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Volvo XC60

Inhaltsverzeichnis

Diese Features bieten die Hersteller

Autositze: Viel mehr als nur ein Möbelstück

Langes Sitzen kann krank machen. Umso wichtiger ist es, die Autositze so komfortabel wie möglich einstellen zu können.

Von Sabine Neumann

Ohne jetzt all jenen auf die Füße treten zu wollen, bei denen es anders läuft: Bei der Anschaffung der jüngsten Fahrzeuge für den Fuhrpark standen vermutlich überwiegend Platzangebot, Motorisierung und Preis ganz oben auf der Liste der Entscheidungskriterien. Der Gestaltung des Innenraums wurde vielleicht noch in optischer Hinsicht Aufmerksamkeit gezollt. Und die Autositze? Wenn die Farbe des Bezugs stimmt und sie beim ersten Reinsetzen bequem erscheinen, ist doch alles o. k., oder?

Autositze sind die Verbindung zwischen Mensch und Maschine

Dabei ist es gerade der Sitz, der die einzige wirkliche Verbindung zwischen Mensch und Maschine herstellt. Von hier aus nimmt man alle Reaktionen des Wagens direkt wahr. Und das aus einer Position heraus, die für den Körper hochgradig belastend ist. Schließlich ist der Mensch eigentlich für Bewegung konstruiert – und Bewegung hält ihn gesund.

Stattdessen verbringen Außendienstler und Co mehrere Stunden in ein und derselben Haltung – und erwarten dann noch von sich, frisch, konzentriert und leistungsfähig am Ziel anzukommen.

Dr. James Levine, Leiter des Obesity-Solutions-Projekts an der Mayo Clinic der Arizona State University, hat es einmal so auf den Punkt gebracht: „Sitzen ist gefährlicher als rauchen, tötet mehr Menschen als HIV und ist tückischer als Fallschirmspringen.“

Langes Sitzen kann krank machen

Mittlerweile haben zahlreiche Forscher in Untersuchungen belegt, dass nur zwei Stunden Sitzen am Stück die Risiken für Herzerkrankungen, Diabetes, Krebsleiden, Rücken- und Nackenbeschwerden und andere orthopädische Probleme erhöht. Der Zusammenhang zum Rauchen ergibt sich aus Studien in Australien. Danach verkürzt bei 25-Jährigen jede Fernsehstunde die Lebenserwartung um 21,8 Minuten. Der vermeintliche Genuss einer Zigarette schlägt indessen nur mit 11 Minuten zu Buche.

Laut DAK-Gesundheitsreport 2018 sind Rückenschmerzen die zweithäufigste Einzeldiagnose für Krankschreibungen. Hochgerechnet auf die erwerbstätige Bevölkerung gab es dadurch etwa 35 Millionen Ausfalltage im Job. Jeder siebte Arbeitnehmer (14,4 Prozent) leidet bereits drei Monate oder länger unter Rückenschmerzen.

Natürlich lässt sich dieses Problem in seiner Komplexität auch nicht mit einem guten Stuhl aus der Welt schaffen – ganz gleich, ob es sich um einen Büroarbeitsplatz oder einen Autositz handelt. Doch wenn man schon sitzen muss, dann doch wenigstens mit einer so guten Biomechanik wie nur irgendwie möglich, sprich in einer möglichst optimalen Haltung. Schließlich bringt selbst jede noch so kleine Verbesserung der Situation einen riesigen Benefit.

Entscheidend ist die Qualität des Autositzes

Die wesentliche Verbesserung, die im Dienstwagen ebenso wie im Transporter erfolgen kann, ist die Qualität des Sitzes. Wie gut ist er auf jeden einzelnen Fahrer einstellbar? Welche Möglichkeiten der Veränderung bietet er auch während der Fahrt?

Jemand, der im Paketdienst jeden Tag bis zu 100-mal und mehr ein- und aussteigen muss, hat ganz andere Anforderungen an seinen fahrenden Sessel als jemand, der mit dem Wagen nur morgens zur Baustelle und abends wieder zurückfährt.

Im ersten Fall muss der Sitz entsprechend verschleißfest und ergonomisch sein – beispielsweise mit flachen Seitenwülsten, robusten Bezugsstoffen sowie Verstärkungen in den Seitenwangen.

