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Red Sports Car in a Blurred City Scene

Bußgeldentscheidung

Überholen vor der Kreuzung nicht immer fahrlässig

Wer vor der Kreuzung überholt und es kommt zu einem Unfall, hat automatisch Schuld? Nicht unbedingt, so die Gerichte.

Von Dr. Katja Löhr-Müller

Wer kennt das nicht: Die Tour zum Kunden ist zeitlich genau geplant, doch dann verzögert sich die Dienstreise wegen hohen Verkehrsaufkommens. Und dann drosselt, obwohl vor einer Kreuzung alles frei ist, der Vordermann vor einer Kreuzung scheinbar willkürlich sein Tempo. Schnell ist man versucht, einfach links zu überholen.

So erging es einem Opel-Fahrer, der vor einer Kreuzung noch schnell zum Überholen ansetzte. Als er sich in Höhe des anderen Pkw befand, bog dieser dann aber nach links ab, ohne zuvor den Blinker gesetzt zu haben. Die Fahrzeuge kollidierten, wodurch ein nicht unerheblicher Sachschaden entstand.

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Genaue Kriterien für die "unklare Verkehrslage"

Das zuständige Amtsgericht setzte gegen den überholenden Fahrer wegen fahrlässigen Überholens bei unklarer Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO eine Geldbuße in Höhe von immerhin 145 Euro fest. Dagegen wehrte sich der Betroffene mit einer Rechtsbeschwerde vor dem Oberlandesgericht Hamm – und zwar mit Erfolg. Nach Ansicht des Bußgeldsenats am OLG hatte das erstinstanzliche Urteil eine Verurteilung wegen Überholens bei unklarer Sachlage nicht getragen, sodass die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen war.

Der Hintergrund: Eine unklare Verkehrslage liegt immer dann vor, wenn ein Fahrer nach allen Umständen nicht mit einem gefahrlosen Überholen rechnen darf, etwa weil sich nicht verlässlich beurteilen lässt, was der Vorausfahrende im nächsten Moment tut. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Fahrer des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs zum Beispiel unklar verhält, in seiner Fahrweise unsicher erscheint oder wenn es den Anschein hat, er wolle abbiegen, ohne dass dies deutlich wird. Letzteres ist gegeben, wenn kein Blinkzeichen gesetzt wird oder sich der Fahrer nicht nach links einordnet.

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Langsames Fahrzeug keine unklare Verkehrslage

Allein der Umstand, dass der vorausfahrende Fahrzeugführer relativ langsam fährt, wenn sich keine sonstigen Ausfälle zeigen, ist nicht mit einer unklaren Situation im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO gleichzusetzen, so das OLG Hamm. Eine das Überholen verbietende Verkehrslage entsteht danach nur dann, wenn Umstände hinzutreten, die für ein unmittelbar folgendes Linksabbiegen sprechen können, wie etwa das Betätigen der Fahrtrichtungsanzeige des vorausfahrenden Pkw. Nur die theoretische Möglichkeit eines verkehrswidrigen Linksabbiegens schafft nach der Rechtsprechung noch keine unklare Verkehrslage, die ein Überholen unzulässig mache.

Das gilt nach den einschlägigen Urteilen auch dann, wenn sich der Überholbereich in einem Kreuzungs- oder Einmündungsbereich befindet und das vorausfahrende Fahrzeug in diesem Bereich langsamer fährt. Anders wäre die Sachlage nur zu bewerten, wenn zusätzlich Umstände vorliegen, die für ein unmittelbar folgendes Linksabbiegen sprechen können.

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Wesentliche Faktoren unklar

Nach den Rechtsausführungen des Oberlandesgerichts habe das Amtsgericht lediglich eine Verlangsamung der Fahrt des vorausfahrenden Fahrzeugs kurz vor einem Kreuzungsbereich festgestellt. Aus dem Urteil gehe noch nicht einmal hervor, ob sich das vorausfahrende Fahrzeug überhaupt zur Mitte hin eingeordnet habe, wie der Fahrer dieses Pkws als Zeuge in der Beweisaufnahme behauptet hatte.

Das Verfahren wurde zur erneuten Prüfung und Entscheidung deshalb wieder an das Amtsgericht zurückverwiesen (OLG Hamm, Beschluss vom 14.06.2018, Az. 4 RBs 174/18). Es lohnt sich also durchaus, Bußgelder nicht klaglos hinzunehmen, sondern Rechtsmittel dagegen einzulegen.

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