Das Ziel der internationalen Automobilindustrie, bis etwa zum Jahr 2025 vollautomatisierte Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, lässt sich ohne massiven Ausbau aktiver und passiver Sicherheitstechnologien nicht verwirklichen. Die frühestmögliche Wahrnehmung unfallträchtiger Situationen durch entsprechende Sensorik und die dadurch ausgelöste Aktivierung des vorbeugenden Fahrer- und Insassenschutzes – zum Beispiel Straffung der Sicherheitsgurte – sind im autonomen Betriebsmodus noch weitaus wichtiger als im fahrgelenkten Auto.
„Die effektive Integration von Umfeldsensoren in das Fahrzeug wird in den kommenden Jahren für die Automobilindustrie Priorität haben“, stellt Marc Bolitho, Experte für passive Sicherheitselektronik beim Zulieferer ZF TRW, fest. „Um aktive Sicherheitsfunktionen wie die automatische Notbremsung serienmäßig einzuführen und automatisiertes Fahren voranzutreiben, muss die Verarbeitung der von Kamerasystemen und Radarsensoren gelieferten Daten weiterentwickelt werden.“
Für Fahrzeugentwickler stellt sich vor allem die Frage, wie sich die für automatisiertes Fahren erforderliche Elektronik mit solchen Daten kombinieren lässt.
Bei ZF TRW sieht man eine mögliche Lösung in einer neuen Generation von Airbag-Steuergeräten, die zugleich als Black Box für die Verarbeitung von Umgebungsdaten fungieren könnten. „Das Auto reagiert dann nicht erst nach einer Kollision, sondern kann bereits im Vorfeld antizipieren, was voraussichtlich passieren wird“, erläutert Bolitho. „Es wird dann z. B. die Gurtstraffer aktivieren, um die Insassen für den prognostizierten Aufprall in die optimale Position zu bringen, oder die Airbags ansteuern.“ Grundlage dafür ist die Datenaufzeichnung. Da bei einem Aufprall bereits bestimmte Informationen wie Geschwindigkeitsänderungen, Brems- und Airbagaktivitäten protokolliert werden, kann eine Ethernet-Verbindung die Bild- und Objektdaten aus der Precrash-Phase speichern. „Erkennt das System einen bevorstehenden Crash mit geringer Überdeckung oder einen schrägen Frontalaufprall, kann es die geeignete Reaktion auswählen und verschiedene Airbags zu unterschiedlichen Zeiten einsetzen. Die Umfeldsensoren helfen dem System dabei, die Art der erwarteten Kollision einzuschätzen“, so Bolitho.
Die mögliche Aufrüstung des Airbag-Steuergeräts zum Frühindikator für drohende Crashs lässt sich mit der Weiterentwicklung des Antiblockiersystems (ABS) vergleichen: In Kombination mit Antriebsschlupfregelung (ASR) und Giermomentregelung (GMR) entstand daraus die heute in allen Neuwagen obligatorische Fahrdynamikregelung ESP. Mit aktiven Sicherheitssystemen auf Basis von Kameras, Radar oder Lidar verhält es sich ähnlich. Da sich Umfeldsensoren und Steuergeräte nicht unbegrenzt erweitern lassen, könnte ihre Zusammenführung im Airbag-Steuergerät viele Probleme lösen, zumal es in geschützten Fahrzeugbereichen installiert ist.
von Hans W. Mayer
Foto: Claudia Becker