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Firmenwagenwissen

So zuverlässig muss ein Assistenzsystem sein

Hierüber hat das Amtsgericht Dortmund im Sommer vergangenen Jahres zu entscheiden. Der Käufer einer Mercedes-Benz E 220d Limousine hatte immerhin über 58.000 Euro für das Fahrzeug bezahlt. Dieses war mit dem Assistenzsystem Drive-Pilot ausgestattet, das laut Rechnung mit 1.900 Euro zzgl. MwSt. zu Buche schlug.

Mercedes-Assistenzsystem mit vielen Fahrfunktionen

Nach Herstellerangaben handelt es sich dabei um einen sogenannten Lenkpiloten mit aktiven Spurwechselassistenten, einer erweiterten Toleranz bei Hands-off-Warnung und aktivem Nothaltassistenten, einem Abstandspiloten mit erweitertem automatischen Wiederanfahren im Stau, aktivem Bremsassistenten mit Kreuzungsfunktion und Stauende-Notbremsfunktion. Unter anderem verfügte der Pkw auch über einen Ausweich-Lenk-Assistenten sowie Verkehrsschilderkennung. Der Kläger behauptete nun, das Fahrzeug habe bei eingeschaltetem Fahrassistenzsystem in bestimmten Situationen plötzlich und unerwartet beschleunigt, ohne dass eine Änderung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Straße angezeigt worden wäre. Zudem sei es zu einer plötzlichen Abbremsung auf der Autobahn gekommen. Gerade im Baustellenbereich oder bei Ortseingangsschildern habe sich das Fahrzeug anders verhalten, als es die Verkehrsschilder vorgeben.

Kläger wollte Minderung des Kaufpreises, Gericht lehnt ab

Der enttäuschte Käufer verlangte wegen des nicht ordnungsgemäßen Funktionieren des Systems als Sachmangel eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von 3.500 Euro. Bei den Angaben des Herstellers zu dem Fahrassistenzsystem in der Betriebsanleitung handle es sich zudem um "öffentliche Äußerungen" im Sinne einer vereinbarten Beschaffenheit. Da diese Beschaffenheit nicht gegeben sei, liege auch deshalb ein Sachmangel vor, der zur Minderung berechtige. Dieser Rechtsauffassung folgte das Gericht nicht. Während des Verfahrens war zunächst ein Sachverständiger beauftragt worden zu der Frage, ob das Assistenzsystem nur im Fahrzeug des Klägers mangelhaft funktioniere oder generell ungeeignet für die Nutzung im Straßenverkehr sei. Da im Kaufvertrag nichts besonderes vereinbart war, kam es nur darauf an, ob das System für eine gewöhnliche Verwendung geeignet sei.

Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers ist entscheidend

Dabei muss immer auf den Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers abgestellt werden. Ob etwas funktionstauglich ist, richtet sich bei teschnischen Systemen danach, was der Stand der Technik ist. Bei einem Neuwagen ist dies immer der neueste Stand für die jeweilige Fahrzeugklasse. Bei dem streitgegenständlichen Fahrassistenten handelte es sich um ein dem §1b Abs. 2 Ziff. 2 StVG entsprechendes System. Diese Vorschrift legt die Rechte und Pflichten des Fahrzeugführers bei Nutzung hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen fest. Danach darf der Fahrzeugführer sich während der Fahrzeugführung mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden. Dabei muss er jedoch derart warnehmungsbereit bleiben, dass er seiner Pflicht nach Absatz 2 jederzeit nachkommen kann. Absatz 2 besagt, dass der Fahrzeugführer verpflichtet ist, die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen, wenn das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert oder wenn er erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung, der hoch- oder vollautomatsierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen.

Mit erhöhter Fehleranfälligkeit muss gerechnet werden

Auch, so das Gericht, muss bei solchen hochkomplexen Systemen mit einer erhöhten Fehleranfälligkeit gerechnet werden. Ein Käufer dürfe dabei nur eine sogenannte Basissicherheit erwarten, also dass sich das System innerhalb der Straßenverkehrsordnung verhält. Ein Mangel würde danach erst vorliegen, wenn der Assistent eine Geschwindigkeit erreicht, die über die auf der Straße geltende Geschwindigkeitsbegrenzung hinausgeht. Dass ein Fahrzeug selbst abbremse oder bis zur Höhe des Erlaubten beschleunige, sei dagegen nicht zu beanstanden. Der Sachverständige habe gerade nicht feststellen können, dass das Fahrzeug Fahrmanöver durchführe, die von den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht gedeckt seien.

Autofahrer müssen im Zweifel selbst eingreifen können

Nach dem Urteil darf beim heutigen Stand der Technik ein Durchschnittskäufer eben nicht davon ausgehen, dass Fahrassistenzsysteme alle Verkehrssituationen beherrschen und sich so vorausschauend verhalten wie ein menschlicher Fahrer (Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 7.8.2018, Az. 425 C 9453/17). Jeder Autofahrer ist daher gut beraten, sich nicht ausschließlich auf solche Systeme zu verlassen, sondern jederzeit auch selbst den Verkehrsfluss zu beobachten. Denn im Zweifel muss die Steuerung sofort wieder übernommen werden können. Die Bearbeitung von E-Mails und Ähnliches während der Fahrt bleibt also weiterhin ein Wunschtraum.

von Dr. Katja Löhr-Müller

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