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Automobilwirtschaft

Eine Wende kommt selten allein

Die Automobilindustrie ist mitten im Fahrwasser der Mobilitätswende. Sauber bleiben, darum geht es.

Von Dennis Gauert

Die Automobilindustrie ist mitten im Fahrwasser der Mobilitätswende. Die Hersteller lassen blätterweise Informationen zu neuen alternativen Antrieben und Robotaxis aus den Pressestellen regnen. Zulieferer überschlagen sich im Entwicklungsrennen um den besten modularen Elektroantrieb und Omis fahren ihre Rente in Form erster E-Kleinwagen durch die gut situierten Vororte. Denn sauber bleiben, darum geht es.

Gerade jetzt veröffentlicht der ADAC eine Studie, nach der der sauberste Antrieb CNG-Gas ist, dann folgt der Diesel. Elektroantriebe sind erst dann allen Alternativen überlegen, wenn sie zu 100 Prozent mit regenerativen Energien betrieben werden. Mit dem deutschen Strommix überholen sie erst nach 219.000 Kilometern den Dieselmotor; und CNG sowie Wasserstoff, nie. Mitten in der ersten Massenproduktionsphase von Elektroautos kommen solche Ernüchterungen ungelegen.

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Woher kommt der Elektro-Schub?

Vor allem geht es bei der beschleunigten Produktion von Elektroantrieben um Geld, das die Hersteller in Form von Strafzahlungen ab 2021 abgeben müssen – sofern ihre Modellpalette bis dahin nicht den gewünschten CO2-Grenzwerten entspricht (auf Basis aktueller Flottenwerte 34 Milliarden Euro; Quelle: Jato Dynamics; Anm. d. Red.). Fast 21 Prozent geringer muss der Flottenausstoß sein, um den Zielwert von 95 Gramm zu erreichen.

Diese Forderung kann in der Kürze der Zeit mit einer vor allem aus Benzin- und Dieselmotoren bestehenden Modellpalette unmöglich erfüllt werden. Auch der laut ADAC sauberste Antrieb, Erdgas (CNG), boxt mit 25 Prozent weniger Kohlendioxid-Ausstoß nicht alle Konzernmodelle aus der roten Zone.

Elektroantrieb ist die schnelle Medizin

Damit bleiben zur schnellen Erfüllung nur noch lokal emissionsfreie Fahrzeuge als Lösung übrig. Das einzige derzeit in großen Mengen herstellbare Antriebskonzept dieser Art ist der Elektromotor. So überrascht es nicht, dass auch in der Politik stetig von E-Autos die Rede ist, wenn es um den Umweltschutz geht. Skeptiker könnten behaupten, die Konzentration auf eine Antriebsart sei ein Gesamtkonzept von Politik und Wirtschaft.

Befürworter könnten sagen, es sei die einzige Möglichkeit, die Hersteller zur Umstellung auf Elektromobilität zu zwingen. Unternehmer würden behaupten, es sei die einfachste Möglichkeit für die Politik, die Wirtschaft anzukurbeln. Denn in letzter Zeit sah es für die Hersteller nicht gerade rosig aus.

Wenn nur die Akkus nicht wären

Die Beweggründe für eine Änderung des Antriebs sind weitgehend unerheblich, solange der Effekt positiv ist. Ein solcher Effekt könnte kurzfristig (bis zur Ablöse durch Brennstoffzellen; Anm. d. Red.) aber genau so gut durch CNG-Antrieb oder E-Fuels in Verbrennungsmotoren eintreten, wenn die Geduld der Politik etwas größer wäre. Denn 100 Prozent regenerative Energien wird es auch in Zukunft für das Elektroauto nicht überall geben.

Die Herstellung von E-Fahrzeugen, die alle erst einen neuen Baukasten zur Massenherstellung benötigen, schlägt sich ohnehin auf die Umwelt nieder. Insbesondere die Herstellung der Akkus zu menschenunwürdigen Bedingungen sorgte weltweit für Furore um den Elektroantrieb – obwohl die Schäden das ganze Ökosystem auch beim Recycling betreffen.

