Von Wolfgang Schäffer
Wir hatten jetzt die Möglichkeit, einen Blick hinter die ansonsten geschlossenen und streng bewachten Türen des Designs in Wolfsburg zu werfen. Und nicht nur das. Volkswagen-Chefdesigner Klaus Bischoff erklärte zudem, welch enorme Chancen sich mit der Aufgabe bieten, etwas komplett Neues zu gestalten.
"Das ist eine große Herausforderung. Verbunden damit sind allerdings auch unglaublich viele Möglichkeiten. Die kompaktere Technik gestattet neue Freiheiten in der Gestaltung, die wir natürlich nutzen werden und bereits genutzt haben." Gleichwohl wächst auch das Raumangebot in den jeweiligen Baureihen, was wiederum beim Einsatz in der Flotte enorme Vorteile bringt.
VW ID.: E-Buggy mit Serienambitionen
Die Studie eines Elektro-Buggys, die Volkswagen auf dem in der ersten Märzwoche startenden Autosalon in Genf als Weltpremiere präsentieren wird, ist ein Beispiel für die neuen Gestaltungsmöglichkeiten. "Mit dem E-Buggy wollen wir zeigen, wie die moderne, retrofreie Interpretation eines solchen Klassikers aussieht und vor allem, wie emotional Elektromobilität sein kann", erklärt Bischoff, wohl wissend, dass ein solches Auto im Fuhrpark keine Chancen haben wird.
Als Vorbild des vollelektrischen Buggys dienen die historischen Vorbildern aus Kalifornien. Dementsprechend wird auf ein festes Dach ebenso verzichtet wie auf konventionelle Türen. Zusätzlich hat das Designteam um Bischoff die Studie mit freistehenden Räder und offenen Seitenschwellern erstellt.
Waren die US-Strandbuggys einst auf der Basis des Käfer-Chassis konstruiert, ist es heute der Modulare E-Antriebsbaukasten (MEB) von Volkswagen. "Damit wird klar, wie vielseitig die neue Plattform ist." Bischoff betont, dass ein solcher E-Buggy irgendwann durchaus in Serie gehen könnte. Denkbar ist, dass die Studie ein erster Hinweis auf ein künftiges elektrisches Cabrio ist.
Akzeptanz für Elektromobilität schaffen
Dazu wollte sich Klaus Bischoff nicht näher äußern. Anders hingegen zur Erweiterung der ID.-Familie, deren Mitglieder in den geheiligten Hallen des Designs bereits zu sehen waren. Der Chef-Gestalter der Marke Volkswagen erklärte an den fertigen Modellen auch die Philosophie der neuen Linienführung.
"VW hat mit dem Käfer eine Mobilität für breite Bevölkerungsschichten ermöglicht, der Golf hat darauf die Werte Funktionalität und Sicherheit gesetzt. Mit der ID.-Familie wollen wir nun zeigen, dass es trotz des grundsätzlichen Wechsels im Bereich der Technologie beim Anspruch der Marke bleibt, diese Technologie für alle erschwinglich und nutzbar zu machen. Wir wollen für E-Mobilität eine möglichst breite Akzeptanz schaffen – und das funktioniert nur mit einer kompletten Produktfamilie." Die soll dann für Fuhrparks ebenfalls interessant sein. Bischoff ist davon überzeugt, dass die Kunden für diese neue Form der Mobilität auch eine neue Karosserieform haben wollen.
ID. Aero als Passat-Pendant
Als erstes Mitglied der neuen Modellreihe wird im Herbst dieses Jahres der ID. (sein tatsächlicher Name ist noch geheim) vorgestellt werden. An dem elektrisch angetriebenen Pendant zum Golf, dessen achte Generation ebenfalls in diesem auf den Markt kommen wird, sind die wesentlichen Grundzüge der neuen Designsprache für diese Art der Fahrzeuge zu erkennen.
Dazu zählt beispielsweise das Gesicht, das die Designer ohne den nicht mehr benötigten Kühlergrill neu zeichnen mussten. Wichtig sei dabei, die Front nicht zu flächig wirken zu lassen. Veränderte Lufteinlässe und vor allem auch eine komplett andersartige Lichtsignatur sind hier zu nennen. Ein beleuchtetes VW-Markenzeichen allerdings wird es in Deutschland anders als in Übersee nicht geben. Hierzulande ist Leuchtwerbung am Fahrzeug verboten.
Beim ID., dem ID. Crozz, der 2020 auf den Markt kommt und so etwas wie das elektrisch angetriebene Gegenstück zum Tiguan ist sowie dem 2022 zu erwartenden Passat-Pendant ID. Aero (die Studie ID Vizzion kommt dem Serienmodell schon recht nahe) fallen zudem die sich flach nach hinten streckenden A-Säulen, der besondere Schwung der Dachlinie, die sanfte Wellenform unterhalb der Seitenfenster und die Betonung der seitlichen Schweller auf. Letztere unterstreichen den tiefen Schwerpunkt, den die E-Modelle aufgrund der im Fahrzeugboden untergebrachten Batterien haben.
Außergewöhnlich zudem, dass die ID.-Familie mit in Schwarz gehaltenen Dächern ausgestattet ist. Außer den genannten Mitgliedern der E-Baureihe von VW sind 2022 noch der ID. Buzz als Neuinterpretation des legendären Bulli und für die USA eine MEB-Pendant des großen SUV Atlas sowie für China des baugleichen Teramont fertig gestaltet.
Bisherige VW-Werte bleiben erhalten
Und das nicht nur außen. Auch innen hat die extrem geräumige ID.-Baureihe ein komplett anderes Erscheinungsbild. Bischoff: "Das Interieur gewinnt stark an Bedeutung. Die digitale Ausprägung des Fahrzeuges spielt dabei eine bedeutende Rolle. Wir sind gefordert, die neue technische Welt in Einfachheit, Schlichtheit und Schönheit zu übersetzen. Dabei müssen wir uns auch ständig fragen, welche Bedienvorgänge kann ich weglassen, welche Elemente brauche ich nicht."
Das ist vor allem an der Gestaltung der Armaturenträger zu erkennen, die mit weitaus weniger Bedienelementen als bisher bestückt sind. Außerdem bekommt Licht auch im Innenraum eine neue Bedeutung. "Licht ist das neue Chrom", sagt Bischoff.
Trotz aller Veränderungen ist für den Chef-Designer eines unumstößlich. "Unsere bisherigen Werte werden wir mit der ID.-Familie keinesfalls über Bord werfen. Die neue Elektro-Baureihe ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als der Ausdruck des Aufbruchs von Volkswagen in eine neue Ära."