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FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM DIESELFAHRVERBOT IN STÄDTEN

Dieselfahrverbote: Was Fuhrparkmanager jetzt wissen müssen

Kommunen dürfen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge verhängen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig sorgt für Verunsicherung – auch bei vielen Fuhrparkverantwortlichen.

In Stuttgart soll Winfried Hermann, Grünen-Verkehrsministers des Landes, konkrete Pläne bereits in der Schublade haben. Wie es heißt, will die Landesregierung von Baden-Württemberg von Januar 2019 an keine Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse 1 bis 4 mehr in die Innenstadt lassen. Selbst Euro-5-Modelle sollen von 2020 an betroffen sein. In Hamburg könnte das Urteil bereits in Kürze umgesetzt werden. Die Hansestadt sieht eine entsprechende Regelung allerdings lediglich für Teilbereiche von zwei Straßenzügen vor. Diskutiert wird bundesweit in vielen Städten und Landesregierungen, was das Urteil der Leipziger Richter für Folgen haben könnte und welche Konsequenzen zu ziehen sind. Die eigentlich Betroffenen aber sind die Autofahrer. Sie müssen derzeit mit der Unsicherheit leben, wie es mit den älteren Dieseln weitergeht, ob möglicherweise auch neue Selbstzünder betroffen sein könnten. Der Handel indessen spürt die Auswirkungen der Debatte schon seit geraumer Zeit. Bei Neuwagen wurden bereits 2017 im Vergleich zum Vorjahr 13,2 Prozent weniger Diesel zugelassen, bei den Gebrauchtwagen wurden laut Deutscher Automobil Treuhand (DAT) 2,7 Prozent weniger Diesel verkauft. Auch die Preise für Gebrauchtwagen fallen beim Diesel deutlich. Laut DAT waren drei Jahre alte Diesel-Pkw im Dezember 2017 noch 52,6 Prozent vom Listenpreis wert, Benziner kamen auf 57,2 Prozent. Bei den Benzinern ist das der identische Wert aus dem Dezember 2016, bei den Dieseln waren es im Vorjahr zwar 56 Prozent, 2015 aber ebenfalls schon einmal 52,6 Prozent. Das relativiert den Preisverfall zumindest ein wenig. Dennoch bezeichnet der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) selbst bei Euro 6-Dieseln die Situation als nicht rosig. In einer Umfrage sagten mehr als ein Drittel der befragten Händler, dass sich derzeit nur die neuesten Diesel der Abgasnormen Euro 6d und Euro 6d-Temp verkaufen ließen. Für die Flottenverantwortlichen stellt sich angesichts der Diskussionen um Fahrverbote für Diesel die Frage, wie die Auswirkungen auf den eigenen Fuhrpark sind, welche Möglichkeiten es gibt, darauf zu reagieren. bfp Fuhrpark & management versucht, einen Überblick über den aktuellen Stand zu geben und die eine oder andere sich stellende Frage zu beantworten.

Was sagt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig?

Fahrverbote für Dieselfahrzeuge sind möglich. Die Richter weisen jedoch darauf hin, dass der im EU-Recht verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss. Sie schlagen deshalb vor, eine stufenweise Einführung von Fahrverboten zu prüfen. In einer ersten Stufe könnten diese nur für ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Euro 4-Norm) gelten. „Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 (mithin also vier Jahre nach Einführung der Abgasnorm Euro 6) mit Verkehrsverboten belegt werden“, heißt es im Urteil. Darüber hinaus seien die Kommunen aufgefordert, Ausnahmeregelungen zu schaffen, etwa für Handwerker oder Anwohner. Da mit dem Leipziger Richterspruch die erstinstanzlichen Urteile aus Stuttgart und Düsseldorf rechtskräftig geworden sind, sind vorerst nur diese Behörden an das Urteil gebunden.

Wie lässt sich ein mögliches Fahrverbot umsetzen?

