Agenturmodell im Automobilvertrieb: Vor- und Nachteile auch für Groß- und Gewerbekunden.
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Agenturmodell im Automobilvertrieb: Vor- und Nachteile auch für Groß- und Gewerbekunden.

Inhaltsverzeichnis

Groß- und Gewerbekundenvertrieb

Agenturvertrieb: Was heißt das für Fuhrparkkunden?

Wie wirkt sich das immer weiter verbreitete Agenturmodell im Fahrzeugvertrieb auf das Großkundengeschäft aus? Eine Einschätzung aus Kundensicht.

Von Marc-Oliver Prinzing, BBM

Sehr viele Jahre dominierte das kostenintensive dreistufige Vertriebs- und Distributionsmodell der Automobilhersteller mit hohen Vertriebskosten. Jetzt wird alles anders: Das Agenturmodell komme und werde in der Branche einiges ändern, so liest man es verstärkt in Branchenblättern. Aber Moment, das ist doch gar nicht so neu, oder?

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Echtes oder unechtes Agenturmodell?

Ja und nein. Im Volkswagen-Konzern werden Großkunden schon seit über zehn Jahren über das Agenturmodell begleitet. Ein Großkunde mit Rahmenvertrag qualifiziert sich mit über 15 Fahrzeugen in seiner Flotte. Kleinere Gewerbekunden muss der Händler wie Privatkunden ins Händler-Eigengeschäft nehmen. Ein Sondereffekt: Zur Unterstützung der Elektrifizierung investiert der Konzern für große und kleine Gewerbekunden in E-Fahrzeuge und nimmt dem Händler das Risiko ab. Klar ist – der ausliefernde Händler ist Berater, Ansprechpartner und das Gesicht des Konzerns vor Ort. Ein echtes Agenturmodell, wo also alles nur noch zentral über den Hersteller geht, sieht anders aus.

Tesla, chinesische Hersteller oder Polestar und Cupra zeigen allerdings, dass es auch anders geht. Doch es hagelt Beschwerden bei Fuhrparkkunden und die Fahrzeuge werden teilweise ausgelistet. Denn wenn ein Flottenfahrzeug einmal ausfällt, mangelt es stark an Service und Know-how, was gewerbliche Kunden zwingend brauchen.

In der echten Agentur mit neuer Vertriebsstruktur werden die Autohersteller oder Importeure neben dem Online-Direktgeschäft ausgewählte Händler als Vertragspartner (Agenturen) beauftragen, ihre Fahrzeuge zu verkaufen. Wird das in aller Konsequenz durchgezogen, ist die Rolle der Vertragshändler und deren Service- und Vertriebsmitarbeiter- und mitarbeiterinnen eine andere – mit Vor- und Nachteilen. Im Agenturmodell bleibt das Eigentum an den Fahrzeugen in der Regel beim Hersteller oder Importeur und die Agenturen fungieren als Vermittler. Dieses Modell ermöglicht es Herstellern, ihre Vertriebskosten zu senken und die Verkaufsprozesse effizienter zu gestalten. Doch – wie gerade bei Mercedes zu beobachten, die im Mai komplett auf Agentur umgestellt haben – das Gesicht, der Mensch, der nah am Kunden ist, berät, sich einsetzt, sitzt plötzlich weit weg in einer Firmenzentrale.

