Foto: Foto: Claudia Becker
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Firmenwagenwissen

Gestensteuerung statt Display?

Untersuchungen zeigen: Ungefähr jeder zehnte Autounfall in Deutschland lässt sich auf Ablenkung des Fahrers zurückführen. Als Hauptursache sehen Experten die Bedienung von Displays – etwa von Smartphones, Infotainment-Systemen oder Navigationsgeräten.

Die Ergoneers GmbH – ein im Jahr 2005 als Spin-off des Lehrstuhls für Ergonomie der Technischen Universität München gegründetes Unternehmen – beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit diesem Thema. Unter Nutzung moderner Messtechnologien erforscht Ergoneers die Interaktion von Mensch und Maschine.

Auf der Basis von sogenannten Eye-Tracking-Versuchen stellten Forscher des Unternehmens beispielsweise fest, dass das Unfallrisiko um das 164-Fache ansteigt, wenn Autofahrer während der Fahrt zum Lesen oder Schreiben von Nachrichten auf das Display ihres Mobiltelefons blicken. Mit drei Kameras waren bei den Tests präzise sowohl Augen- bzw. Pupillenbewegungen als auch das Blickfeld von Displays betrachtenden Fahrern aufgenommen worden, um die fehlende Aufmerksamkeit für die Fahrsituation zu messen.

„Auch wenn man nur für ein paar Sekunden im Blindflug unterwegs ist, bleibt im Ernstfall keine Zeit mehr, um auf eine Gefahrensituation rechtzeitig reagieren zu können“, erklärt Dr. Martin Gründl, Verkehrspsychologe bei Ergoneers. Sein Fazit: „Das Eye-Tracking-Experiment verdeutlicht, wie riskant die Ablenkung durch Smartphones, aber auch andere Dinge wie das Bedienen von Infotainment-Systemen während der Fahrt ist.“

Vor diesem Hintergrund rücken für die Entwickler zukunftstauglicher und sicherer Pkw Herausforderungen rund um die Gestaltung optimaler Benutzerschnittstellen im Innenraum in den Blickpunkt.

Das Auto hat sich mittlerweile für seine Computerisierung zu einem komplexen „Human Maschine Interface“ (HMI) entwickelt, das laufend an Nutzerbedürfnisse anzupassen ist. Zahlreiche Fahrzeugentwickler und Designer kamen dafür in diesem Jahr auf Kongressen und Tagungen in Deutschland zusammen, um gemeinsam unter anderem über die ideale Gestaltung von Displays für Fahrer und Beifahrer zu diskutieren.

„Lass Dich bedienen“Ein von Golden Krishna (Designer bei Google und Bestsellerautor aus dem kalifornischen Berkeley) vorgeschlagenes Design-Grundprinzip lautet: „Lass Dich von Deinem Computer bedienen, statt Dich zu seinem Bediensteten degradieren zu lassen.“ Die Steuerung von Geräten soll den Bedürfnissen des Anwenders folgen und sich seinen Verhaltensweisen anpassen. Der Einsatz von Monitoren und ihrer Nutzeroberfläche soll unter dem Motto „Das beste Display ist kein Display!“ in den Hintergrund treten.

Dass dieses Prinzip der Steuerung ohne Nutzung eines Displays nicht ganz neu, aber insbesondere für den Automobilbereich zukunftsweisend ist, konnten aufmerksame Beobachter im März auf dem Genfer Autosalon feststellen. Denn hier präsentierte Delphi Automotive – einer der weltweit führenden Anbieter von elektronischen Architekturen und Unterhaltungselektronik im Fahrzeug – die innovative Gestensteuerung für den 5er BMW. Diese als Gesture Control bezeichnete Technologie ermöglicht es, einfache Fahrergesten zu interpretieren, um damit verschiedenste Funktionen etwa eines Infotainment-Systems zu steuern. Die Handzeichen, die der Autofahrer dabei nutzt, verlangen von ihm keine visuelle Aufmerksamkeit; er kann sich weiter aufs Fahren konzentrieren.

So kann sich der Autofahrer intuitiver „Gebärden“ durch die Playlist seiner Musik scrollen, in Navigationskarten zoomen und telefonieren, ohne auf das Display in der Mittelkonsole schauen oder es berühren zu müssen. Die Technik funktioniert auf Basis von Infrarot-LEDs, die den Bereich der Gestenerkennung für das menschliche Auge unsichtbar rechts neben dem Fahrer ausleuchten. Kamerasensoren registrieren die Handbewegungen anhand von dreidimensionalen Lichtreflexen, die von einer Computereinheit in der Mittelkonsole verarbeitet werden.

Weiteres PotenzialDas zur Steuerung von Gesture Control nutzbare und von Delphi vorbereitete Gestenrepertoire umfasst wesentlich mehr intuitive Gebärden als vom Automobilhersteller bisher genutzt. Das System hat offenbar noch einiges Potenzial mehr – sowohl für die Umsetzung des Ideals des möglichst sicheren Fahrens als auch für Konzepte displayloser Anwendungserlebnisse.

von Heinz W. Droste

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