Der Verwaltungsaufwand wird angesichts von vielen Millionen betroffener Dieselfahrzeuge enorm sein. Eine Plakettenlösung wird diskutiert, stößt aber nicht überall auf Gegenliebe. Die neue Bundesregierung hat das Thema auf der Arbeitsliste. Die Polizei weist bereits auf die Schwierigkeiten und die Mehrbelastung aufgrund der dann notwendigen Kontrollen hin. Zudem sind entsprechende Beschilderungen notwendig. Bis deren Gestaltung und Beschriftung in den Gremien entschieden ist, die Verkehrszeichen gefertigt und aufgestellt sind, dürfte eine Menge Zeit verstreichen.

Was sagen Politiker zu den drohenden Fahrverboten?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht nach dem Leipziger Urteil lediglich begrenzte Folgen. Es gehe um einzelne Städte, in denen „noch mehr gehandelt werden“ müsse. „Aber es geht wirklich nicht um die gesamte Fläche und alle Autobesitzer in Deutschland.“ Armin Laschet, CDU-Ministerpräsident in NRW, spricht sich eindeutig gegen Fahrverbote aus. In NRW und auch in ganz Deutschland würden die Stickoxidwerte Jahr für Jahr zurückgehen. Vor dem Landtag in NRW machte er kürzlich unmissverständlich klar: „Angesichts der umfassenden Maßnahmen, angesichts der externen Faktoren wie Flughäfen, wie Schiffe, wie Industrieanlagen und angesichts der sinkenden Werte wären Fahrverbote unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.“ In Baden-Württemberg sieht das Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) komplett anders. Er will Diesel der Normen 1 bis 4 offenbar vom 1. Januar 2019 an aus dem ganzen Stuttgarter Stadtgebiet verbannen. Ab 2020 soll das Verbot auch für Euro-5-Selbstzünder gelten. Auch der Deutsche Landkreistag (DLT) lehnt jede Form von Fahrverboten ab. Es sei „mit erheblichen Auswirkungen auf Pendler und Firmen“ zu rechnen, die vom innerstädtischen Verkehr teilweise vollkommen ausgeschlossen wären.

Sollte es zu Verboten kommen, wird es Ausnahmen geben?

Auf alle Fälle. Rettungsdienste, Polizei, Feuerwehr, Hilfsorganisationen, Handwerker aber auch Post- und Paketdienste oder Taxis werden Ausnahmeregelungen bekommen, da nahezu in allen Bereichen des öffentlichen Verkehrs Dieselfahrzeuge unterwegs sind, die nicht der verlangten Abgasnorm entsprechen. Dazu kommen noch die Anwohner der betroffenen Zonen.

Lassen sich ältere Diesel auf Euro 6 oder Euro 6d umrüsten?

Generell ja. Es gibt Hardware-Lösungen. Der ADAC hat mit unterschiedlichen Prototypen von SCR-Systemen nachweisen, dass mit Hardware-Nachrüstungen an Euro-5-Dieselfahrzeugen innerorts bis zu 70 Prozent und außerorts sogar bis zu 90 Prozent weniger Schadstoffe ausgestoßen werden. Die nachträglich eingebauten Katalysatoren arbeiten im Prinzip mit der gleichen Harnstoff-Einspritzung wie die ab Werk verwendeten Systeme der Autohersteller. Die Kosten für die Nachrüstung beziffert der ADAC mit 1.400 bis 3.300 Euro. Dazu kommen finanziell gesehen ein um bis zu einem Viertelliter pro 100 Kilometer erhöhter Kraftstoffverbrauch sowie die Kosten für den Adblue-Harnstoff. Insgesamt würden die Betriebskosten eines Diesel-Pkw um 35 bis 58 Cent pro 100 Kilometer steigen. Nachrüstsysteme zur Reduzierung der NOx-Emissionen sind derzeit allerdings noch nicht auf dem Markt. Bei den vom ADAC getesteten Systemen handelt es sich um Prototypen einiger Nachrüster. Um eine serienmäßige Lösung anzubieten sind Anpassungen der Systeme an jedes spezielle Modell erforderlich. Auch eine Erprobung im Dauerbetrieb ist notwendig. Das ist technisch sehr aufwändig und vor allem wird dazu viel Zeit benötigt. Deshalb halten die Autohersteller derzeit nicht viel von dieser Möglichkeit.

