Von Wolfgang Schäffer
Die ersten Kilometer im Porsche Taycan sorgen für mehr als einen Adrenalinausstoß. Auf solch einen hammerharten Antritt sind weder Fahrer noch Beifahrer eingestellt. Schon das leise Zucken mit dem rechten Fuß reicht aus, um den Kopf des unvorbereiteten Beifahrers gegen die Kopfstütze knallen zu lassen. Der Fahrer hat zwar Halt am Lenkrad, der Magen scheint sich dennoch um die Wirbelsäule zu wickeln. 2,8 Sekunden dauert der Standardsprint vom 0 auf 100 im Taycan Turbo S – eine eigentlich unsinnige Bezeichnung, die aber aus alter Tradition von den Verbrennern übernommen wurde.
625 PS arbeiten im Taycan, der seine Leistung beim Turbo S für maximal zweieinhalb Sekunden auf 762 PS erhöhen kann. Beim gleich starken Porsche Taycan Turbo beträgt die Overboost-Leistung 680 PS. Unterschiede gibt es zudem beim Drehmoment. Beim Turbo S sind es 1050 Nm, die die beiden E-Maschinen – eine je Achse – auf die Straße wuchten. Der Taycan Turbo gibt sich mit 850 Nm zufrieden. Damit dauert der Spurt 0,4 Sekunden länger.
Realistische Reichweite etwas mehr als 300 Kilometer
Neu und bisher einmalig bei E-Autos ist das Zweigang-Automatikgetriebe, das am E-Motor der Hinterachse sitzt. Die sehr kurz ausgelegte erste Stufe unterstützt den gewaltigen Antritt. In der Spitze erreichen beide mit 800-Volt-Technik ausgerüstete Versionen 260 Kilometer pro Stunde. Wird die volle Leistung auf längere Distanz abgerufen, nimmt die im 93,4-Kilowattstunden-Akku gespeicherte Energie rapide ab. 200 Kilometer Reichweite sind für den Porsche Taycan dann die Obergrenze. Etwas mehr als 300 Kilometer schafft der Taycan indessen, wenn es trotz mehrerer Zwischensprints und ansonsten etwas ruhigerer Fahrweise voran geht. Laut WLTP-Zyklus sind es beim Turbo mindestens 388, beim Turbo S 381 Kilometer.
Letzterer muss es jedoch wahrlich nicht sein, um Fahrspaß in Reinkultur zu erleben. Denn den bieten beide Varianten gleichermaßen. Das gilt vor allem auf der kurvigen Landstraße. Hier zieht der Taycan wie auf den immer wieder gern zitierten Schienen seine Bahn. Selbst auf nasser Straße ist die Traktion geradezu brillant. Ein leichtes Zucken, ja, ein Ausbrechen, nein.
Minimal 31 Minuten Ladezeit
Das Aufladen der Taycan-Batterie geht – zumindest an einer leistungsstarken Gleichstrom-Ladesäule – recht zügig. Mit der Leistung von 270 kW dauerte es 31 Minuten, um den Energievorrat von zehn auf 93 Prozent zu erhöhen. Zeit, die selbst ein eiliger Geschäftsmann verschmerzen und vielleicht nutzen kann, um vor einem Termin noch einmal kurz Luft zu holen oder danach das Ergebnis zu überdenken. Auf wirklich langen Tagesstrecken können die notwendigen Ladepausen aber durchaus nervig werden.
Wirklich nervig und nicht ungefährlich ist auf alle Fälle das Einstellen der Lüftungsdüsen, die ausschließlich über ein Untermenü auf dem Touchscreen zu verstellen sind. Der Taycan ist halt voll digitalisiert. So können Licht und Fahrwerkseinstellungen ebenfalls per Touch auf dem Display verändert. Ansonsten haben Fahrer und Beifahrer eine fast identische Sitzposition wie im 911. Auf der Rückbank – zwei Einzelsitze oder Bank – können es sich zumindest zwei durchaus groß gewachsene Personen im 4,96 Meter langen, 1,96 Meter breiten und 1,38 Meter hohen viertürigen Sportcoupé bequem machen. Kopf- und Beinfreiheit, letzteres aufgrund einer Vertiefung im Boden, von Porsche Fußgarage genannt, sind gut. Ebenso das Volumen des Kofferraums. Bis zu sechs Trolleys lassen sich verstauen.
Optisch lässt sich der mit Porsche-DNA reichlich gespickte Taycan als Mischung aus Elfer und Panamera beschreiben. Seitenlinie und Zeichnung der Fenster tragen klare Carrera-Anleihen. Das Heck mit einem durchgehenden Leuchtenband ist ein wenig filigraner gezeichnet als beim Panamera.