Zuerst Lieferverzögerungen durch Halbleiter-Mangel während der Corona-Krise, jetzt der Ukraine-Krieg: Alle Fahrzeughersteller haben derzeit große Probleme, bereits bestellte Kraftfahrzeuge zu produzieren und auszuliefern. Von den Problemen, die daraus resultieren, kann nahezu jeder Fuhrpark ein Lied singen. Egal ob Kauf oder Leasing – kein vom Kunden individuell konfiguriertes Fahrzeug kann derzeit pünktlich ausgeliefert werden. Welche Rechte gewerbliche Kunden in diesem Zusammenhang haben, ist daher aktuell häufig Gegenstand juristischer Beratung im Fuhrpark.
Auf die Vereinbarung des Liefertermins kommt es an
Dabei kommt es zunächst darauf an, wann ein Vertragsschluss – also ein Kauf- oder ein Leasingvertrag – zu Stande kommt. Das ist allerdings nicht etwa der Zeitpunkt, in dem der Kunde seine Fahrzeugbestellung unmittelbar beim Händler oder bei der Leasinggesellschaft aufgibt. Denn solche Bestellungen, auch wenn der Kunde an sie für eine bestimmte Zeit gebunden ist, stellen juristisch lediglich ein Angebot des Kunden an den anderen Vertragspartner dar, mit diesem einen Vertrag eingehen zu wollen. Erst mit der Auftragsbestätigung, der Gegenzeichnung der Bestellung oder mit der beiderseitigen Unterzeichnung des Leasingvertrages kommt der Vertragsschluss dann zu Stande.
Allein aus diesem Vertragsschluss ergibt sich aber nicht automatisch, zu welchem Zeitpunkt der Liefergegenstand auch tatsächlich geliefert werden muss. So können vom Vertragspartner unverbindliche oder verbindliche Lieferfristen beziehungsweise Liefertermine vereinbart werden. Ist ein verbindlicher Liefertermin oder eine Lieferfrist zwischen den Vertragsparteien festgelegt worden, kommt der Auftragnehmer ohne weitere Fristsetzung in Verzug, wenn das Fahrzeug nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt übergeben wird. Anders sieht es bei den so genannten unverbindlichen Lieferterminen oder Lieferfristen aus. Wie in diesem Fall zu verfahren ist, ergibt sich aus den Neuwagen-Verkaufsbedingungen für Kraftfahrzeuge und Anhänger, die die Automobilverbände, namentlich des VDA, VDIK und des ZDK, regelmäßig als unverbindliche Empfehlung herausgeben und die beim Verkauf von Neuwagen fast ausnahmslos verwendet werden.
Lieferverzögerungen als Problem des Leasingnehmers
Die aktuelle Fassung dieser Bedingungen stammt aus dem Januar 2022. Solche Verkaufsbedingungen machen sich auch Leasinggesellschaften zu eigen, wenn es um Lieferverzögerungen oder Lieferausfälle geht. So finden sich in den Leasingbedingungen inhaltlich vergleichbare Formulierungen wie in den Neuwagenbedingungen. Darüber hinaus – und das ist eine Eigenart des Leasings – kann der Leasinggeber alle Ansprüche, die er als Käufer gegenüber seinem Verkäufer oder Händler hat, an den Leasingnehmer abtreten. Das passiert mit folgender oder ähnlich lautender Regelung: „Sämtliche Ansprüche des Leasingnehmers gegenüber dem Leasinggeber wegen Nichtlieferung, nicht fristgemäßer oder nicht vertragsgemäßer Lieferung des Herstellers beziehungsweise Lieferanten des Fahrzeuges sind ausgeschlossen. Der Leasinggeber tritt ausdrücklich und vorbehaltlos diese Ansprüche dem Leasingnehmer ab und verpflichtet den Leasingnehmer schon jetzt unwiderruflich, alle gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche wegen dieser Pflichtverletzung gegenüber dem Hersteller beziehungsweise Lieferanten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung – gegebenenfalls im Klagewege – innerhalb der gesetzlichen Fristen geltend zu machen. Der Leasingnehmer erklärt hiermit ausdrücklich sein Einverständnis mit dieser Regelung.“
Die Lieferverzögerung wird damit nicht zum Problem des Leasinggebers, sondern unmittelbar zum Problem des Leasingnehmers, der sich dann selbst mit dem Verkäufer auseinander zu setzen hat. Das ist bei einer Miete von Fahrzeugen übrigens anders. Dort haftet der Vermieter selbst, wenn er das angemietete Fahrzeug nicht zur Verfügung stellen kann.
Begrenzter Ersatz für Verzugsschäden
Nach den Neuwagen-Verkaufsbedingungen kann ein Käufer sechs Wochen nach Überschreiten eines unverbindlichen Liefertermins oder einer unverbindlichen Lieferfrist den Vertragspartner auffordern, zu liefern. Erst mit dem Zugang dieser Aufforderung kommt dieser in Verzug. Nach der Inverzugsetzung kann der Kunde dann auch einen Verzugsschaden geltend machen.
Allerdings sehen die Verkaufsbedingungen vor, dass der Verzugsschaden bei nur leichter Fahrlässigkeit beschränkt ist, und zwar auf höchstens 5 Prozent des vereinbarten Kaufpreises. Ein Verzugsschaden können zum Beispiel die Kosten für einen Mietwagen sein, der als Interimsfahrzeug eingesetzt wird. Allerdings muss sich ein Kunde die so genannten Sowieso-Kosten anrechnen lassen, was gerade bei Leasingfahrzeugen wichtig ist. Denn mit der Auslieferung eines Fahrzeugs fallen auch die monatlichen Leasingraten an. Der Kunde soll trotz Verzugs also nicht besser gestellt werden als bei einer fristgerechten Auslieferung.
