Sebastian Karrer,  Leiter Key Account Management  bei The Mobility House.
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Sebastian Karrer,  Leiter Key Account Management  bei The Mobility House.

Interview

„Wir wollen niemanden bekehren“

Sebastian Karrer, The Mobility House, über Herausforderungen und Chancen, die sich bei der Realisierung eines E-Fuhrparks ergeben.

The Mobility House ist angetreten, die Energiewende zu fördern durch E-Autos, die während ihrer Standzeiten als Energiespeicher genutzt werden können. Mittlerweile verkauft das Unternehmen Ladelösungen, entwickelt eigene Software zum Ladeprozessmanagement und entwickelt Stationäre Speicher für regenerative Stromquellen. Wir haben mit Sebastian Karrer, Leiter Key Account Management bei The Mobility House gesprochen.

bfp: Was ist der erste Schritt, den ein Fuhrparkmanager gehen sollte, wenn er seinen Fuhrpark mit E-Fahrzeugen erweitern will?

Sebastian Karrer: Als Erstes sollten sich Fuhrparkmanager bewusst machen, dass ein E-Fahrzeug kein Verbrenner-Fahrzeug ist. Bekannte Prozesse im Flottenmanagement können nicht einfach übernommen werden, sie müssen neu gedacht werden. Man muss sich mit dem Thema E-Mobilität, wie Ladestrom und Lastmanagement auseinandersetzen und grundlegende Entscheidungen treffen: Sollen die Autos an öffentlichen oder privaten Ladestationen geladen werden? Dürfen Mitarbeiter auch private Autos laden? Wenn ja, ist die Nutzung kostenfrei oder nicht? Benötige ich Schnellladestationen? Welchen Mobilitätsbedarf habe ich? Auf diese Fragen muss ich als Fuhrparkmanager eine Antwort haben, bevor ich loslege. Bei den Überlegungen im Vorfeld gibt es Dienstleister, die dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. The Mobility House erstellt dann im nächsten Schritt ein passendes Ladekonzept, das die wichtigsten Fragen für die Planung der Flottenelektrifizierung beantwortet. Auf Wunsch bieten wir zudem einen Standortcheck an, bei dem einer unserer Installationspartner die Elektroinstallation vor Ort überprüft und einen Vorschlag zur Realisierung sowie ein Installationsangebot liefert.

bfp: Ist das Projekt E-Fuhrpark nur Aufgabe des Fuhrparkmanagers?

Karrer: Es kommt auf die Fuhrparkgröße und Unternehmensgröße an. Meistens ist der Fuhrparkmanager oder das Facility Management dafür zuständig. Bei mittelgroßen Unternehmen liegt die Projektleitung bei der Assistenz des CEOs. Bei kleinen Unternehmen ist in der Regel der Geschäftsführer verantwortlich und in größeren Unternehmen gibt es Rahmenverträge mit zum Beispiel Elektrikern, die verantwortlich sind. Und wenn das Gebäude gemietet ist, wird in manchen Fällen der Vermieter kontaktiert, der die Ladesäulen selbst anschafft.

bfp: Aber das Projekt E-Fuhrpark ist mehr als nur der Aufbau der Ladeinfrastruktur.

Karrer: Ja, die Herausforderung ist es zunächst, alle Personen im Unternehmen mitzunehmen und zu überzeugen. Wir merken aber auch, dass es in letzter Zeit weniger Bedenken gibt als früher. Zudem sollte von Anfang an langfristig gedacht werden: Soll die Zahl der Ladepunkte zukünftig weiter steigen? Dann kann es sinnvoll sein, schon zu Beginn auf ein herstellerneutrales und skalierbares Lade- und Energiemanagementsystem wie Charge Pilot von The Mobility House zu setzen. So können die Kosten für einen möglichen Ausbau des Netzanschlusses erheblich reduziert werden, wenn im Laufe der Zeit mehr E-Fahrzeuge hinzukommen.

bfp: Wie lange dauert es, bis das Projekt fertig umgesetzt ist?