Autositze für die Polizei

Das sind Qualitäten, die auch die neuen Sitze im Mercedes Vito der hessischen Polizei aufweisen. Das Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung (PTLV) hatte das Fraunhofer Institut der Uni Stuttgart im Rahmen eines Forschungsauftrags gebeten, die Anforderungen an einen Arbeitsplatz im Funkstreifenwagen zu evaluieren. Daraus abgeleitete Hauptmerkmale des Sitzes sind Anpassungen an die Erfordernisse der Beamten mit angelegter Weste und Funktionsgürtel.

Neben den oben genannten Veränderungen haben die Stuttgarter Entwickler unter anderem das Gurtschloss länger und flexibler als in den Serienmodellen gestaltet, um das An- und Abschnallen selbst mit umfangreicher Ausrüstung wie Pistole, Handfesseln, Schlagstock, Pfefferspray und Taschenlampe im Gürtel schnell und einfach möglich zu machen. In Länge und Höhe einstellbare Kopfstützen, Thorax-Pelvis-Sidebags sowie eine elektropneumatisch einstellbare Lordosenunterstützung – sie schützt vor Fehlhaltungen im Bereich der Lendenwirbelsäule – sorgen für weiteren Komfort.

Spezielle Autositze für Nutzfahrzeuge

Fahrzeuge wie Mercedes Sprinter, VW Crafter oder Renault Masters können aber auch mit Schwingsitzen ausgestattet werden, die im Baustellenverkehr die Belastungen durch Schläge bei unebener Fahrbahn minimieren. Die Kosten liegen bei rund 500 Euro im Durchschnitt.

Ford Transit Courier mit vielen Verstellmöglichkeiten

Am Beispiel des Ford Transit Courier lässt sich ablesen, dass sich die Sitze und deren Variationsmöglichkeiten im Basismodell im Vergleich zu höherwertigen Ausstattungen durchaus unterscheiden: Verfügt die Einstiegsversion serienmäßig über zweifach manuell einstellbare Vordersitze (vor/zurück, Lehne), ist der Fahrersitz in der Trend-Ausstattung bereits vierfach manuell einstellbar. Dann können zusätzlich auch die Höhe und der Neigungswinkel des Sitzkissens justiert werden. Zudem bietet der Fahrersitz eine Armlehne innen und eine manuell einstellbare Lendenwirbelstütze.

Der Beifahrersitz ist bei Trend falt- und versenkbar ausgeführt, was in Verbindung mit der dann ebenfalls serienmäßigen drehbaren Gittertrennwand eine Ladelänge von 2,59 Meter ermöglicht.

In der Ausstattung Sport bietet der Transit Courier indessen bereits serienmäßig Sitze mit Teillederpolsterung, die durch rot akzentuierte Nähte zudem sportlich gestaltet sind. Funktionell ist der Fahrersitz wie bei Trend vierfach, der Beifahrersitz zweifach verstellbar. Ein Staufach unter dem Sitz ist ebenfalls bei Sport serienmäßig, hier jedoch unter dem Beifahrersitz positioniert.

Autositze bei Pkw sind ähnlich gestaltet

Im Pkw-Bereich verhält es sich mit dem erweiterten Funktionsumfang nicht anders als im Nutzfahrzeug-Segment. Zum Beispiel sind bei einem Normalsitz des Audi A4 entlastende Optionen wie die Verlängerung der Oberschenkelauflage ebenso wenig lieferbar wie eine Sitzneigungseinstellung, die die Aufrichtung der Wirbelsäule unterstützt. Diese Möglichkeiten bietet erst der optional erhältliche Sportsitz (330 Euro).

Im Škoda Octavia ist der Fahrersitz zwar bereits in allen Ausstattungslinien höheneinstellbar. Aber erst ab der Ausstattungslinie Ambition verfügen Fahrer-und Beifahrersitz über eine einstellbare Lendenwirbelstütze. Ab dieser Modellvariante sind auch erst elektrisch einstellbare Vordersitze (Fahrersitz mit Memoryfunktion) sowie unterschiedliche Leder-, Alcantara- und Stoffkombinationen verfügbar.

Opel bietet drei Typen von Autositzen

Opel hat die Frage nach dem Sitzkomfort anders gelöst. Es gibt drei unterschiedliche Sitztypen. Ein Basissitz mit allen Grundverstellmöglichkeiten (Längs-, Rücken- und Höhenverstellung, Kopfstütze) soll eine optimale Bandbreite an Insassengrößen abdecken. Die Verstellung erfolgt grundsätzlich manuell und der Bezug ist immer aus Stoff.

