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Foto: Kroschke
„Ich finde, dass durch Corona eher ein Druck auf die Branche entstanden ist, der ein notwendiges Handeln unabdingbar gemacht hat. Nach dem Motto: Wenn ich jetzt nicht handele, bin ich morgen vielleicht nicht mehr da“, meint Philipp Kroschke, Sprecher der Geschäftsführung der Kroschke Gruppe.

Interview

Wir wollen das Paypal der Mobilität sein.

Philipp Kroschke, Sprecher der Geschäftsführung der Kroschke Gruppe, spricht im Interview mit bfp FUHRPARK & MANAGEMENT über auslaufende Geschäftsmodelle, Digitalisierung des Fuhrparks und ein neues Verhalten beim Bezug von Mobilität.

bfp: Die Corona Pandemie hat viele Prozesse und Arbeitsabläufe im Fuhrparkmanagement, bei Dienstleistern, im Handel und bei Herstellern beeinflusst und teilweise sogar zum Erliegen gebracht. Welche Erkenntnis haben Sie aus 2020 gewonnen?

Philipp Kroschke: Wir haben einige Erkenntnisse aus dem vergangenen Jahr gewinnen können. Für uns als Unternehmen war eine wichtige Erkenntnis, dass manche Prozesse hätten weiterlaufen können, wären sie schon digitalisiert gewesen. Denn digital bedeutet kontaktlos. Also haben wir uns die Frage gestellt: An welchen Stellen können wir, als Kroschke Gruppe, kontaktlose Prozesse für uns und unsere Kunden darstellen? Digitalisiert muss aber nicht immer gleich digital heißen. Wir haben zum Beispiel mit Autohäusern, unseren Kunden und den Zulassungsstellen kontaktlose Annahme-, Abhol- und Übergabemöglichkeiten geschaffen. Dadurch konnten oftmals klassische Prozesse weiterlaufen. Meine persönliche Erkenntnis als Unternehmer war, dass man schon pfiffig sein muss. Und wenn man sich auf entsprechende Situationen einstellt, hier und da mal um die Ecke denkt, dann ist auch ganz viel möglich.

bfp: Die Pandemie sei ein Brennglas, das Schwachstellen in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt deutlich macht, heißt es. Ist die Gesamtsituation in der Fuhrparkbranche auch eine Chance, um Digitalisierungsprozesse noch schneller voranzutreiben?

Philipp Kroschke: Ich sehe es für die Branche nicht als Chance, sondern als eine Notwendigkeit, Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren. Und es gibt viele, die dies auch schon vor Corona erkannt haben. Denn eine Chance ergreift man auch ohne einen äußeren Anlass. Ich finde, dass durch Corona eher ein Druck auf die Branche entstanden ist, der ein notwendiges Handeln unabdingbar gemacht hat. Nach dem Motto: Wenn ich jetzt nicht handele, bin ich morgen vielleicht nicht mehr da. Corona hat, wie Sie sagen, die Schwachstellen sichtbar gemacht und mit einem dicken Edding unterstrichen.

bfp: Also ist die Digitalisierung auch eine Reaktion auf das Konsumverhalten der Menschen?

Philipp Kroschke: Ja, denn unabhängig von einer Pandemie, bei der kontaktlose Prozesse elementar sind, um vieles aufrecht zu erhalten, zeigt sich, dass immer mehr Nutzer schlanke und einfache digitale Prozesse wollen und auch erwarten. Aus der Branche selbst kommt dieser Ansatz allerdings nicht von selbst. Sie ist eher getriggert durch andere Lebensbereiche, in denen vieles amazonisiert ist. Mittlerweile ist es sehr einfach, Dinge mit nur einem Klick zu kaufen, die früher für viele eine größere Investition darstellte, die im Vorfeld reiflich überlegt wurde und viel Zeit und Beratung im Geschäft vor Ort in Anspruch nahm. Jetzt kauft man sich einen großen Fernseher mit nur einem Klick bei Amazon, ohne das Sofa zu verlassen. Und wenn er nicht gefällt, schickt man ihn einfach wieder zurück. Diese Einstellung der Konsumenten wird sich auch auf den Bezug von Mobilität übertragen.

bfp: E-Government, also die Digitalisierung von Bürger- und Verwaltungsdienstleitungen der Behörden, ist seit Jahren ein Buzzword. Ein Leuchtturmprojekt in diesem Bereich war das vom Bundeverkehrsministerium unterstützte Projekt internetbasierte Fahrzeugzulassung, kurz i-Kfz. Was ist hier der aktuelle Stand?

