Zu geringe Reichweiten und die bislang mangelhafte Ladeinfrastruktur zählen für viele Fuhrparkmanager zu den wesentlichen Argumenten gegen den Einsatz von Elektroautos. Und wenn auch Elektroautos demnächst dem strengen WLTP-Fahrzyklus zur Verbrauchsmessung unterzogen werden, dürften die Reichweiten-Nachteile noch deutlicher zu Tage treten. An den realen Reichweiten der Stromer ändert sich damit zwar nichts, doch die Angaben in den Broschüren und Prospekten der Hersteller werden weit weniger optimistisch ausfallen und die Differenzen zu Fahrzeugen mit konventionellen Antrieb – insbesondere gegenüber Dieselmotoren – deutlich größer ausfallen.
Auf Langstrecke weniger, in der Stadt mehr Reichweite
Denn mit höheren Geschwindigkeiten und weniger Stillstand soll das neue internationale Verfahren helfen, realistischere Verbräuche – und somit auch Reichweiten – zu ermitteln als der alte NEFZ-Zyklus. Als eines der ersten E-Autos hat Nissan nun für den Leaf die neue WLTP-Reichweite veröffentlicht: Wurde diese nach NEFZ für den Vorgänger mit 40-kWh-Batterie noch mit 389 Kilometer beziffert, schafft der neue Leaf gemäß WLTP-Praxis-Messung nur noch 285 Kilometer. Immerhin: Im Stadtverkehr sollen es bis zu 415 Kilometer sein, häufigerem Rekuperieren sein Dank.
Opel gibt für den Ampera-e eine kumulierte WLTP-Reichweite von 380 Kilometern an, statt der zuvor nach NEFZ ermittelten 520 Kilometer. Allerdings handelt es sich dabei nur um einen, auf Grundlage des neuen Messzyklus geschätzten Wert. Der neue, vollelektrische Hyundai Kona, den die Koreaner Anfang März auf dem Genfer Autosalon präsentieren werden, soll eine WLTP-Reichweite von 470 Kilometer bieten. Damit liegt der Wert rund 100 Kilometer unter der Reichweite nach NEFZ-Messung.
Neuer Messzyklus für realistischere Verbrauchswerte
Seit September 2017 müssen alle neuen Typzulassungen, ab September dieses Jahres dann grundsätzlich alle Neuzulassungen nach dem WLTP-Norm (WLTP = Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure) geprüft werden. Dem WLTP-Testaufbau liegen reale Nutzungsdaten ganz normaler Autofahrer zugrunde. Das bislang verwendete Verfahren NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) war als Prüfstandsverfahren auf bestmögliche Vergleichbarkeit ausgelegt, bildete aber das reale Verbrauchsverhalten auf der Straße nur unzureichend ab. Dementsprechend klafften die angegebenen Verbräuche und Reichweiten und die tatsächlichen Erfahrungen der Autofahrer auseinander. Nun sind die Reichweiten zwar realitätsnäher, da der tatsächliche (Strom-) Verbrauch aber auch von der Fahrweise abhängt, dürften die Herstellerangaben trotzdem noch von der Realität abweichen.
MD / SP-X