska_lier_mob-dialog2021.jpeg

2. bfp Mobility DIALOG

Vom Fahrzeugverwalter zum Mobilitätsgestalter

Das war der „2. bfp Mobility DIALOG“: Praxisnahe Tipps und Einblicke in alternative Mobilitätskonzepte, vernetzte Lösungen und die Zukunft des Fuhrparkmanagements.  

    • Alternative Mobilität, Corporate Carsharing, Dialog, eHUB, Firmenwagenwissen, Fuhrparkwissen

Digitaler Übergabeprozess

Mehr Transparenz bei der Fahrzeugrückgabe

Nexmo Solutions möchte Fahrzeugübergaben und -rücknahmen vereinfachen. VWFS Rent-a-Car in Hamburg setzt seit Kurzem auf das System.

    • Fuhrparkmanagement, Leasing, Reporting
Der typische Markengrill Scudetto prägt auch Alfa Romeos Kompakt-SUV Tonale.

Kompakt-SUV

Alfa Romeo Tonale: Neuer Anlauf für das Cuore Sportivo

Nach sechs Jahren erstmals wieder ein neues Modell: Im Kompakt-SUV Tonale feiert auch Alfa Romeos erster Plug-in-Hybrid Premiere.

    • Dienstwagen, eHUB, Firmenwagen, Hybrid-Antrieb, Kompaktklasse, SUV
Hyundai_Ioniq_5_1.jpeg

Elektroauto

Hyundai zeigt Serienversion des Ioniq 5

Jetzt ist sie da: die Serienversion des Ioniq 5. Das Elektroauto macht den Auftakt einer ganzen Neuheiten-Palette der neuen Hyundai-Subbrand.

    • Dienstwagen, Elektro-Antrieb, Firmenwagen, Kompaktklasse, Mittelklasse

Tipps & News rund um Fuhrparkmanagement und betriebliche Mobilität:der fuhrpark.de-Newsletter

Abonnieren Sie jetzt den kostenlosen fuhrpark.de-Newsletter!