Kein Schadensersatz für Unternehmen
Kommt der Vertragspartner dem Lieferbegehren nicht nach, kann der Kunde vom Vertrag zurücktreten und/oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Kunde eine angemessene Frist zur Lieferung gesetzt hatte. Als eine angemessene Frist wird im Allgemeinen auf eine Zwei-Wochen-Frist abgestellt. Es empfiehlt sich daher, dem Vertragspartner bereits mit der schriftlichen Inverzugsetzung eine Frist aufzugeben, bis wann der Wagen endgültig zu liefern ist.
Entscheidet sich der Kunde für Schadensersatz statt der Leistung, beschränkt sich der Anspruch bei leichter Fahrlässigkeit nach den Neuwagenbedingungen allerdings auf höchstens 25 Prozent des vereinbarten Kaufpreises. Aber Vorsicht: Ist der Kunde ein Unternehmen, welches das Fahrzeug in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit anschaffen will, ist der Schadensersatz statt der Leistung bei leichter Fahrlässigkeit komplett ausgeschlossen. In diesem Fall bleibt nur noch der Rücktritt vom Kaufvertrag.
Corona-Krise als höhere Gewalt
Immer wieder wird diskutiert, ob Lieferengpässe wegen Corona oder anderen Ereignissen, auf die die Fahrzeughersteller keinen unmittelbaren Einfluss haben, als höhere Gewalt zu werten ist. Für Corona ist das in der Rechtsprechung vornehmlich anerkannt. Auch hierzu finden sich in den Verkaufsbedingungen Regelungen. Denn bei höherer Gewalt oder beim Verkäufer oder dessen Lieferanten eintretenden Betriebsstörungen, die den Verkäufer ohne eigenes Verschulden vorübergehend daran hindern, den Kaufgegenstand zum vereinbarten Termin oder innerhalb der vereinbarten Frist zu liefern, verlängern sich automatisch die Termine und Fristen um die Dauer der durch diese Umstände bedingten Leistungsstörungen. In diesem Fall kann der Kunde erst nach Ablauf von vier Monaten vom Vertrag zurücktreten.
Auch die Geltendmachung von Verzugsschäden kann bei höherer Gewalt schwierig sein. Denn höhere Gewalt hat der Lieferer nicht zu vertreten. Ein Schuldner kommt nach § 286 Abs. 4 BGB aber nicht in Verzug, solange die Leistung in Folge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
Veränderte Konfiguration nicht unerheblich
In jüngster Vergangenheit sind aber nicht nur erhebliche Lieferverzögerungen das Problem. Nachdem ein Dienstwagen nach den Wünschen des Kunden konfiguriert wurde, heißt es Monate später von Händlerseite Monate oft, man wolle schon liefern, aber nicht das, was bestellt wurde. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob sich der Vertragspartner darauf einlassen muss.
Auch hier lohnt ein Blick in die Vertragsbestimmungen. So behalten sich Verkäufer regelmäßig vor, dass es seitens des Herstellers zu Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton oder Änderungen des Lieferumfangs kommen kann. Dies ist zulässig, sofern diese Abweichungen beziehungsweise Änderungen unter Berücksichtigung der Interessen des Kunden für diesen zumutbar sind. Unwesentliche Änderungen sind daher vom Kunden hinzunehmen. Betreffen die Änderungen und Abweichungen hingegen wesentliche Bauteile oder die gesamte Konfiguration des Fahrzeugs, kann von Unerheblichkeit keine Rede mehr sein.
Die Mitteilung, das Fahrzeug mit Änderungen und Abweichungen zur ursprünglichen Bestellung liefern zu wollen, ist daher keine Anpassung des ursprünglichen Vertrages, sondern rechtlich gesehen ein neues Angebot zum Abschluss eines neuen Vertrages. Ohne Annahme dieses Angebotes kommt kein neuer Vertrag zustande. Der Kunde hat dann nur die Möglichkeit, vom bereits abgeschlossenen Vertrag zurückzutreten oder abzuwarten, ob das eigentlich bestellte Fahrzeug irgendwann doch noch geliefert werden kann.
Kein Rechtsanspruch auf Leasingverlängerung
Unternehmen, die auf die regelmäßige Lieferung von Dienstwagen angewiesen sind, können letztlich also nur zwischen Pest und Cholera wählen. Entweder warten sie weiter auf das bestellte Fahrzeug oder sie treten vom Vertrag zurück – mit der Folge, dass dann auch kein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht. Natürlich kann versucht werden, mit der Verlängerung von Leasingverträgen die Halterdauer von Bestandsfahrzeugen im Fuhrpark zu verlängern; einlassen muss sicher der Leasinggeber darauf aber nicht. Denn es besteht kein einseitiger Rechtsanspruch des Leasingnehmers auf Vertragsverlängerung. Fordert der Leasinggeber das Fahrzeug heraus, muss dem nachgekommen werden. Dennoch lohnt es sich, aktiv auf den Leasinggeber zuzugehen, damit eine einvernehmliche Lösung dieser verzwickten Situation gefunden werden kann. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieser höchst problematische Zustand für alle Beteiligten nicht zum Dauerzustand wird.
Das könnte Sie auch interessieren: