Von Dennis Gauert
Wer dem Selbstzünder seine Rolle als Ruß-spuckendes Ungetüm nehmen will, greift heute zum Euro-6d-Temp- oder Euro-6d-Diesel. Allerdings: Die geforderte aufwändige Abgasreinigung hat bei der Wartung ihren Preis. 1995 noch war in einem Turbodiesel nur ein einfacher Kat installiert, der frühestens nach zehn Jahren den Dienst quittierte und ohnehin nicht einmal 1.000 D-Mark kostete. Heute fliegt der Dieselruß durch einen Parcours aus SCR-Katalysator, Dieselpartikelfilter und eine Reihe von Sensoren. Defekte gehen also schwer ins Geld.
Finanzielle Belastung vor allem für Kauffuhrparks
Hand aufs Herz: Fuhrparkfahrzeuge bleiben selten länger als vier Jahre im Pool. Defekte, die in dieser Zeit auftauchen, sind meist durch verlängerte Garantien oder, im Fall von BMW – eine Gewährleistung – theoretisch abgedeckt. Auch Full-Service-Leasingverträge können Verschleißreparaturen abdecken. Mit den Kosten für Defekte ist das Unternehmen also in vielen Fällen nicht konfrontiert, im Fall der Fälle jedoch mit der Reparaturlogistik. Anders sieht es für Käufer dieser Fahrzeuge aus. Auf die wartet nicht selten ein kleiner Gau im Abgasstrang.
Unsere Recherchen zu verschiedenen Fuhrparklieblingen wie dem BMW 3er, dem Ford Focus Turnier, der Mercedes-Benz C-Klasse und dem VW Golf 8 zeigen hohe Zahlen auf dem Blatt, wenn es um Defekte an den genannten Diesel-Bauteilen und – vor allem – an der empfindlichen Sensorik geht. Allein der häufig defekte NOx-Sensor schlägt bei den genannten Fahrzeugen mit etwa 200 bis 450 Euro zu Buche (alle Preise netto zzgl. USt.). Nicht selten quittiert er in einem Autoleben mehrmals den Dienst. Was passiert, wenn ein Dieselpartikelfilter nicht mehr zu retten ist, geht finanziell in die Tausende.
Richtig fahren hilft schon
Der Schlüssel zur Verhinderung vieler Probleme mit moderner Dieselabgastechnik ist unter anderem der Fahrstil. Wer seinen Diesel nur auf Kurzstrecken und Landstraßen bewegt, wird früher oder später mit Problemen zu kämpfen haben. Denn Partikelfilter regenerieren nur, wenn sie bei höheren Geschwindigkeiten über die Autobahn gefahren werden. Wer dieses Nutzungsprofil nicht erfüllt, stellt sich mit dem sauberen Diesel selbst ein Bein – denn irgendwann sitzt der Dieselpartikelfilter so zu, dass die Sensorik nicht mehr richtig arbeiten kann. Das bedeutet einen Zwischenstopp in der Werkstatt.
In der Regel wird bei Vertragswerkstätten ein Tausch des Dieselpartikelfilters vorgeschlagen. Die Sensorik wird normalerweise gleich mit getauscht und es kommen Arbeitskosten hinzu. Beim Golf 8 TDI beispielsweise kostet nur die Einheit aus Kat und Dieselpartikelfilter bereits 1.592 Euro. Mercedes-Benz lässt sich Kat und Dieselpartikelfilter (getrennt) beim C220d mit gut 2.268 Euro vergolden, sofern beide Teile defekt sind. Wer gänzlich in Ohnmacht fallen will, tauscht bei BMW aus: Der reine Partikelfilter für den 320d Touring (G21) liegt bei 1.780 Euro inklusive Pfand, der SCR-Kat bei 1.386 Euro inklusive Pfand.
Alternative zum Filtertausch: spülen
Eine Alternative, die bei verstopften Dieselpartikelfiltern zur Lösung des Problems in Frage kommt, ist das Spülen. Die reinen Kosten dafür belaufen sich bei Spezialisten auf etwa 200 Euro. Doch auch hier kommen Aus- und Einbaukosten sowie bedarfsweise neue Sensoren hinzu. Dass dieser Ablauf für Vertragswerkstätten eher unüblich ist, versteht sich von selbst – auch deshalb, weil er mehr Zeit kostet und das Spülen nicht immer zum gewünschten Erfolg führt. Meisterwerkstätten ohne Markenbindung sind hier meist geduldiger und kostenbewusster.
Ist der neue Diesel schlecht?
Kurz: Nein. Die Dieselmotoren sind weiter erste Wahl für Vielfahrer und schaffen auch heute im Durchschnitt höhere Laufleistungen als Otto-Motoren. Auch die Kraftstoffersparnis ist durch den hohen Wirkungsgrad, moderne Hochdruckpumpen und Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie (heute sogar elektronisch gesteuert) erheblich. Selten hört man bei einem modernen Vierzylinder-Diesel von mehr als sechs Litern Praxisverbrauch. Auch die Steuern sind bei einem Euro-6d-Temp-Diesel derzeit noch kommod. Der Werterhalt allerdings dürfte bei Kenntnis der Abgasreinigungsproblematik vom Gebrauchtwagenkunden vermehrt in Frage gestellt werden.
Meilenweit entfernt sind die modernen Diesel jedenfalls von der Sorglosigkeit eines klassischen 200-D-Motors von Mercedes-Benz Anfang der 90er-Jahre. Diese Vorkammerdiesel ohne Turboaufladung waren für bis zu einer Million Kilometer Fahrleistung zu gebrauchen und förderten dabei so gut wie keine Defekte zutage. Dass im Heckfenster nicht selten der Hintermann vernebelt wurde, gehörte damals noch zum Programm. Nachhaltigkeit ist eben ein Thema, das aus jeder Perspektive etwas anders wirkt.