Philipp Kroschke: Die internetbasierte Fahrzeugzulassung des Bundes wird Schritt für Schritt umgesetzt. Nach der Einführung der elektronischen Fahrzeugabmeldung, der so genannten Stufe eins im Jahr 2015, folgte 2017 die Stufe zwei, die elektronische Wiederzulassung. Nun ist es seit 2019 möglich, Fahrzeuge auf digitalem Wege zuzulassen. Der aktuelle Stand ist also Stufe drei. Laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sind allerdings erst rund 60 Prozent der Zulassungsstellen in Deutschland technisch in der Lage, Stufe drei umzusetzen und anzubieten.

bfp: Und wie wird dieses Angebot von den Kunden genutzt?

Philipp Kroschke: Tatsächlich ist die Nutzung eher gering, weil die Einstiegshürden für viele noch zu hoch erscheinen. Wer keinen neuen Personalausweis mit frei geschalteter Internetfunktion, kein Lesegerät oder kein Smartphone mit entsprechender App hat, kann diesen digitalen Service nicht nutzen. Außerdem ist die Stufe drei aktuell nur für Privatpersonen freigeschaltet. Für gewerbliche Kunden müssen spezielle Nutzerkonten angelegt werden. Dazu gibt es verschiedene Pilotprojekte, die gerade erprobt werden. Die Erfahrungen daraus fließen dann in die Umsetzung der Stufe 4. Und einen finalen Termin für den Start der Stufe vier gibt es aktuell noch nicht. Ursprünglich war der Rollout für Stufe vier für 2021 geplant. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur möchte aber erst die Stufe drei in allen Zulassungsstellen in Deutschland anbieten können.

bfp: Wie passt die von Ihnen angebotene Car Trust-Lösung in das Projekt i-Kfz?

Philipp Kroschke: Man könnte es mit einem Haus vergleichen. I-Kfz ist das Gebäude und Car Trust ist die Auffahrt zum Gebäude, die wir ausbauen. Car Trust ist ein Antragsverfahren, wo wir bestehende analoge Vorprozesse digitalisieren. Wir stellen das so genannte Verfügungsrecht digital dar. Das Verfügungsrecht wird aktuell mit dem Fahrzeugbrief auf Papier im Zulassungsverfahren dargestellt. Dieser Medienbruch behindert ein volldigitales Zulassungswesen. Bei Car Trust wird der Fahrzeugbrief zusätzlich digitalisiert und in einer Blockchain abgelegt. Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie kann das Eigentum an einem Fahrzeug erstmalig digital bestätigt, übertragen und zur jeder Zeit digital abgerufen werden.  Wir testen dieses Verfahren und die dazugehörigen Prozesse aktuell in Hamm in einem offiziellen Pilotprojekt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.

bfp: Ändern Sie damit das Zulassungswesen?

Philipp Kroschke: Nein, wir ändern nicht das Zulassungswesen. I-Kfz bleibt das eigentliche Zulassungsverfahren. Wir digitalisieren die Vorprozesse.

bfp: Aber Sie entwickeln ein neues Geschäftsfeld?

Philipp Kroschke: Aktuell lagern 1,3 Millionen Fahrzeugdokumente bei uns. Wir sind jetzt schon ein Trustcenter für die Fahrzeugidentitäten. Aber es ist nicht nur ein Geschäftsfeld, sondern auch ein Testfeld mit Forschungs- und Entwicklungsabteilung für uns. Es zeigt uns, wie wir unsere weiteren Systeme auf ein digitales Zulassungswesen einstellen müssen. Wir wollen nicht warten, bis die Bundesregierung uns erklärt, wie so etwas geht, da testen wir jetzt schon mal selber und lernen daraus. Bislang haben wir auch Bausteine wie „on“, dem Nachfolger von  „Kroschke on“ dem Beauftragungsportal für den Autohandel und das Produkt „Ready to drive“, einem B2B2C-Baustein entwickelt. Wir bauen diese digitalen Bausteine in die digitalen Vertriebsprozesse, wie Leasing und Verkauf von Fahrzeugen ein. Unser Ziel ist es, fertige digitale Verkaufsprozesse für Leasinganbieter und Autohersteller anzubieten.

bfp: Das heißt, dass die in Car Trust geschaffene digitale Identität des Fahrzeugs von jedem Mobilitätsanbieter verwendet werden kann, der fahrzeugrelevante Nachweise für seine Anwendung digital benötigt.