Was ist der Unterschied zwischen Euro 6, Euro 6c, Euro 6d und Euro 6d-Temp?

Seit dem 1. September 2017 gelten schärfere Kriterien für die Abgasmessung. Statt im bisherigen NEFZ-Verfahren werden die Emissionen im WLTP- (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) und RDE-Zyklus (Real Driving Emissions) getestet. Die neue Norm Euro 6c gilt dabei für den WLTP-Zyklus, die Norm Euro 6d-Temp beziehungsweise 6d für den RDE-Zyklus. Die Grenzwerte der Euro-6-Norm bleiben jedoch gleich. Im Prüfstands-Messverfahren WLTP dürfen Benziner demzufolge den NOx-Grenzwert von 60 Milligramm pro Kilometer nicht überschreiten. In der Straßenmessung RDE sind es 126 Milligramm. Für Diesel gelten Grenzwerte von 80 und 168 Milligramm. Der Unterschied zwischen Euro 6d und 6d-Temp liegt in dem Faktor, um den die Messung im RDE-Verfahren von den Prüfstands-Ergebnissen abweichen darf. Bis Ende 2019 gilt die Euro-6d-Temp. Pkw dürfen bis dahin im Realbetrieb noch 110 Prozent mehr Stickoxide ausstoßen als im WLTP. Vom 1. Januar 2020 an dürfen es nur noch 50 Prozent mehr Abgase (Euro 6d) sein.

Lohnt es sich, den Kauffuhrpark auf Benziner umzurüsten?

Derzeit wohl kaum. Der Preisverfall bei gebrauchten Diesel-Pkw ist groß. Ein Verkauf wäre vermutlich ein erhebliches Verlustgeschäft. Und da das Thema Fahrverbote noch längst nicht entschieden ist, lohnt es sich wohl eher, abzuwarten. Und Vorsicht ist auch modernen Benzinern. Seit einiger Zeit werden Stimmen laut, die auf den hohen Partikelausstoß der Direkteinspritzer hinweisen. Da entsprechende Filter erst nach und nach in die Serie Einzug halten, könnte nach der Aufregung um die Diesel eine Diskussion um die Benziner beginnen. Die Deutsche Umwelthilfe wird es sich kaum entgehen lassen, erneut ins Rampenlicht zu treten.

Wie wirkt sich der Diesel-Preisverfall auf aktuelle Leasingverträge aus?

Hier kommt es ganz darauf an, welches Leasingmodell gewählt worden ist. Beim Restwertmodell ist die Berechnung bis zum Vertragsende noch offen. Zwischen Leasinggesellschaft und Fuhrpark-Betreiber wird eine Leasingdauer in Monaten und ein Restwert vereinbart. Stimmt dieser kalkulierte Restwert aber nicht mit dem tatsächlichen Restwert auf dem Gebrauchtwagenmarkt überein- wie derzeit vermutlich bei Dieselfahrzeugen - muss der Leasingnehmer nach den Vertragsbedingungen die Differenz an den Leasinggeber ausgleichen. Nach Ablauf des Vertrags bestimmt die Leasinggesellschaft den Restwert des Fahrzeugs aus dem Fuhrpark.

Als Alternative gibt es den Kilometervertrag. Bei dem wird außer der Leasingdauer eine Gesamtkilometerleistung vereinbart. Liegt die tatsächliche Kilometerleistung des Fahrzeugs nach Ablauf der zeitlichen Frist höher, muss der Fuhrpark-Betreiber draufzahlen. Regelungen über einen möglichen Mindererlös der zurückgegebenen Fahrzeuge sollten in den jeweiligen Verträgen festgeschrieben sein. (Wolfgang Schäffer)

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