Mögliche Konsequenzen des Agenturmodells

Also: beim Hersteller A bleibt im Grunde alles beim Alten, bei Hersteller B verändert sich die Welt um 180 Grad.  Das kann verschiedene Auswirkungen auf das Geschäft mit Groß- und Gewerbekunden haben – insbesondere aus der Sicht einer oder eines Fuhrparkverantwortlichen:

  • Mögliche Kostenvorteile und Konditionen: Die Preise werden im Agenturmodell transparenter, weil sie zentral vom Hersteller bestimmt werden. Hersteller könnten einheitliche Konditionen für Groß- und Gewerbekunden schaffen, standardisierte Preisstrukturen und Rabattmodelle einführen, was die Vergleichbarkeit und Verhandlungen für Fuhrparkverantwortliche erleichtern könnte. Dagegen besteht aber das Risiko, dass Hersteller weniger flexibel sind, wenn es um individuelle Vertragsbedingungen für Großkunden geht. In welcher Höhe die Hersteller die Vertriebskosten senken können und diese Einsparungen in Form von attraktiveren Preisen oder Rabatten an die Fuhrparkkunden weitergegeben werden, ist fraglich. Ob die Anschaffungs-Gesamtkosten für die Fuhrparkfahrzeuge also sinken und dieser Effekt die heute zum Teil existierenden Flottenrabatte der Händler übersteigen, ist ungewiss. Händler können nur noch auf eigene Kosten Rabatte geben, wenn es sich um unechte Agenten handelt. Bei echten Agenten liegt die Preishoheit uneingeschränkt beim Hersteller. Dadurch entfällt auch der Preiswettbewerb zwischen den Händlern. Das kann für Fuhrparkkunden teurer werden.
  • Kundenspezifische Lösungen: Hersteller haben unter Umständen eine intensivere Rolle in der Zusammenarbeit. Das könnte und sollte zu neuen, innovativen Lösungen für Groß- und Gewerbekunden führen, um deren individuelle Anforderungen zu erfüllen und die Effizienz und Wirtschaftlichkeit von Fuhrparks zu verbessern. Ob das besser funktionieren kann, als Händler und große Autohandelsgruppen das heute bereits machen, wird man sehen. Die Hersteller sind heute in der Regel nicht nur räumlich weiter weg vom Fuhrparkkunden. Fuhrparkverantwortliche brauchen aber eine individuelle Beratung und müssen komplexe Geschäftslösungen besprechen. Nicht zu vernachlässigen ist auch das meist über viele Jahre aufgebaute Vertrauensverhältnis.
  • Langfristige Partnerschaften: Das Agenturmodell könnte natürlich die Grundlage für langfristige, intensivere Partnerschaften zwischen Herstellern und Großkunden schaffen. Großkunden wären weniger davon abhängig, ob zwischengeschaltete Leasing-Gesellschaften ihre vermeintlich besseren Konditionen weitergeben oder eben nicht. Die Partnerschaften könnten außerdem Vorteile schaffen, wie bevorzugten Zugang zu neuen Modellen, technischen Support und Sonderkonditionen, die dazu beitragen könnten, die Betriebskosten für Fuhrparks zu optimieren.
  • Veränderungen in der Servicequalität und den Geschäftsabläufen: Die Servicequalität könnte sich ändern, je nachdem wie Hersteller und Agentur die Betreuung organisatorisch umsetzen. Bleibt die Beratungskompetenz beim Händler vor Ort oder darf der nur noch Probefahrten organisieren? So oder so müssen sich Fuhrparkverantwortliche auf mögliche Veränderungen in den Geschäftsabläufen und Vertriebsstrukturen einstellen, die durch das Agenturmodell verursacht werden. Dies könnte eine Anpassung der internen Prozesse und Verhandlungsstrategien erfordern. Doch ein neu eingeführtes Agenturmodell kann die Qualität der Kundenbetreuung und Beratung für Groß- und Gewerbekunden erhöhen, da Hersteller und Agenturen spezialisierte Teams für diese Kunden einsetzen könnten. Fuhrparkleiterinnen und -leiter sollten sicherstellen, dass sie weiterhin einen direkten Kommunikationskanal zu ihren Ansprechpartnern haben, um ihre Anliegen effektiv zu besprechen.

