Am 7. Juli 2024 ist es so weit: Ab diesem Stichtag gelten für alle ab dann neu zugelassenen Fahrzeuge besondere Pflichtausstattungen. Grundlage der neuen Regelungen ist eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2019; die Vorgaben gelten für alle Pkw, Lastkraftwagen und Omnibusse. Eine dieser neuen Pflichtausstattungen: der sogenannte Event Data Recorder (EDR).
Was ist ein Event Data Recorder (DER)?
Beim EDR handelt es sich um einen Unfalldatenspeicher, der zwar ununterbrochen Daten aufnimmt, diese aber permanent überschreibt. Mit einer Ausnahme: Lediglich eine kurze Zeitspanne vor und nach einem Verkehrsunfall werden die Daten dauerhaft abgespeichert und nicht mehr überschrieben. Dieses Zeitfenster liegt bei fünf Sekunden vor einem Unfall und 300 Millisekunden danach.
In der Regel wird der EDR als Blackbox im Airbag-Steuergerät verbaut, weil hier die wesentlichen Informationen der Beschleunigungssensoren zusammenkommen. Dabei werden zum Beispiel Geschwindigkeit, Lenkwinkel und Drehzahl sowie das Auslösen des Airbags aufgezeichnet. Da das Gerät GPS-gesteuert ist, werden auch der jeweilige Standort, die zurückgelegte Strecke sowie die genaue Tageszeit aufgezeichnet. Die Blackbox ist im Übrigen nicht schwarz, sondern knallorange. So lässt sie sich nach einem Unfall schneller im Fahrzeug finden.
Datenauslesen durch unabhängige Dritte
Auch im neuen Dienstwagen werden sich ab dem 7. Juli 2024 also EDRs finden. Daraus ergeben sich einige Fragen – für Dienstwagenfahrerinnen und -fahrer, aber auch für Fuhrparkverantwortliche. Eine Frage ist zum Beispiel, wer Zugriff auf die von EDR gesammelten und gespeicherten Daten hat, insbesondere, ob auch der Arbeitgeber die aufgezeichneten Daten auswerten darf. So können die im Fahrzeug gespeicherten Daten mit bestimmten Tools über eine sogenannte OBD-Schnittstelle oder am Steuergerät des Airbags ausgelesen werden. Da die Daten nur der Unfallrekonstruktion dienen, ist deren Auslesen zunächst nur Sachverständigen vorbehalten. Sie werden im Falle des Falles mittels gerichtlicher oder staatsanwaltschaftlicher Anordnung hierzu beauftragt.
Speicherfreigabe als Vollkasko-Bedingung
Nach einem vielbeachteten Urteil des Landgerichts Köln (Urteil vom 26.03.2020 - 24 O 236/19) kann ein Versicherungsnehmer allerdings Ansprüche aus der Vollkaskoversicherung verlieren, wenn er sich weigert, den Datenspeicher durch einen von der Versicherung bestellten Sachverständigen auslesen zu lassen. Hintergrund der Klage war ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger der einzige Beteiligte war. In der Unfallmeldung hatte er behauptet, bei Schneeregen nach links von der Fahrbahn abgekommen zu sein. Dabei habe er sein Fahrzeug nicht mehr unter Kontrolle bekommen und sei in die Leitplanken geraten. Der von der Versicherung eingeschaltete Gutachter kam allerdings zu dem Schluss, dass das behauptete Unfallgeschehen aufgrund der vorhandenen Fahrerassistenzsysteme in dem hochwertigen Fahrzeug nicht erklärbar sei. Anlässlich eines Ortstermins mit dem Sachverständigen verweigerte der Kläger das Auslesen des Fahrzeugdatenspeichers. Als Folge leistete die Vollkaskoversicherung keine Zahlung, weil der Kläger gegen seine Mitwirkungspflicht als Teil seiner Obliegenheitsverpflichtungen verstoßen habe.
In seiner Klage gegen die Versicherung stützte sich der Kläger unter anderem auf eine Datenschutzverletzung, wenn die Daten ausgelesen würden. Denn in diesem Fall könnten Rückschlüsse auf sein Fahrverhalten gezogen werden, die beklagte Versicherung erhielte außerdem zahlreiche andere Informationen, die für die Prüfung ihrer Einstandspflicht nicht erforderlich seien.
Dieser Einschätzung war das Gericht nicht gefolgt. Es sah eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit beim Kläger. So sei es ihm zumutbar gewesen, der Versicherung eine Überprüfung der Fahrzeugdaten zu ermöglichen. Dies habe er nicht nur vorsätzlich, sondern arglistig verhindert, indem er unmittelbar nach der Begutachtung des Fahrzeugs dieses nach Polen verkauft habe und angeblich kein Kontakt mehr mit dem Käufer möglich gewesen wäre. Der Kläger war aufgrund des Urteils auf Schadenkosten in Höhe von über 15.000 Euro sitzen geblieben.
Arbeitgeber dürfen nicht einfach so auslesen
Aus diesem Urteil lässt sich jedoch nicht der Rückschluss ziehen, dass auch der Arbeitgeber bei Dienstwagen als Halter automatisch berechtigt sein soll, Unfalldaten auslesen zu lassen. Sofern der Mitarbeiter zustimmt, dürfte dies datenschutzrechtlich zwar zulässig sein. Allerdings ist es mit der Freiwilligkeit im Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis immer so eine Sache, da ein Arbeitnehmer letztlich aufgrund des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses nie ganz frei in seinen Entscheidungen ist. Als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung und damit auch dem Auslesen solcher Fahrzeugdaten kommt wohl nur Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in Betracht. Danach ist die Verarbeitung zulässig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen.
Ergeben sich aus der Schadenmeldung eines Mitarbeiters im Zusammenhang mit der Begutachtung des Fahrzeugs durch einen Sachverständigen erhebliche Zweifel an der Unfalldarstellung des Mitarbeiters und droht deshalb die Kaskoversicherung des Arbeitgebers die Leistung zu versagen, dürfte ein schutzwürdiges berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vorliegen, dass eine Unfalldatenauswertung erfolgt. Es bleibt abzuwarten, wie sich in Zukunft Arbeitsgerichte hierzu positionieren werden, sollte ein Arbeitnehmer die Datenauswertung verweigern.
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