So fragt man sich vielleicht, weshalb bestehende Fahrzeugbaureihen nicht mit CNG-Motoren ausgestattet werden; und ob der Ex-VDA-Präsident Bernhard Mattes nicht Recht damit hatte, dass die Konzentration auf den Elektroantrieb zum Problem werden könne. Auch die Erdgas-Lobby warnt inständig vor einer Sackgasse.

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Eine Umstellung für den Übergang

Elektroautos mit Akkus bringen als Übergangslösung vor allem eine lange Umstellungsphase mit sich. In der Kürze der Zeit werden Autofahrer zahlreiche Akkuwechsel, neue Ladeverfahren, den langwierigen Aufbau flächendeckender Ladestationen, und schließlich die Umstellung auf ein neues, effektiveres Stromversorgungssystem mitmachen müssen.

Neue Akkutechnologien ermöglichen neue Lademöglichkeiten, neue Rekuperationssysteme einen geringeren Verbrauch. Absehbar ist also eine Entwicklung, die sich über Jahrzehnte abspielen wird und mehr Neukäufe bedeutet als je zuvor – nach dem gleichen Prinzip sind auch Handyhersteller die Sieger unserer Zeit geworden. Und die waren beim Thema Ladestecker und Akkutechnologie bekanntlich kreativ.

Im Umkehrschluss kommt ein hoher Wertverlust veralteter E-Fahrzeuge zustande. Auch die Strompreise selbst sind durch den in Deutschland geringen Wettbewerb hoch und dürften potentiell steigen, um den flächendeckenden Netzaufbau zu refinanzieren.

Und der Ökostrom - 100 Prozent davon werden so schnell nicht aus der Ladesäule fließen, dass sie den steigenden Bedarf decken. Vor dem Hintergrund eines gewünschten Atomausstiegs läuft es hier manchem Klimaaktivisten kalt den Rücken herunter.

Gibt es einen Markt für Elektroautos in Deutschland?

Kurz: Ja. Unternehmen bauen, was sich potentiell verkaufen lässt. Kunden konnten vollelektrische Fahrzeuge in den letzten Jahren auch gewinnen. Tatsächlich hat Deutschland sogar den europäischen Vorreiter, Norwegen, überholt: Von 2018 stiegen die Verkaufszahlen von 34.000 auf 48.000 Einheiten. Vom im Jahr 2013 erklärten Ziel der Bundeskanzlerin, bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren zu sehen, ist der Wirtschaftszweig damit weit entfernt. Mittlerweile korrigiert Angela Merkel nach oben: 2021 bis 2022 könne eine Million voll sein.

Politik und Wirtschaft scheinen die Bereitschaft zum Umstieg womöglich zu überschätzen – denn die potentiellen Kunden wissen auch, dass das Elektroauto nicht besonders umweltfreundlich ist: Einer Studie von Consors Finanz zufolge sind fast 90 Prozent der Befragten der Auffassung, dass die Entsorgung von Akkus ein ernsthaftes Umweltproblem darstelle.

Ein Anteil von 43 Prozent würde sich theoretisch in den nächsten fünf Jahren für ein Elektroauto entscheiden, 60 Prozent ist es zu teuer, 36 Prozent möchten nicht ihre Zeit an einer Ladesäule verbringen. Von gesichertem Absatz sind die Stromerpläne mit solchen Zahlen noch entfernt.

Digitale Services ersetzen Wartungskosten

Doch nicht nur im Motorraum findet eine Mobilitätswende statt: Auch das Fortbestehen von Serviceleistungen seitens der Händler erfordert ein Umdenken. Denn Elektromotoren sind im Vergleich mit einem Otto- oder Dieselmotor als wartungsfrei einzustufen. Ein Grund mehr für die Automobilkonzerne, digitale Services vorsorglich als Unternehmensbereiche auszubauen.

