Steffen Lucas verantwortet den Vertrieb von Mercedes-Benz Vans in Europa und damit auch in Deutschland. Im Gespräch mit bfp FUHRPARK & MANAGEMENT erklärt er die Rolle der Transporter-Sparte innerhalb der neuen Mercedes-Benz-Strategie sowie die Relevanz des Online-Vertriebs und gibt einen Ausblick auf die weitere Elektrifizierung der Mercedes-Benz-Vans-Palette.
Premiumstrategie für das Transporter-Segment
Herr Lucas, Mercedes-Benz stellt sich strategisch neu auf. Welche Rolle spielt das Transporter-Geschäft künftig im Unternehmen?
Steffen Lucas: Das ist eine der meistgestellten Fragen, die mich derzeit auch von Kundinnen und Kunden erreichen: Wie passen die Vans in die Luxusstrategie von Mercedes-Benz? Grundsätzlich wollen wir sowohl bei Pkw als auch bei Vans die Produkte anbieten, die unsere Kunden begehren. Dabei folgen die privat positionierten Vans wie EQV und V-Klasse der Luxusstrategie von Mercedes-Benz im Pkw-Bereich. Unsere gewerblichen Kunden besitzen denselben Wunsch, allerdings aus dem Antrieb heraus, unternehmerische Exzellenz durch unsere gewerblichen Vans zu erzielen. In diesem Segment verfolgen wir wie bisher eine Premiumstrategie.
Wie definieren Sie den Begriff Premium im Transporter-Segment?
Lucas: Premium bedeutet für uns das begehrenswerteste Transporter- und Service-Angebot im Segment anzubieten. Wir folgen hier dem gemeinsamen Ziel von Mercedes-Benz Cars und Vans. Da spielt eben nicht nur die Qualität unserer Fahrzeuge eine wichtige Rolle, sondern auch das Angebot innovativer und auch digitaler Services. Nicht zuletzt geht es auch um eine herausragende Vertriebsqualität.
Das heißt, auch Mercedes-Benz Vans hat langfristig einen Platz unter dem Dach der Mercedes-Benz AG?
Lucas: Mercedes-Benz Pkw und Mercedes-Benz Vans ergänzen sich in vielen Punkten ideal. Deshalb gibt es weder einen Grund noch eine Diskussion, getrennte Wege zu gehen.
Online-Vertrieb auch bei Mercedes-Benz Vans
Sie haben das Thema Vertriebsqualität angesprochen. Auf was genau zielt Ihr Projekt „Vertrieb der Zukunft“ ab?
Lucas: Mit dem „Vertrieb der Zukunft“ verfolgen wir in erster Linie zwei Zielsetzungen. Erstens möchten wir – ergänzend zum auch weiterhin relevanten physisch-stationären Vertrieb – eigene Lösungen für einen professionellen Online-Vertrieb anbieten. Zweitens möchten wir auch innerhalb unserer Handelsorganisation für mehr Transparenz und Verlässlichkeit sorgen. Und unseren Kundinnen und Kunden immer einen einheitlichen und vor allem den besten Preis für ein Produkt anbieten.
Welche Relevanz besitzt der Online-Vertrieb aus Ihrer Sicht im teilweise ja sehr beratungsintensiven Transporter-Geschäft?
Lucas: Unser eigener digitaler Vertriebskanal für Transporter ist seit September online. Sicher wollen und werden ihn auch in Zukunft nicht alle unsere Kunden nutzen und online bestellen. Aber eine wachsende Zielgruppe trägt diesen Wunsch an uns heran, vor allem wenn es um Standardfahrzeuge geht oder um den Abruf von Fahrzeugen zum Beispiel aus Rahmenverträgen. Mit Blick auf individuelle Aus- und Umbauten müssen wir sicherlich differenzieren. Die Bestellung standardisierter Ausbauten, die ja schon heute über unsere Plattform „Van Solution“ erhältlich sind, lässt sich leicht auch online abwickeln. Geht es um wirklich individuelle Aus- oder Umbauten, bedarf es tiefer Beratungskompetenz, die sich am besten physisch im Gespräch mit dem Verkäufer vor Ort darstellen lässt.
Die Auslieferung online bestellter Fahrzeuge erfolgt direkt an den Wunschort des Kunden?
Lucas: Bei der Online-Bestellung wählt der Kunde einen Händler aus, der das Fahrzeug persönlich übergibt. Für uns ist das der optimale Weg, um bei aller Digitalisierung den direkten Kontakt zwischen Kunde und Händler zu gewährleisten.
Ab 2025: Neuentwicklungen bei Mercedes-Benz Vans ausschließlich elektrisch
Wie geht es weiter mit der Elektrifizierung Ihrer Modellpalette?
