Von Dr. Katja Löhr-Müller
Viele Arbeitgeber suchen nach neuen Mobilitätsformen im Fuhrpark. Das gilt nicht nur für die rein berufliche Mitarbeitermobilität, sondern auch für privat genutzte Fahrzeuge des Arbeitgebers als Teil des Entgelts – heute zumeist noch ganz klassisch der Dienstwagen –, dem so genannten Sachbezug. Bei der Suche nach diesen neuen Mobilitätsformen erfreuen sich Diensträder besonderer Beliebtheit. Auch der Gesetzgeber unterstützt das Radfahren, verzichtet er doch für ab Beginn des Jahres 2019 angeschaffte Fahrräder auf die Versteuerung dieses Sachbezugs.
Gehaltsumwandlung für Diensträder
Häufig werden die Diensträder, gleichgültig ob es sich um ein E-Bike oder Mountainbike handelt, aber überhaupt nicht dienstlich genutzt. Die Anschaffung zielt in der Regel auf eine rein private Nutzung ab und dient ausschließlich der Mitarbeitermotivation. Dies führt dazu, dass Arbeitgeber über vertragliche Regelungen mit den Mitarbeitern versuchen, das Kostenrisiko soweit als möglich auf ihre Mitarbeiter zu verlagern.
Das Arbeitsgericht Osnabrück hat in einem Verfahren nun ausführlich dazu Stellung genommen, was ein Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem "Business-Leasing" von Diensträdern nicht darf. Ein Arbeitgeber hatte mit seiner Arbeitnehmerin vereinbart, dieser für einen Zeitraum von 36 Monaten zwei Dienstfahrräder zu überlassen. Im Gegenzug verzichtete die Mitarbeiterin auf einen Teil ihrer arbeitsvertraglichen Vergütung in Höhe der Leasingraten. Damit lag eine klassische Form der Bruttogehaltsumwandlung vor.
Dienstradüberlassung vertraglich richtig regeln
Der Überlassung der Diensträder lag ein vom Leasinggeber entwickelter und zur Verfügung gestellter Formularvertrag zugrunde, der zwischen dem Arbeitgeber, der Arbeitnehmerin und dem Leasinggeber abgeschlossen wurde. Da solche Verträge für eine Vielzahl von Anwendungen vorgesehen sind, unterliegen sie strengen rechtlichen Anforderungen und werden wie Allgemeine Geschäftsbedingungen behandelt.
Unter anderem war im Überlassungsvertrag vorgesehen, dass der Arbeitgeber berechtigt sein sollte, bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses – zum Beispiel in der Elternzeit – oder für den Zeitraum ohne Lohnbezug das Dienstrad schriftlich mit einer Frist von 14 Tagen zurückzufordern. Sofern der Arbeitgeber von seinem Recht auf Herausgabe des Dienstrades keinen Gebrauch machte, war der Arbeitnehmer verpflichtet, für die Dauer der Unterbrechung der Gehaltszahlung die vom Arbeitgeber an den Leasinggeber gezahlten Leasingraten an den Arbeitgeber zurückzuzahlen. Denn für diesen Zeitraum war eine unmittelbare Verrechnung mit dem Gehalt des Arbeitnehmers mangels Gehaltszahlung gerade nicht möglich.
Ratenrückforderung nicht immer wirksam
Nachdem die Arbeitnehmerin für längere Zeit erkrankt war, forderte der Arbeitgeber diese nach Ablauf des Lohnfortzahlungszeitraums auf, die weiterhin monatlich fällig werdenden Leasingraten an den Arbeitgeber zu überweisen. Das verweigerte die Arbeitnehmerin, worauf der Arbeitgeber auf Zahlung klagte.
Das zuständige Arbeitsgericht aber sah in einer solchen vertraglichen Regelung einen Verstoß gegen das so genannte Transparenzgebot nach § 305 c BGB und sah die Vertragsklausel für intransparent an. Zudem benachteilige die Regelung einen Arbeitnehmer unangemessen und sei daher auch nach § 307 BGB unwirksam. Dies hatte zur Folge, dass die Vertragsklausel in vollem Umfang für unwirksam erklärt und vollständig durch das Arbeitsgericht gestrichen wurde.
Anders als bei Individualvereinbarungen kann bei Formularvereinbarungen eine unwirksame Regelung nicht einfach durch eine neue Formulierung ersetzt werden. Sie wird einfach so behandelt, als ob sie nie vereinbart worden wäre. Auch die ausdrückliche Zustimmung eines Arbeitnehmers durch Unterschrift macht aus einer solchen unwirksamen Vertragsklausel keine wirksame. Das Arbeitsgericht hat die Klage des Arbeitgebers auf Zahlung der Leasingraten durch die Arbeitnehmerin für den Zeitraum nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung daher als unbegründet zurückgewiesen.
Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers
In den Entscheidungsgründen führte das Arbeitsgericht aus, dass die Verpflichtung zur Übernahme der Leasingraten bei Wegfall der Vergütung im vorliegenden Fall nicht ausreichend deutlich gemacht worden sei und zudem auch widersprüchlich formuliert worden war. So sahen die Regelungen vor, dass die Arbeitnehmerin „erhöhte Kosten (zum Beispiel Leasingkosten) bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder einer Insolvenz des Arbeitnehmers“ zu tragen habe. Nach Ansicht des Gerichts musste sie aber nicht damit rechnen, dass auch in Zeiten ohne Gehaltszahlung solche erhöhten Kosten für sie anfallen.
Das Arbeitsgericht Osnabrück hielt es zudem für unangemessen, dass der Arbeitgeber auf Grundlage des Überlassungsvertrages ohne weitere Voraussetzung entscheiden durfte, ob er das Dienstrad zurückfordert oder ob er sich auf die Pflicht des Arbeitnehmers zur Zahlung der Leasingkosten beruft. Unabhängig davon stelle die Vertragsklausel aber auch eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 BGB dar, so das Gericht.
Es mag zwar mit den wesentlichen Grundgedanken des Entgeltfortzahlungsgesetzes vereinbar sein, dass bei entsprechender Vertragsgestaltung der Arbeitgeber das Dienstrad bei Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums von dem erkrankten Arbeitnehmer zurückfordern kann. Ein verständiger Arbeitnehmer müsse aber nicht damit rechnen, dass darüber hinaus der Arbeitgeber auch die Leasingkosten und damit sein eigenes unternehmerisches Risiko auf den erkrankten Arbeitnehmer abwälzen will.
Fahrrad-Nutzung durch weitere Personen zulässig?
Im Übrigen gab das Gericht noch einen klaren Hinweis in Richtung steuerliche Fragestellungen. Nach der Überlassungsvereinbarung für die beiden Diensträder war vorgesehen, dass auch nicht am Arbeitsverhältnis beteiligte Personen, wie zum Beispiel Ehegatten berechtigt waren, die Fahrräder zu nutzen. Das Gericht äußerte Zweifel daran, ob dies unter dem Aspekt einer möglichen Steuerverkürzung in dieser Weise rechtlich zulässig sei. Denn für Fahrräder, die ab dem 01. Januar 2019 angeschafft wurden, beträgt der zu versteuernde geldwerte Vorteil für die private Nutzung null Prozent (Arbeitsgericht Osnabrück, Urteil vom 13.11.2019, Az: 3 Ca 229/19).