Philipp Kroschke: Ja, theoretisch schon. Das begrenzt sich dann nicht nur auf die Fahrzeugidentität, sondern erweitert sich auch auf die Personenidentität. Damit können Strafzettel, Parkraumkosten oder Mieten digital und spezifisch abgerechnet werden. Doch tatsächlich konzentriere ich mich auf das Thema Zulassung. Natürlich ist ein digitales Zulassungswesen das Ende unseres alten Geschäftsmodells. Wir betreiben an den Zulassungsstellen unsere 400 Autoschilder-Büdchen und mit 60 Zulassungsdiensten machen wir die Zulassungen für Autohäuser. Bei einem volldigitalen Zulassungswesen ist das Kennzeichen bereist digital am Auto ab Werk. Und wenn das nicht der Fall ist, wird es dem Nutzer zugeschickt. Es braucht keine Menschen mehr und ist effizienter. Ich habe mir das in Estland angeschaut, wo bereits viele Verwaltungsgänge digital mit dem Smartphone von den Bürgern und Behörden abgewickelt werden können.

bfp: Sie haben es bereits angedeutet, dass mit der Digitalisierung auch Ihr altes Geschäftsmodell verschwinden wird. Welche Rolle spielt die Kroschke Gruppe in der Zukunft?

Philipp Kroschke: Perspektivisch wird es eine Zentralisierung der Zulassungsstellen geben, die lokalen Stellen wird es nicht mehr geben. Es werden einige Bereiche und Tätigkeiten durch die Digitalisierung wegfallen, aber es wird auch neue geben. Mir ist davor nicht graus. Wir sehen uns in Zukunft als integraler Bestandteil des digitalen Fahrzeugverkaufs und von Bezugsprozessen. Wir wollen das Paypal der Mobilität sein. Für uns ist klar, wenn Fahrzeuge verkauft oder vermarktet werden, wenn Mobilität irgendwo angeboten wird, dann wird es auch Zulassungsprozesse geben. Wir wollen der digitale Baustein sein, der immer in diesen Prozessen drin ist, ob das von der Leasinggesellschaft ist oder der Autohändler oder das B2B2C Geschäft ist, von Gebrauchtwagenbörsen, die volldigitalen Prozess anbieten. Da ist die Zielsetzung. Und da konzentrieren wir uns drauf. Und da ist Car Trust natürlich ein wichtiges Thema, weil es zur Volldigitalisierung des Zulassungswesens beiträgt.

bfp: Wie wird sich das Management von Fuhrparks in nächster Zeit ändern?

Philipp Kroschke: Mit der Digitalisierung von Prozessen wird sich auch das Fuhrparkmanagement verändern. Auch hier wird das Ein- und Aussteuern von Fahrzeugen, speziell die Zulassung und Abmeldung durch die Digitalisierung der Prozesse, die Verwaltung vereinfachen. Mit der gewonnenen Flexibilität können sich Fuhrparks mit betrieblichen Mobilitätsangeboten breiter aufstellen. So lassen sich für Hochphasen bestimmte Fahrzeuge zeitlich begrenzt schnell ergänzen. Lange Finanzierungslaufzeiten fallen weg und es entstehen schlankere und transparentere Prozesse. Die Digitalisierung ermöglicht auch mehr Transparenz. Der Fuhrparkmanager weiß zum Beispiel, in welchem Zustand seine Fahrzeuge sind und hat immer schnellen Einblick auf die Fahrzeughistorie inklusive Gutachten. Weniger Formulare und Unterschriften, mehr Flexibilität bei der Mobilitätswahl, das wird das Fuhrparkmanagement erleichtern und die Nutzer glücklicher machen. Hier kann ich aus eigener Erfahrung mit unserem Fuhrpark sprechen. Wir erweitern und testen unser Mobilitätsangebot mit den neuen, digital getriebenen Angeboten, wie Abo-Modelle. Für bestimmte Mitarbeiter und für uns als Arbeitgeber ermöglichen sie Flexibilität. Lange starre Leasinglaufzeiten können damit umgangen werden. 

bfp: Herr Kroschke, danke für das Gespräch.

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