Lucas: Mit dem e-Vito, dem EQV und dem e-Sprinter sowie schon bald auch mit dem e-Citan und dem EQT steht bei uns in jeder Modellreihe mindestens ein vollelektrischer Antrieb zur Wahl. Aber wir werden dieses Angebot noch ausbauen, zum Beispiel mit dem neuen e-Sprinter, dessen Produktion ab Mitte 2023 sukzessive beginnt. Ab Mitte des Jahrzehnts setzt Mercedes‑Benz Vans mit „Van.EA“ (MB Vans Electric Architecture) die nächste Stufe seiner Elektrifizierungsstrategie um: Ab 2025 werden alle neuen Modelle nur noch vollelektrisch sein. Wir werden dann zwar weiter Verbrenner-Modelle verkaufen und auch – wo notwendig – weiter modernisieren, aber keine neuen Verbrenner-Architekturen mehr entwickeln.
An welchen Stellhebeln setzen Sie beim überarbeiteten e-Sprinter an?
Lucas: Rein äußerlich wird sich auf den ersten Blick im Vergleich zum derzeitigen Modell nicht viel ändern. Mit zwei Aufbauformen und -längen, drei Batteriegrößen sowie einer hohen Nutzlast wird der neue e-Sprinter attraktiv als Basis für zahlreiche Aus- und Aufbauvarianten
Worauf bezieht sich ihre angedachte Kooperation mit Rivian?
Lucas: Im ersten Schritt handelt es sich bei der geplanten Kooperation zwischen Mercedes-Benz Vans und Rivian um eine Produktionspartnerschaft, in die beide Partner ihre jeweiligen Kernkompetenzen einbringen. Mercedes-Benz Vans ist ein Unternehmen mit jahrzehntelanger Produktions- und Entwicklungskompetenz, übrigens auch im Bereich der E-Mobilität. Zusammen mit Rivian mit seiner jüngeren Denkweise glauben wir, sehr gute Synergieeffekte bei der Produktion von großen Transportern erzielen zu können.
Lieferzeiten abhängig von der Kundenfelxibilität
Generell über alle Motorisierungen hinweg: Wie ist derzeit die Liefersituation bei Mercedes-Benz Vans?
Lucas: Ein Blick auf unsere europäischen Marktanteile lässt aus meiner Sicht die Aussage zu, dass wir die Herausforderung der Lieferzeiten gut bewältigen. Aber natürlich: Auch bei uns ist die Liefersituation angespannt und wir stehen im Komponenten-Einkauf weiterhin vor globalen Herausforderungen.
Wie lange warten Kunden denn konkret auf einen weißen Kasten, zum Beispiel einen Vito oder einen Sprinter?
Lucas: Das kommt vor allem darauf, an, wie flexibel Sie als Kunde sind, was die Ausstattung angeht. Auch das gehört zur genannten Herausforderung: Verlässliche Durchschnittswerte zu Lieferzeiten kann ich Ihnen aufgrund der hohen Volatilität leider aktuell nicht nennen.
Sehen Sie denn Unterschiede zwischen Verbrenner- und Elektro-Fahrzeugen?
Lucas: Nein, da sehen wir keine Unterschiede. Ich kann nur erneut unterstreichen: Ausschlaggebend ist die individuelle Fahrzeugausstattung.
Wie unterstützen Sie Kunden, die länger auf Ihren neuen Transporter warten müssen?
Lucas: Unsere Basis für Unterstützungsmaßnahmen ist auch in diesem Fall immer eine enge Abstimmung mit unseren Kunden. Und in der Regel geht es dann um die Verlängerung bestehender Leasing-Verträge. Wenn der Kunde einverstanden ist und es sich nicht um sicherheitsrelevante Ausstattungen handelt, liefern wir Fahrzeuge aber zunächst pünktlich aus und rüsten nicht lieferbare Optionen zu einem späteren Zeitpunkt nach.
Predictive Maintenance bei Telematik im Fokus
Welche Relevanz besitzt das Thema Telematik aktuell für Sie und Ihre Kundinnen und Kunden?
Lucas: Telematik-Dienste führen gerade im Transporter-Segment zu deutlich mehr Effizienz und Transparenz. Speziell für den Sprinter bieten wir beispielsweise einen Dienst namens „Uptime“ mit Predictive-Maintenance-Bausteinen an. Klassische Fuhrparkmanagement-Angebote wie ein digitales Fahrtenbuch stehen bisher im Pkw-Bereich im Rahmen von „Mercedes Me“ zur Verfügung. Transporter-Kunden nutzen mit Blick auf diese Funktionen meistens bereits individuelle Lösungen. Was nicht bedeutet, dass wir nicht auch über weitere Telematik-Services nachdenken. Übrigens auch in Kooperation mit unserer Tochtergesellschaft Mercedes-Benz Connectivity Services, die auch kundenindividualisierte Lösungen schneidert.
Herr Lucas, herzlichen Dank für das Gespräch.
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