So ist die Zukunft des Automobils ein geschlossenes System, in dem erst das Zubehör den Funktionsumfang des erworbenen Fortbewegungsmittels bestimmt. Abos für Konnektivitätsdienste von deutschen Herstellern werden schon heute für einige hundert Euro gerne angekreuzt. Die Laufzeit dafür beträgt drei Jahre, dann muss nachgeschossen werden. Eine Ausweitung solcher Services ist seitens der Industrie, als Garant für hohe Margen, absolut erwünscht.

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Die Transformation zum Technologieunternehmen

Automobilkonzerne sind nahezu immer Aktiengesellschaften. Durch die zunehmende Transformation des Automobilbaus zum IT-Unternehmen entstehen auch wirtschaftlich schwierige Situationen. Wer Hardware und Software verkauft und das in Zukunft vielleicht sogar zum halben Betriebsergebnis werden lässt, wird an der Börse wie ein Handyhersteller gehandelt. Bei letzteren geht es weniger darum, der Zuverlässigste oder Vertrauenswürdigste zu sein, sondern rein um den Innovationsmotor von Technik und Dienstleistung sowie das Marketing.

Beim autonomen Fahren wird der Aufbau von Technologien auf Hardware- und Softwarebasis in Zukunft den operativen Stellenwert des reinen Automobilbaus innerhalb der Konzerne übertreffen. Ob der Wirtschaftszweig bei diesem Konkurrenzdruck Schritt halten kann, ist zumindest ungewiss. Auch der Ausbau digitaler Zusatzdienste wird den Herstellern kontinuierlich zur Ersatz-Einnahmequelle. Bis entweder ein Hersteller das Software-Monopol hat oder der Internet-Effekt eintritt, und der Fahrer in Zukunft nach einem kurzen Werbeclip seine Gratis-Navigationssoftware in Betrieb nimmt. Videowerbung ins Auto zu bekommen, die sich an der Ampel automatisch einschaltet – PR-Legende Edward Bernays jedenfalls wäre vor Entzücken der Schnurrbart aus dem Gesicht gefallen.

Weniger Gepäck erhöht die Ausdauer

Während der Diskussion um die Antriebe schleicht eine wichtige Säule von Energieersparnis im Automobil wie eine Randerscheinung nebenher: der Leichtbau. Karosserien sind heute dünn, hochfest und oft zu einem Anteil aus Aluminium geformt. Darin stecken Motorenblöcke die nahezu ausschließlich aus Aluminium gefräst sind, Achsen aus Aluminium verbinden in höheren Klassen Leichtmetallfelgen mit dem Fahrzeug.

So leicht, so gut. Ab dann folgen heute teils mehr als zehn Airbags (jedes zweite Auto in Deutschland wird wegen defekter Airbags heute zurückgerufen; Anm. d. Red.), voluminöse Kabelbäume, schwere Verkleidungsteile und Dämmstoffe. Zwischen der leichtesten und der schwersten Ausstattungsvariante der aktuellen S-Klasse beispielsweise liegen über 400 Kilogramm Gewicht. Würde die Automobilwelt sich weniger Luxus und Riesenwuchs gefallen lassen, wären alternative Antriebe für eine Senkung des CO2-Ausstoßes nicht einmal dringend nötig.

Bis zur einfachen und umweltfreundlicheren Mobilitätslösung wird die Politik noch manche Hexenjagd veranstalten, denn es verkauft sich gut, Position zu beziehen: Wer E fährt ist modern; wer CNG-Gas fährt, tut das unbekannte Gute; wer ein Diesel-SUV fährt, ist ein gemein gefährliches Ungeheuer mit hohem Wirkungsgrad. Und wer Fahrrad fährt, der hat verstanden, dass man bei einer Hexenjagd den Besen besser zu Hause lässt.

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