Karrer: Vom ersten Tag der Kontaktaufnahme bis zum Einstecken des Steckers vergehen mindestens drei bis sechs Monate. Je nach Unternehmen kann sich der Prozess auch über Jahre ziehen.

bfp: Woran liegt das, dass sich ein Prozess über Jahre zieht?

Karrer: Meist aufgrund von administrativen Themen wie Förderbescheide, Netzausbau oder Verhandlungen mit dem Vermieter. Durch Lieferschwierigkeiten von Halbleitern konnte es in der Vergangenheit auch länger dauern, aber mittlerweile sind die Lager wieder gefüllt. Daher ist es wichtig, die Umsetzung rechtzeitig zu planen.

bfp: Wird es mit der Erweiterung der E-Mobilität auch zu Engpässen in der Stromversorgung kommen?

Karrer: Es wird Engpässe geben, wenn sich die Anzahl an E-Autos wie erwartet weiter erhöht. Aber das Lastmanagement ist mittlerweile in der Breite angekommen und reduziert mindestens 30 bis 70 Prozent der Last. Die meisten Nutzer laden als Pendler aber nicht das gesamte Auto von 0 auf 100 auf, sondern nur geringe Mengen. Mittlerweile sind Lastmanagementsysteme erschwinglich geworden und verursachen nur geringe laufende Kosten und zahlen sich gegenüber einem Netzausbau unmittelbar aus. Ich persönlich glaube nicht, dass es zu Lastproblemen kommen wird. Man muss die E-Mobilität von Anfang an intelligent ausrollen und Kapazitäten einplanen.

bfp: Ein Teil der Mitarbeiter lädt ihre E-Dienstwagen öffentlich, zu Hause oder am Firmensitz. Wie schätzen Sie das Angebot an öffentlichen Ladesäulen ein?

Karrer: Es werden ständig neue Ladestationen gebaut und die Ziele der Bundesregierung sowie der Industrie sind ambitioniert und in Summe ausreichend.

bfp: Wenn ein Mitarbeiter zu Hause an seiner Wallbox seinen Dienstwagen lädt: Welche Möglichkeiten gibt es, geschäftliche Ladevorgänge von privaten Ladevorgängen zu trennen?

Karrer: Bei den At-Home-Ladevorgängen bieten wir zum Beispiel Lösungen an, wodurch alle Ladevorgänge zentral in einem Portal vom Fuhrparkmanager eingesehen werden können. Die Mitarbeiter, die ihr E-Fahrzeug zu Hause an der Wallbox laden wollen, können private und geschäftliche Ladevorgänge trennen, indem sie vor dem Ladebeginn die entsprechende Ladekarte vor das Gerät halten. Wir erweitern unser Portfolio sukzessive, um auch andere Anbieter zu integrieren und Prozesse dafür aufzusetzen.

bfp: Wird für diese Ladelösung zu Hause ein intelligenter Stromzähler benötigt?

Karrer: Es braucht keinen intelligenten Stromzähler für die Wallbox, hier reicht ein normaler Zähler aus.

bfp: Sollte der Arbeitgeber die Wallbox beim Dienstwagenberechtigten zu Hause stellen?

Karrer: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass meist die Mitarbeiter die Wallbox anschaffen und die staatliche Förderung erhalten. Ist die Ladestation in Besitz des Mitarbeiters, muss die Firma auch nicht für Schäden haften. In einigen Fällen subventioniert der Arbeitgeber aber auch die Wallbox oder zumindest einen Teil. Trennen sich Unternehmen und Mitarbeiter, muss dann kein Abbau der Station stattfinden.

Bfp: Welche Fördermöglichkeiten für die Ladeinfrastruktur gibt es für Unternehmen?

