Rückrufe sind nichts Neues, allerdings in diesem Ausmaß doch ungewöhnlich. Allein im November 2021 wurden rund 240.000 Mercedes-Fahrzeuge in Deutschland aufgrund eines technischen Defekts zurückgerufen. 
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Rückrufe sind nichts Neues, allerdings in diesem Ausmaß doch ungewöhnlich. Allein im November 2021 wurden rund 240.000 Mercedes-Fahrzeuge in Deutschland aufgrund eines technischen Defekts zurückgerufen. 

Gastbeitrag

Tarnen – Täuschen – Tricksen – Tauschen

Fuhrparkverantwortliche haben es derzeit nicht leicht: erst kam Corona, dann die Halbleiterkrise und jetzt gibt es einen Hochlauf an Rückrufaktionen. Was bedeutet das für das Fuhrparkmanagement?  Axel Schäfer, Geschäftsführer des BVF, analysiert die Situation und stellt eine Forderung an die Hersteller.

Kennen Sie Menschen, die gerne bestimmte Worte vermeiden, weil sie ihnen unangenehm sind? Da nennt man die Sache einfach um. Und schon tut man etwas Gutes. Beispiel „GEZ“. Da werden jetzt keine Gebühren mehr eingezogen, sondern ein Beitragsservice geboten. Eine Heerschar von Marketingleuten hat sich offensichtlich etwas einfallen lassen, was besser klingt. Und in der Folge leichter verdaut, besser akzeptiert wird – und vor allem gut für das Image ist. So wird Outplacement zu Newplacement, die Zusatzsteuer heißt Solidaritätszuschlag und und und. Es kommt eben manchmal auf die Perspektive an.

Auch bei Fehlern oder Serienmängeln an Fahrzeugen – ein ernst zu nehmendes Thema für alle Fuhrparkverantwortlichen – wird nicht immer mit offenen Karten gespielt. Fehler passieren nun mal. Doch statt das zuzugeben und einen für die Nutzenden kostenneutralen Rückruf zu organisieren, werden von einigen Herstellern einfach unter dem Deckmantel „Service“-Aktionen und „qualitätsverbessernde Maßnahmen“ angeboten. Hört sich auch besser an, denn bei einem Rückruf würde jeder wissen, dass es ein Produktionsfehler war. Nun, vielleicht war in dem ein oder anderen Fall tatsächlich die meist prozentual definierte Voraussetzung für einen Serienfehler nicht gegeben. Aber schlafende Hunde sollen ja auch nicht geweckt werden.

Fuhrparkverantwortliche als Versuchskaninchen

Rückrufe sind nichts Neues, allerdings in diesem Ausmaß doch ungewöhnlich. Allein im November 2021 wurden rund 240.000 Mercedes-Fahrzeuge in Deutschland aufgrund eines technischen Defekts zurückgerufen und Opel hatte im Februar 2022 ein Problem, bei dem etwa 110.000 Fahrzeuge betroffen waren. Und täglich verzeichnet das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) neue Rückrufaktionen. In einer Studie des Center of Automotive Managements (CAM) gibt der Institutsleiter Stefan Bratzel an, dass die hohen Rückrufquoten vor allem auf den Veränderungsdruck in der Branche zurückzuführen sind. Um mitzuhalten, müssen Hersteller schnell Neues auf den Markt bringen, weshalb die Fahrzeuge oft unfertig sind und die Käufer dann als Versuchskaninchen herhalten müssen. Hinzukommen laut CAM außerdem Effekte der Gleichteilestrategie. Fehlerhafte Komponenten werden nicht mehr nur in einem Modell verbaut, sondern in einer ganzen Modellfamilie. Kommt es zu einem Problem mit einem Bauteil sind dementsprechend viel mehr Fahrzeuge – auch herstellerübergreifend – betroffen, denn die Entwicklung der Teile wird auf Zulieferer verlagert und die gleichen Teile bei verschiedenen Herstellern verbaut. Aber sind wir mal ehrlich, das ist auch keine Entschuldigung für hunderttausende zurückgerufene Fahrzeuge. Wer für Qualität steht, muss auch Qualität liefern.

Die Gründe für die als „Service“-Aktion getarnten Rückrufe sind vielfältig – mal gibt es einen Defekt am Ladekabel, mal sind es Probleme am Airbag und in einem anderen Fall gibt es ein Problem am Motor-Steuergerät. So unterschiedlich die Gründe sind, so verschieden sind auch die Folgen: von Brandgefahr bis hin zu einem plötzlichen Ausfall des Motors ist alles dabei. Den Schadensmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt – ebenso auch den Reaktionen der Hersteller. Im besten Fall bekommt man ein Schreiben, das einen über die Mängel informiert und gleichzeitig darlegt, dass die Ersatzteile derzeit nicht verfügbar sind, weshalb das Fahrzeug nicht repariert werden kann. Flottenverantwortliche befinden sich dann in einer Zwickmühle. Sie sind auf das Fahrzeug angewiesen, müssen aber auch den Fürsorgepflichten gegenüber den Mitarbeitenden nachkommen. Laut Arbeitsrecht und der DGUV-Vorschrift 70 dürfen Fuhrparkverantwortliche ihren Mitarbeitenden kein Arbeitsmittel an die Hand geben, das eine Gefahr darstellt. Außerdem müssen Halterhaftung und Halterpflichten beachtet werden. Nach Paragraph 23 Absatz 2 der Straßenverkehrs-Ordnung darf ein Fahrzeug nur in Betrieb genommen beziehungsweise gegeben werden, wenn es vorschriftsmäßig ist. Die Warnung alleine führt zwar noch nicht dazu, dass die Betriebserlaubnis erlischt. Aber wenn wir ehrlich sind, dann handelt es sich um einen Graubereich. Mit gutem Gewissen kann man die Mitarbeitenden nicht in ein mangelhaftes Fahrzeug lassen.

