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Frau nimmt Autoschlüssel entgegen

Inhaltsverzeichnis

Urteil Landesarbeitsgericht Niedersachsen

Dienstwagen-Entzug nicht ohne weiteres möglich

Ein Unternehmen will von seinem Arbeitnehmer den Dienstwagen wieder zurückfordern - der so fahrzeuglose Arbeitnehmer aber wehrt sich dagegen.

Von Dr. Katja Löhr-Müller

Überlässt der Arbeitgeber Mitarbeitern einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, möchte sich das Unternehmen meist nicht für alle Zukunft daran binden. Häufig sehen deshalb Überlassungsvereinbarungen vor, dass ein Widerruf der Fahrzeugüberlassung möglich sein soll und der Arbeitgeber nach Aufforderung den Dienstwagen vom Mitarbeiter zurückverlangen darf.

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Die Ausgestaltung solcher Widerrufsregelungen ist dabei nicht ganz einfach und führt immer wieder zu Streitigkeiten, die dann am Ende von den Arbeitsgerichten zu entscheiden sind. So erging es auch einem Arbeitgeber aus Niedersachsen.

Unternehmen wollte Dienstwagen wieder zurück haben

Das Unternehmen hatte aufgrund einer arbeitsvertraglichen Regelung einem Mitarbeiter einen Audi Q5 als Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Dies erfolgte jedoch unter einem arbeitsvertraglichen Vorbehalt. So sollte der Arbeitgeber berechtigt sein, die Dienstwagenüberlassung unter anderem "aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens" zu widerrufen.

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Von diesem Widerrufsrecht machte der Arbeitgeber einige Jahre später Gebrauch und forderte das Fahrzeug zurück. Der nun fahrzeuglose Arbeitnehmer hielt den Widerruf für nicht gerechtfertigt und klagte auf Schadenersatz. Das Arbeitsgericht wies seine Klage zunächst ab, im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen erhielt der Arbeitnehmer jedoch in vollem Umfang Recht.

Gericht: Dienstwagen ist Gegenleistung neben dem Gehalt

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts war der Widerruf unzulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Dienstwagenüberlassung auch zur privaten Nutzung als Sachbezug eine zusätzliche Gegenleistung neben dem Gehalt für die geschuldete Arbeitsleistung. Die Fahrzeugüberlassung stellt damit eine Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer dar.

Will ein Unternehmen diese Leistungspflicht widerrufen, bedarf es einer näheren Beschreibung des Widerrufsgrundes, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers an der weiteren Dienstwagennutzung.

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Ein Widerruf, der allgemein auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens abzielt, ist nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts jedoch zu weit gefasst, da nicht klar ist, welche Entwicklung der Arbeitgeber damit meint. Ob damit eine wirtschaftliche Notlage, Gewinnrückgang, Verlust oder nur rückläufige Umsätze die Möglichkeit eines Widerrufs auslösen sollen oder vielleicht damit das Nichterreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele gemeint sein soll, bleibt völlig unklar.

Nicht jede wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens kann nach Ansicht der Richter einen Grund darstellen, die Dienstwagenüberlassung auch zur privaten Nutzung als Gegenstück der erbrachten Arbeitsleistung zu entziehen.

400 Euro Schadenersatz monatlich

Das Gericht verurteilte das Unternehmen deshalb zum Ersatz des dem Arbeitnehmer durch die rechtswidrige Entziehung des Fahrzeugs entstandenen Schadens. Die Schadenshöhe bei einem Fahrzeugentzug bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung mit 1 Prozent des Bruttolistenpreises zum Zeitpunkt der Erstzulassung pro Monat. Der auf volle 100 Euro abgerundete Listenpreis des Dienstwagens lag bei 40.000 €, sodass dem Arbeitnehmer für jeden vollen Monat, in dem das Fahrzeug nicht zu Nutzung zur Verfügung stand, 400 € Schadenersatz zu zahlen war (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 28.03.2018, Az. 13 Sa 305/17).

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Diese Entscheidung steht im Übrigen in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Widerruf der privaten Nutzung von Dienstwagen. Bereits im Jahr 2010 hatten die Bundesarbeitsrichter entschieden, dass die Formulierung des "Widerrufs aus wirtschaftlichen Gründen" zu weit gefasst ist und der sogenannten Inhaltskontrolle nach den §§ 305 BGB nicht standhält (BAG, Urteil vom 13.04.2010, Az. 9 AZR 113/09).

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