Die EU plant ab 2035 ein Verbot des Verbrennungsmotors. Dann sollen auf dem Gebiet der 27 Mitgliedsstaaten keine CO2-emittierenden Neuwagen mit Diesel-, Benzin- oder Hybridantrieb mehr verkauft werden dürfen, wie sich aus dem nun vorgestellten Zukunftsprogramm „Fit for 55“ ergibt.
Kaum Widerstand aus der Automobilbranche
Anders als sonst in solchen Fällen üblich dürfte der Verbots-Vorschlag der Politik diesmal nicht für große Widerstände unter den Autoherstellern sorgen. Viele von ihnen hatten nämlich in den vergangenen Monaten bereits selbst den Abschied vom Verbrennungsmotor angekündigt. Volkswagen nennt 2035 als spätestes Ausstiegs-Datum, Fiat sowie Ford wollen spätestens 2030 so weit sein und auch Daimler plant offenbar, die ursprünglich auf 2039 gesetzte Deadline vorzuziehen. Opel hat gerade erst angekündigt, schon 2028 zur reinen E-Marke werden zu wollen. Die Liste ließe sich fortsetzen; auch bei Volvo, Jaguar und Mini steht schon offiziell ein Verfallsdatum auf den Verbrennern.
Widerstand kommt von den Verbänden ZDK und BVF
Für den Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) hingegen ist der Schritt der EU der falsche Weg. „Wer sich einseitig auf die Elektromobilität festlegt, vergibt die große Chance, auf Basis klimaneutral betriebener Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sehr schnell und nachhaltig zum Erreichen der Klimaziele beizutragen“, so ZDK-Präsident Jürgen Karpinski.
Der Bundesverband Fuhrparkmanagement sieht die Fakten in Bezug auf Nachhaltigkeit und Praxistauglichkeit der unterschiedlichen Antriebsarten nicht berücksichtig. „Sinnvolle Übergangstechnologien wie CNG werden ignoriert. Der durchaus sinnvolle Einsatz von E-Fuels wird scheinbar nicht berücksichtigt. Mit E-Fuels lassen sich immerhin 70-80 Prozent des CO2-Ausstoßes reduzieren“, so der Geschäftsführer des Verbandes, Axel Schäfer auf Anfrage von bfp.
Auch beim Strombedarf, den eine E-Flotte benötigt und den Einsatzszenarien im Fuhrparkalltag sieht Schäfer Probleme: „Aktuell wurde bekannt, dass der Strombedarf in den nächsten Jahren in Deutschland deutlich mehr steigt als geplant. Es ist also auch fraglich, ob ein entsprechend hoher Anteil Strom klimaneutral produziert werden kann. Die Frage ob für alle Bedarfe geeignete Fahrzeuge verfügbar sind, bleibt auch noch unbeantwortet.“ Der Politik wirft Schäfer vor, keinen Masterplan zu haben und „unverantwortlich im Hinblick auf gesellschaftliche und marktwirtschaftliche Gesamtzusammenhänge, zu handeln.“
Verbot für Diesel- und Benzin-Motoren gilt nur für Europa
Die Ankündigungen des Verbrenner-Verbots gelten allerdings in der Regel nur für Europa. In anderen Teilen der Welt planen vor allem die Volumenhersteller weiterhin mit Verbrennungsmotor-Pkw. Zum einen, weil die Ladeinfrastruktur vielerorts fehlt. Aber auch, weil die Produktionskapazitäten für Elektroautos beziehungsweise Batterien tendenziell knapp sind. Einer Greenpeace-Studie zufolge fehlen allein Volkswagen 2030 bis zu 2,7 Millionen Autos, um die weltweite E-Mobil-Nachfrage zu decken. Die Umweltschützer kritisieren in diesem Zusammenhang das Festhalten des Konzerns an seinen Verbrennungsmotoren. Selbst für die Norddeutschen, die den E-Umbau im Branchenvergleich besonders ehrgeizig vorantreiben, dürfte das allerdings alternativlos sein. Bei anderen Herstellern könnte die Nachschub-Situation sogar noch schlechter ausschauen.
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Herausforderung für ärmere EU-Staaten
Aber auch in Europa selbst ist das Verbrenner-Verbot eine Herausforderung. Während das Elektroauto in den reichen Ländern immer höhere Marktanteile erobert, spielt es in den ärmeren EU-Staaten kaum eine Rolle, wie sich aus Daten des Herstellerverbands ACEA ergibt. Demnach werden 73 Prozent aller neuen E-Autos in den vier Staaten Schweden, Niederland, Finnland und Dänemark verkauft – alles Länder mit einem Bruttoinlandsprodukt oberhalb von 46.000 Euro pro Kopf. Allerdings dürften die Kosten für Elektromobile in den kommenden Jahren sinken, schon Mitte des Jahrzehnts könnten sie nach Experten-Einschätzung auf dem Niveau von Verbrennern liegen. Der Kostenvorteil im Betrieb wird sich darüber hinaus perspektivisch permanent vergrößern. Kraftstoffpreise und CO2-Steuern werden den Betrieb von Autos mit Verbrennungsmotor möglicherweise schneller unwirtschaftlich machen als ein staatliches Verbot greifen würde.
Problem: Lade-Infrastruktur
Noch fehlt es in weiten Teilen Europas allerdings an der passenden Lade-Infrastruktur. Die fünf EU-Länder mit der geringsten Fahrzeugquote verfügen jeweils nur über rund 1 Prozent der Ladesäulen auf dem Kontinent. Zudem ist der aktuelle Strommix vielerorts nicht geeignet, E-Autos besonders klimafreundlich zu betreiben.
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Umweltschützern gehen Pläne nicht weit genug
So groß die Schwierigkeiten auch sind: Einigen Experten und Umweltschützern gehen die Pläne der EU nicht schnell genug. Denn auch nach dem Zulassungs-Verbot fahren noch Millionen Diesel und Benziner für viele Jahre weiter auf Europas Straßen. Wissenschaftler der schwedischen Chalmers Universität haben zuletzt vorgeschlagen, das Verbrenner-Verbot in ihrem Land von 2030 auf 2025 vorzuziehen, um diesem Flotten-Effekt entgegenzuwirken. Nur so ließe sich Klimaneutralität wie dort geplant bis 2045 erreichen, denn ein Verbrenner-Verbot entfalte seine volle Wirkung erst nach 20 Jahren. Die EU will 2050 auf eine Netto-Null beim CO2-Ausstoß kommen.
Symbolische Funktion
Nicht zuletzt hat ein frühzeitig avisiertes Verbrenner-Verbot allerdings auch eine symbolische Funktion. So würden wohl viele Verbraucher alleine durch die Ankündigung den Umstieg auf das Elektroauto früher in Erwägung ziehen, um einen Wertverlust ihrer alten Pkws mit Verbrennungsmotor auf dem Gebrauchtwagenmarkt zuvorzukommen. Der Kauf eines nicht-elektrischen Neuwagens wäre nicht erst zum Verbots-Stichtag zunehmend unattraktiv, was den Übergang zur E-Mobilität beschleunigen könnte.
(CNV/SP-X)