Folgen für Fuhrparkmanager

Viele Mitglieder des Verbandes haben im vergangenen Jahr ein Rückrufschreiben erhalten mit dem Hinweis, das betroffene Fahrzeug möglichst umsichtig zu fahren und die Nutzung auf ein Minimum zu reduzieren. Die Hersteller sind damit aus der Verantwortung, sie haben ja auf die Gefahr hingewiesen. Was das letztendlich für Fuhrparkverantwortliche bedeutet, daran denkt keiner. Einen kostenneutralen Rückruf gibt es nämlich nicht. Es gibt nicht einmal eine rechtliche Verpflichtung seitens der Hersteller zur Übernahme der Reparaturkosten oder für einen Leihwagen während des Ausfalls. Die Reparaturkosten können, wenn überhaupt, nur innerhalb der Sachmängelhaftungsfrist oder im Rahmen einer Garantie geltend gemacht werden. Und selbst wenn die Kosten aus Angst vor einem Imageverlust übernommen werden, ist es damit nicht getan. Qualitative Mängel sind nicht nur ärgerlich, sie kosten Geld und Zeit. Je nach Fuhrparkgröße kommt eine fünfstellige Eurosumme zusammen, wenn man nur eineinhalb Stunden Aufwand pro Fahrzeug mit Qualitätsmängeln zu Grunde legt. Die Nachbesserung in der Werkstatt bedeutet Zeiteinsatz, Prozesskosten und Mobilitätsausfall. Dieser ist nicht nur mit einem administrativen Aufwand verbunden, sondern bringt auch Kosten mit sich – vor allem dann, wenn man für ein Ersatzfahrzeug sorgen muss. Und wenn das Fahrzeug aufgrund von Teilemangel nicht direkt repariert werden kann, dann können aus ein paar Stunden schnell Wochen oder sogar Monate werden.  

Besser zurückrufen und nachbessern

Aber eins möchte ich bei aller Kritik noch betonen: Besser zurückrufen und nachbessern, als nichts zu tun, wie es uns bei Tesla aufgefallen ist. Beispielsweise sind nach den geltenden Unfallverhütungs-Vorschriften Verzurrösen im Kofferraum erforderlich, bei Tesla aber nicht erhältlich. Eine ordnungsgemäße Ladungssicherung ist damit nicht möglich. Manche Fuhrparkbetreiber improvisieren und ordnen an, dass die Rückbank nicht umgeklappt werden darf, um Dinge zu transportieren. Das kann ja aber nicht Sinn der Sache sein. Das geht so weit, dass mehr und mehr Firmenkunden die Beschaffung von Fahrzeugen der Marke Tesla sperren. Aktuell fiel außerdem auf, das Tesla aus Kostengründen auf Felgenschlösser verzichtet hat. Leichte Beute für Kriminelle, großes Risiko für Flottenverantwortliche. Dieses eigentlich selbstverständliche Sicherheitsdetail muss aktiv nachgerüstet werden.

Wir als Verband fordern, dass Hersteller bei Rückrufen und Serienmängeln für den entstandenen Abwicklungsaufwand seitens der Fuhrparkverantwortlichen aufkommen. Letztendlich müssen sich Fahrzeughersteller Gedanken machen, wie sie mit Fuhrparkkunden umgehen, damit diese nicht am Ende ihre Aufträge zurückrufen. Fuhrparkverantwortlichen sind immerhin eine große Kundengruppe beim Fahrzeugkauf, mit ihnen sollte man sich gut stellen. Rückrufaktionen sind allemal ein Thema, um das wir uns im Auftrag unserer Mitglieder in diesem Jahr besonders kümmern werden.

Der Autor ist Geschäftsführer des Bundeverbands Fuhrparkmanagement e.V. und Sprecher der FMFE Fleet And Mobility Management Federation Europe.

Axel Schäfer, Geschäftsführer des Bundeverbands Fuhrparkmanagement e.V. und Sprecher der FMFE Fleet And Mobility Management Federation Europe: „Fehler können passieren. Aber Hersteller sollten dringend über kundenorientiertere Prozesse bei Rückrufen nachdenken – und es nicht beim Denken belassen.“
Foto: BVF
Axel Schäfer, Geschäftsführer des Bundeverbands Fuhrparkmanagement e.V. und Sprecher der FMFE Fleet And Mobility Management Federation Europe: „Fehler können passieren. Aber Hersteller sollten dringend über kundenorientiertere Prozesse bei Rückrufen nachdenken – und es nicht beim Denken belassen.“
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