Von Christian Frederik Merten
Rund 37.000 Autohäuser und Werkstätten warteten 2018 laut dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) auf Kunden. Dahinter steckt eine Vielzahl völlig individuell aufgestellter Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten: das bekannte Vollfunktionsautohaus mit Verkauf und Werkstatt, manchmal reine Verkaufsbetriebe, häufig aber auch ausschließliche Service- und Reparaturbetriebe. Sie treten am Markt frei auf oder mit Hersteller- beziehungsweise Importeursvertrag. Grob lassen sich die Kfz-Betriebe nach ZDK-Angaben wie folgt aufteilen: In Deutschland gab es Jahr 2018 etwas mehr als 15.000 vertragsgebundene und knapp 22.000 freie Unternehmen.
Freie Werkstatt nicht gleich freie Werkstatt
Aber wie kann man freie Werkstätten überhaupt definieren? Auch sie lassen sich kaum über einen Kamm scheren. Hier gibt es Generalisten, die mit Wartung und Reparaturen das auch aus Vertragswerkstätten bekannte Komplett-Serviceportfolio anbieten. Oft finden sich unter freien Werkstätten zudem Spezialisten wie Karosserie- oder Reifenwerkstätten. Und obwohl sich die Mehrzahl der freien Werkstätten auf den Pkw-Service fokussiert, haben sich einige Betriebe auch oder ausschließlich auf Transporter oder Lkw ausgerichtet.
Eine Besonderheit im Markt des freien Fahrzeugservices: die Eigentümer- beziehungsweise Organisationsstruktur. Neben Einzelnunternehmen mit völlig eigenem Marktauftritt gibt es Werkstattkonzepte und Werkstattketten. Die Unterschiede?
Der Einzelunternehmer mit komplett eigenem Marktauftritt ist die klassische freie Werkstatt von nebenan, meist mit einem Standort. Er trifft alle Entscheidungen komplett eigenständig und unabhängig. Bei Werkstattketten wie A.T.U oder Euromaster dagegen liegt die Steuerung in der Zentrale. Die einzelnen Standorte sind Filialen, und auch die Filialverantwortlichen sind nicht selbstständig, sondern wie alle anderen Mitarbeiter Angestellte des Unternehmens. Was sind dann Werkstattkonzepte? Grob gesagt stellen Werkstattkonzepte – oder auch Werkstattsysteme – freien Unternehmern ihre Marketingexpertise zur Verfügung. Der Unternehmer bleibt weiterhin komplett selbstständig, nutzt aber Komponenten wie eine einheitliche Signalisation oder einheitliches Marketingmaterial, um seinen Marktauftritt zu professionalisieren.
Warum in die freie Werkstatt?
Freie Werkstätten haben den Ruf, deutlich günstiger zu sein als Vertragswerkstätten. Außerdem, so argumentieren Vertreter der Branche, seien sie deutlich flexibler, zum Beispiel mit Blick auf die Öffnungszeiten. Von der Hand zu weisen sind diese Argumente mit Sicherheit nicht, zumal sich gerade die großen Werkstattketten mit speziellen Angeboten immer stärker auf Flotten- und Gewerbekunden ausrichten – eben mit erhöhter Erreichbarkeit, speziellen Online-Tools zum Beispiel zur Terminvereinbarung oder Services wie der UVV-Prüfung oder der Führerscheinkontrolle. Da aber natürlich auch viele Vertragswerkstätten spezielle Fuhrpark-Angebote schneidern, gilt es bei der Werkstattwahl konkret zu sondieren: Welcher Anbieter kann meine Anforderungen am besten erfüllen? Werde ich in meinen Prozessen effektiv entlastet und möglicherweise auch überregional bedient?
Einen Blick auf freie Werkstätten zu werfen, lohnt sich also auf jeden Fall – und zwar nicht nur für ältere Fahrzeuge. Wichtig: Wer die Wartung und Inspektion neuerer Fahrzeuge in der freien Werkstatt in Betracht zieht, sollte unbedingt darauf achten, dass sich der ins Auge gefasste Betrieb strikt an die Herstellervorgaben hält. Denn dann – so besagt schon ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2013 – sind auch etwaige Garantieansprüche weiter gesichert. Gerade die großen Player im Markt erfüllen dieses Kriterium durchgängig. Allerdings: Wer bei Schäden nach Garantieende auf Herstellerkulanz hofft, sollte sich den Besuch in der freien Werkstatt noch einmal überlegen. Hier stellt sich natürlich immer die Frage, welche Altersstruktur der Fuhrpark aufweist, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für Kulanzfälle ist und welche Relevanz die Herstellerkulanz überhaupt für die Kostenstruktur des Fuhrparks hat.
Nicht nur Komplettvergabe
Alles in allem sind freie Werkstätten also auch für Flotten- und Gewerbekunden eine Alternative. Wer auf der Suche nach einem Servicepartner für seine Fahrzeuge ist, sollte sie auf keinen Fall von Vornherein abschreiben. Außerdem: Möchte man Wartungs- und Inspektionsarbeiten weiterhin lieber in die Hände der Vertragswerkstatt legen oder ist aus dem Leasingvertrag dazu verpflichtet, lassen sich vielleicht Teilumfänge des Fahrzeugservices an Freie vergeben. Denn natürlich bieten auch und gerade die Freien nicht nur Komplettpakete, sondern auch einzelne Bausteine wie das Reifenmanagement oder Glasreparaturen an.