Der sogenannte AGR Entry Level (Aktion Gesunder Rücken), das für Astra, Insignia, Mokka X, Crossland X, Grandland X, Cascada und Zafira lieferbar ist, verfügt wie der Basissitz über die Grundverstellmöglichkeiten. Dazu kommen die Möglichkeit, die Oberschenkelauflage sowie die Sitzneigung zu variieren, sowie eine vertikal und horizontal zu justierende Lordosenstütze. Eingestellt wird auch dieser Sitz manuell.

Astra- oder Insignia-Kunden können auf Wunsch den AGR Premium Level ordern. Dann kommen noch Extras wie Ventilation, Massage- und Memoryfunktion zu den genannten Funktionen hinzu. Die Verstellung ist in diesen Modellen vollelektrisch, der Bezug aus Leder.

Autositzkonfiguration für den Volvo XC60

Im Volvo XC60 können Fahrer- und Beifahrer bereits in der einfachsten Version ihren Sitz elektrisch in der Höhe verstellen und die Lendenwirbelstütze in Höhe und Tiefe an den eigenen Körper anpassen. Funktionen wie die einstellbare Beinauflage (120 Euro), die Massagefunktion (690 Euro), elektrisch einstellbare Seitenwangen (390 Euro) oder Sitzheizung (350 Euro) können dann einzeln dazu gebucht werden – wenn sie in höheren Varianten nicht sowieso serienmäßig sind.

Wie ein hochwertiges Möbelstück

Mindestens ebenso entscheidend wie die Funktion ist aber sicher die grundsätzliche Philosophie, die eine Sitzentwicklung verfolgt. Für BMW entspricht der Aufbau eines Sitzes in den Polsterteilen und den darunter liegenden Federungen in etwa einem hochwertigen Möbelstück. Ergänzt wird dieser Aufbau mit zahlreichen sicherheits- und funktionsspezifischen Merkmalen, um höchste Sicherheit und idealen Langstreckenkomfort für alle Insassen zu gewährleisten.

Apropos Sicherheit: Fahrzeugsitze müssen umfangreiche länderspezifische Sicherheitsanforderungen und Zulassungsvorschriften erfüllen. Bei den Münchnern erfüllen aber generell alle Sitze alle Anforderungen. So erhalten zum Beispiel deutsche Kunden Sitze, die auch den Anforderungen des US-amerikanischen, des australischen oder des japanischen Markts gerecht werden – und umgekehrt.

Komplexe Entwicklung bei Audi

Der Fahrplan der Technik- und Sitzentwicklung bei Audi gibt einen guten Eindruck, welch komplexes Konstrukt unter dem Bezug steckt. „Zunächst erarbeiten wir jeweils eine in Fahrtachse gerade und komfortable Fahrerhaltung. Die Lage des Lenkrads und der Pedalerie – bezogen auf die Sitzspur – spielen hierbei die entscheidende Rolle. Diese Auslegung führt dazu, dass der Fahrer in einer Linie zur Fahrtrichtung sitzt. Lenkrad, Kombiinstrument, Pedalerie und Sitz sind ‚in-line‘“, heißt es in einer Stellungnahme des Ingolstädter Autobauers.

Um die individuellen Vorlieben der Sitzposition sowie die körperlichen Unterschiede der Fahrer (Größe, Rumpflänge, Länge der Extremitäten) berücksichtigen zu können, werden die Audi-Fahrzeuge mit einem längs- und höhenverstellbaren Lenkrad ausgestattet. Neben der Verstellbarkeit der Sitze bietet dies die Möglichkeit einer optimalen Anpassung an den Fahrer.

„Abgerundet wird die ergonomische Auslegung durch die Anordnung fahrrelevanter Anzeigen und Bedienelemente im primären Interaktionsbereich des Fahrers, um die Fahrerablenkung auf ein Minimum zu reduzieren“, so Audi.

Mazda setzt auf „Jinba Ittai“

Mazda hat für dieses Vorgehen einen eigenen Begriff kreiert: „Jinba Ittai.“ Der japanische Ausdruck beschreibt die Harmonie zwischen Pferd und Reiter. Dieses Gefühl der Einheit bildet den Kern der Philosophie, die die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt rückt. Spätestens seit dem CX-5 geht man bei der Entwicklung eines Fahrzeugs vom Fahrer und seinen Wünschen aus und baut das Fahrzeug um ihn herum.