Risiken des Agenturvertriebs – Abhängigkeit und Datenschutz

Zwei Dinge sind auch noch nicht klar: Abhängigkeiten und der Datenschutz. Kein großer Fuhrpark kommt mit einem einzigen Hersteller aus. Kommen mehrere oder viele Hersteller oder Importeure als Lieferanten in Frage, wird die Sache komplexer. Klar ist, dass in einer Abhängigkeit von einem einzigen Hersteller ein potenzieller Nachteil liegen könnte. Stichworte: eingeschränkte Modellvielfalt, Lieferengpässe oder Qualitätsprobleme.

Und beim Datenschutz wird es konkrete Vereinbarungen mit den Herstellern geben müssen (Rechenschaftspflicht gemäß Artikel 5 DSGVO) und eine Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung und vertragsbezogenen Kontaktaufnahme. Was viele Unternehmen aber nicht wollen: Dass der Hersteller über die kompletten Daten verfügt, also genaue Kenntnis darüber hat, wer das Fahrzeug besitzt. Dabei verlangt das nachgelagerte Geschäft mit Functions on Demand, wenn es funktionieren soll, dass die Datenhoheit beim Hersteller liegt.

Unabhängig davon: Kleinere Flottenbetreiber mit weniger als 15 Fahrzeugen haben meist eine noch engere Beziehung mit einem Haupthändler und arbeiten traditionell mit regionalen Partnern. Das wird auch in vielen Fällen so bleiben, es sei denn, die Größengrenzen werden nach unten verändert. Je nach Vorgehen des Herstellers könnte diese Zusammenarbeit gestört werden. Und ob der möglicherweise bessere Kontakt zum Hersteller die Vorteile einer gewachsenen Beziehung ausgleicht, bleibt fraglich. Kleine Fuhrparkbetreiber sollten sicherstellen, dass ihre Bedürfnisse nicht vernachlässigt werden.

Fazit: Fuhrpark-Strategien anpassen

Insgesamt hängen die Auswirkungen des Agenturmodells stark von der Umsetzung durch die Hersteller und Agenturen ab. Beispielsweise ob das echte oder unechte Agenturmodell vorliegt. Hersteller wissen, wie wichtig gewerbliche Kunden und Flottenbetreiber für ihr Geschäft sind und dass es dabei vor allem auf eine reibungslose, gute Zusammenarbeit ankommt.

Fuhrparkverantwortliche sollten die Vor- und Nachteile des von ihren Partnern praktizierten Modells sorgfältig abwägen und sicherstellen, dass sie ihre Anforderungen und Erwartungen klar kommunizieren, um bestmögliche Betreuung und die besten Konditionen zu erhalten. Ansonsten haben andere Hersteller oft vergleichbare flottentaugliche Modelle. Fuhrparkverantwortliche sollten die Veränderungen analysieren und die Geschäftsstrategien entsprechend anpassen, um von den neuen Möglichkeiten zu profitieren und möglichen Herausforderungen entgegenzuwirken.

Auf einen Blick: Vor- und Nachteile des Agenturmodells für Unternehmenskunden

Mögliche Vorteile:

  • Niedrigere Gesamtkosten in der Anschaffung durch sinkende Vertriebskosten
  • Schnelle Reaktionsfähigkeit wirkt sich positiv auf Produktverfügbarkeit aus
  • Vorteile und Sonderkonditionen durch langfristige Partnerschaften
  • Auftrieb für Digitalisierung

Mögliche Nachteile:

  • Händler verlieren gegebenenfalls ihre wichtige Beraterrolle, individuelle Beratung wird eingeschränkt oder fällt weg
  • Händler haben keinen Einfluss mehr auf den Preis
  • Abhängigkeit vom Hersteller, weniger Verhandlungsmöglichkeiten mit dem Partner vor Ort
  • Notwendigkeit der Anpassung bei Verhandlungsstrategien
  • Hersteller weniger flexibel im Hinblick auf individuelle Bedürfnisse der Kunden

Über den Autor: Marc-Oliver Prinzing ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Betriebliche Mobilität, Mannheim.

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