Dr. Katja Löhr-Müller
Bei der Anschaffung neuer Fahrzeuge greifen Unternehmen häufig auf einen Bringservice zurück. Das Autohaus ist dann verpflichtet, das Fahrzeug dort auszuliefern, wo es gewünscht wird. Bei diesen Speditionsfahrten kann es dann jedoch schnell zu Schäden am Fahrzeug kommen. Genau dies ist einem Käufer passiert, der einen neuen Fiat erwerben wollte.
Verkäufer muss Schaden kostenfrei beseitigen
Als das Fahrzeug an seinem Wohnort angeliefert wurde, stellte sich heraus, dass sich in der Beifahrertür ein zwei bis drei Millimeter tiefer Kratzer und eine leichte Delle befand. Die Spedition hatte dies auch ordnungsgemäß im Auslieferungsprotokoll vermerkt und zudem den Hinweis aufgenommen, das Autohaus werde für die Kosten der Schadensbeseitigung aufkommen.
Der Käufer war jedoch nicht bereit, den Pkw in diesen Zustand abzunehmen. Dennoch stellte die Spedition den Wagen vor seiner Haustür ab. Noch am gleichen Tage forderte der Käufer das Autohaus telefonisch und per Telefax auf, den Schaden unverzüglich zu beseitigen. Erst danach werde er den Kaufpreis überweisen. Zudem ließ der Kunde einen Kostenvoranschlag zur Behebung des Schadens erstellen. Danach sollten die Reparaturkosten rund 500 Euro betragen. Das Autohaus erklärte sich jedoch nur bereit, höchstens 300 Euro zu zahlen, da der Schaden auch günstiger repariert werden könne.
Nachdem der Käufer das Autohaus durch einen Rechtsanwalt nochmals unter Fristsetzung aufgefordert hatte, den Schaden für ihn kostenfrei zu beseitigen, ließ die Verkäuferin das Fahrzeug durch eine Spedition wieder abholen und nahm die Reparaturarbeiten selbst vor. Diese lagen tatsächlich nur bei knapp 250 Euro. Nachdem der Wagen dann zum zweiten Mal beim Käufer angeliefert worden war - in der Zwischenzeit waren immerhin drei Monate vergangen - überwies der Käufer auch bereitwillig den gesamten Kaufpreis. Damit war für ihn die Sache erledigt, allerdings noch lange nicht für die Verkäuferin. Diese forderte nicht nur Verzugszinsen auf den Kaufpreis, sondern auch die Speditionskosten für die Rückholung und erneute Auslieferung des Pkw ein.
Zurückbehaltungsrecht als Druckmittel des Käufers
Schließlich landete die Angelegenheit vor dem Bundesgerichtshof, der sich erstmals mit der Frage zu beschäftigen hatte, ob auch bei geringfügigen Schäden ein Zurückbehaltungsrecht am vollen Kaufpreis besteht und die Abnahme eines solchen Pkw verweigert werden darf. Beides haben die Bundesrichter mit Ja beantwortet.
So ist ein Verkäufer verpflichtet, eine Sache frei von Rechts- und Sachmängeln zu liefern. Solange die Sache nicht mangelfrei ist, ist der Verkäufer dieser Verpflichtung auch noch nicht nachgekommen. Anders als bei einem Rücktritt vom Kaufvertrag, der bei Bagatellschaden in der Regel ausgeschlossen ist, gibt es eine solche Unterscheidung zwischen Erheblichkeit und Unerheblichkeit von Schäden nicht, wenn es um die Nacherfüllung geht. Der Käufer hatte im vorliegenden Fall von Anfang an Nacherfüllung durch Nachbesserung verlangt. Bis ein Verkäufer dieser gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, hat ein Käufer das Recht, den Kaufpreis zurückzubehalten - und zwar in voller Höhe.
Zur Begründung führten die Bundesrichter aus, dass gerade das Zurückbehaltungsrecht am Kaufpreis ein Druckmittel gegenüber dem Verkäufer darstellt. Da der Käufer deshalb zu Recht die Kaufpreiszahlung zunächst verweigert hatte, befand er sich auch nicht in Verzug. Ohne Verzug kann ein Verkäufer jedoch keine Verzugszinsen geltend machen.
Auch die weiteren Speditionskosten waren nicht vom Käufer zu tragen. So war er berechtigt, die Annahme der Kaufsache zu verweigern. Denn die Leistung war ihm nicht so angeboten worden, wie sie zu bewirken gewesen sei. Jeder Käufer hat bei einem Neufahrzeug einen Anspruch darauf, dass dieses unbeschädigt ist. Eine Erheblichkeitsschwelle kennt das Gesetz hierbei nicht. Die zusätzlichen Speditionskosten waren deshalb Verkäufer nicht zu tragen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2016 – VIII ZR 211/15).
Annahmeverweigerung gilt auch für Leasingfahrzeuge
Dieses Urteil ist im Übrigen auch auf Leasingfahrzeuge anwendbar. Eine Annahmeverweigerung wäre danach auch durch den Leasingnehmer statthaft, bis der Mangel behoben wäre.