Generell kann man den Sitzentwicklern zugestehen, den Insassen, speziell dem Fahrer, eine rückenschonende, sichere und komfortable Körperhaltung sowohl auf kurzen als auch auf langen Strecken zu ermöglichen.

Sitz im Mittelpunkt der Innenraumentwicklung

Immer ist der Sitz zudem aber auch ein integraler Bestandteil einer sehr umfassenden Innenraumentwicklung. Wie bei Ford wird dabei im Hinblick auf Platzangebot und Ergonomie stets das gesamte Größenspektrum von der sogenannten 5-Prozent-Frau – nur 5 Prozent aller Frauen sind noch kleiner – bis zum 95-Prozent-Mann – nur 5 Prozent aller Männer sind größer – abdeckt.

Dementsprechend ist für den Kölner Hersteller die Verbesserung von Ergonomie und Sitzen ein Dauerthema, das auch Aspekte wie Dauerhaltbarkeit, den Einsatz von nachhaltigen Materialien oder die Implementierung von ganz neuen Techniken beinhaltet.

Autositz mit Pulsfrequenzkontrolle von Ford

Dazu zählt unter anderem ein EKG-Sitz mit Pulsfrequenz-Kontrolle. Er wurde in Kooperation mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen entwickelt.

Der Sitz erkennt und überwacht über fest eingebaute kontaktlose Sensoren den Herzschlag des Fahrers. Diese Technologie könnte sich beispielsweise dazu nutzen lassen, um je nach den Messwerten automatisch Assistenzsysteme wie Spurhalte-Warnung, Spurhalte-Assistent, Active City Stop, Driver Alert oder Geschwindigkeitsbegrenzer zu aktivieren.

So sei beispielsweise eine bevorstehende Herzattacke frühzeitig zu erkennen und deren möglicherweise schwerwiegenden Folgen könnten zumindest gemildert werden.

Mercedes bietet Autositze mit Hot-Stone-Massageprinzip

Auf weniger dramatische Ereignisse sind die Komfortmaßnahmen bei den Mercedes-Sitzen in der S-Klasse ausgelegt. Hier wird deutlich, dass die Dienstreise zum Kunden auch maximal entspannt verlaufen kann. Dafür sorgen auf Wunsch die Massagefunktion nach dem Hot-Stone-Prinzip ebenso wie das Lufterfrischungspaket mit Ionisation und aktiver Beduftung, eine individuell für jeden Sitzplatz fein einstellbare Klimatisierung, beheizbare Oberflächen der Armlehnen oder eine je nach Baureihe in bis zu 64 Farbstimmungen individualisierbare Ambientebeleuchtung.

Diese Komfortsysteme lassen sich auch ganz individuell und je nach Stimmung bündeln. Allerdings dürfte momentan wohl am ehesten die Geschäftsführung in den Genuss dieser Technologien kommen.

Wie sehen Autositze in der Zukunft aus?

Ganz anders sieht die Zukunft der Innenraumgestaltung aus, wenn man in die visionären Modelle des autonomen Fahrens blickt. Zwar gilt es zu berücksichtigen, dass je nach Autonomielevel des Fahrzeugs vorerst der Fahrer immer noch jederzeit das Führen des Fahrzeugs übernehmen können muss – und dies einer „Innenraum-Revolution“ gewisse Grenzen aufzeigt.

An Beispielen wie dem „F 015 Luxury in Motion“ aus Stuttgart sieht man jedoch, wie man sich dort den Innenraum der Zukunft vorstellt. Dreh- und Angelpunkt des Interieurkonzepts ist das variable Sitzsystem mit vier drehbaren Lounge-Chairs, das eine Vis-à-vis-Konstellation der Sitze ermöglicht. Alle vier Passagiere können die Zeit im Fahrzeug zum Arbeiten, Entspannen oder Kommunizieren nutzen. Oder auch mal ein paar kleine Mobilisations- und Dehnübungen machen, um den Körper aus der Lethargie zu wecken. Spätestens dann könnte rauchen wieder gefährlicher als sitzen werden.

Ratgeber

Die richtige Sitzposition

Wer seinen Autositz optimal einstellt, sitzt nicht nur besser, sondern auch sicherer.

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