Karrer: Es gibt je nach Stadt, Kreis und Bundesland unterschiedliche Fördertöpfe. The Mobility House hat eine eigene Förderdatenbank online, um eine Übersicht zu geeigneten Fördermöglichkeiten zu bieten. Bei der KfW-Bank gibt es verschiedene Förderungen: Nr. 439 für Kommunen, Nr. 440 für Privatpersonen (aktuell ausgeschöpft) und Nr. 441 für Firmen. Mittlerweile gibt es auch Förderungen für Firmen, die private Ladestationen bauen möchten. Ich finde, man sollte die Fördermöglichkeiten vereinfachen. Einige Voraussetzungen, um die Subventionen zu erhalten, sind sehr aufwendig zu erfüllen, deshalb nutzen nicht alle Firmen die Fördermöglichkeiten. Es gibt Unternehmen, die die Förderantragsstellung übernehmen und einen Teil der Förderung als Vergütung einbehalten.

Bfp: Wie wird sich Ihrer Meinung nach betriebliche E-Mobilität weiter entwickeln?

Karrer: Ich beobachte, dass in großen Unternehmen mittlerweile 40 bis 50 Prozent der Neuwagenbestellungen E-Autos sind. Plug-in-Hybride sind weiterhin beliebt, aber auch der Anteil an rein elektrischen Fahrzeugen wächst stetig. Insgesamt sehe ich eine große Akzeptanz des E-Autos. Auch viele Privatpersonen überlegen, sich ein E-Auto anzuschaffen. Es besteht aber noch viel Informationsbedarf und einige Herausforderungen, aber auch viele Chancen liegen in der E-Mobilität.

bfp: Wird sich E-Mobilität in allen Bereichen der Mobilität durchsetzen?

Karrer: Ich schließe mich der Aussage unseres neuen Verkehrsministers Volker Wissing an, der klar sagt, dass wir in Zukunft elektrisch fahren werden. Also batterieelektrisch im Pkw-Bereich, Wasserstoff im Güterverkehr und Flugverkehr und E-Fuels für zum Beispiel Oldtimer. Aber Letzteres ist im großen Stil nicht wirtschaftlich. Technologieoffenheit ist immer gut. Aber aufzuhören zu diskutieren, um zu machen und Lösungen zu finden, damit kann ich viel mehr erreichen. Und so handhaben wir das auch. Wir zwingen niemanden zur E-Mobilität, wir wollen auch niemanden bekehren, sondern diejenigen, die sagen, das finden sie eine gute Sache, die unterstützen wir. Mittlerweile haben wir auch viele gute Projekte als Referenzen und viele zufriedene Kunden.

bfp: Vielen Dank für das Gespräch!

Über The Mobility House 

Eine emissionsfreie Energie- und Mobilitätszukunft zu gestalten – das ist das Ziel von The Mobility House. Mit ihrer Technologie verbinden sie die Automobil- und Energiebranche und integrieren durch intelligente Lade- und Energielösungen Fahrzeugbatterien ins Stromnetz. Damit wird der Ausbau erneuerbarer Energien gefördert, das Stromnetz stabilisiert und Elektromobilität günstiger. 

Das Technologieunternehmen wurde 2009 gegründet und ist von den Standorten Zürich, München und Belmont (CA) weltweit aktiv. The Mobility House begleitet Privat- und Geschäftskunden bei ihrem Einstieg in die Elektromobilität durch die Planung, den Aufbau und den Betrieb einer individuellen Ladeinfrastruktur. Dabei arbeitet das Unternehmen als neutraler Anbieter mit vielen Partnern wie Ladeinfrastrukturherstellern, Installationsbetrieben, Backendsystemen, Energieversorgern und Automobilherstellern zusammen. Herausragend im Markt ist die Eigenentwicklung von The Mobility House, das intelligente Lade- und Energiemanagementsystem Charge Pilot. Es ermöglicht die herstellerneutrale, zukunftssichere und skalierbare Integration von Elektrofahrzeugen in die bestehende Infrastruktur. Für seine bereits über 35.000 Kunden bietet das Unternehmen seit Kurzem auch die Abwicklung und Auszahlung der Treibhausgasminderungsquoten, kurz THG-Quoten, an.

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