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Foto: AS-Fotografie (Leverkusen)
Sylvia Lier, ex-CEO-Deutsche Bahn Connect GmbH, ist seit über 25 Jahren zuhause in der Welt der Personenmobilität. In den letzten 15 Jahren war die Mobilitätsexpertin in der Leitung verschiedener Unternehmen im Fuhrparkmanagement, Kfz-Leasing, in der „neuen Welt“ der plattformbasierten Sharingangebote und im ÖPNV.

Inhaltsverzeichnis

Gastbeitrag

Mobilitätsbudgets in der Fuhrparkverwaltung – nur zu!

In ihrem Gastbeitrag erläutert die Mobilitätsexpertin Sylvia Lier, ex-CEO-Deutsche Bahn Connect GmbH, wie sich betriebliche Mobilität verändert und welche Auswirkungen dies auf die Fuhrparkmanager hat.

Dort, wo man sich über Jahrzehnte um Autos, Fuhrparkmanagement-Anbieter und Dienstwagenregelungen gekümmert hat, wird es zukünftig nicht mehr „nur“ um das Fahrzeug sondern um Mobilität gehen. Aus Car Policies werden Mobility Policies. In Ergänzung zum Dienstwagen werden Diensträder, Mobilitätsbudgets und Auto-Abos immer mehr zum „new normal“ gehören – dies in der dann neuen Abteilung Mobilitätsmanagement. 

Wer bin ich, dass ich so etwas behaupten kann?

Gestatten – Sylvia Lier, seit über 25 Jahren zuhause in der Welt der Personenmobilität, in den letzten 15 Jahren in der Leitung verschiedener Unternehmen im Fuhrparkmanagement, Kfz-Leasing, in der „neuen Welt“ der plattformbasierten Sharingangebote und im ÖPNV. Ich habe also Personen mit dem Auto, dem Mietfahrrad, dem on-demand-shuttle aber auch mit dem klassischen Bus und der Straßenbahn mobil gehalten. Über die Branchen hinweg konnte und kann ich dabei beobachten, wie sich Nachfrage auf der Kundenseite kontinuierlich verändert. Es genügt längst nicht mehr „nur“ das eigene Produkt anzubieten. Fuhrparkmanager, Sharinganbieter, ÖPNV – alle machen sich auf den Weg, Mobilität ganzheitlicher anzubieten.

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Foto: j-mel - stock.adobe.com
Ein Mobilitätsbudget ist kein Standardprodukt und besteht aus verschiedenen Bausteinen, die beliebig kombiniert werden können.

Lebenssituation bestimmt den Mobilitätsbedarf

Und der Blick auf die Arbeitgeber zeigt, dass es in Bezug auf die betriebliche Mobilität nicht mehr genügt „nur“ einen  Dienstwagen anzubieten. Natürlich können und wollen längst nicht alle Mitarbeitenden auf ihren Dienstwagen verzichten. Allgemein ist aber festzustellen, dass die Bedeutung des Autos als Status-Symbol geringer wird und stattdessen immer stärker neue, flexible Angebote gewünscht werden. Wahlfreiheit und Eigenverantwortung für eine Entscheidung, die im Sinne der jeweiligen Lebenssituation getroffen wird, sollen dabei zwischenzeitlich im Vordergrund stehen: Für Eltern mit kleinen Kindern ist ein Dienstwagen, der privat genutzt werden darf, möglicherweise eine sehr gute Lösung. Demgegenüber bevorzugt das Paar, das in der Stadt lebt, vielleicht ein Jobticket oder eine Bahncard sowie ein E-Bike als Lastenrad und/oder ein Carsharing-Budget. Wiederum andere sagen, dass sie in der kalten Zeit ein Auto wünschen und in den wärmeren Monaten das Rad nutzen und ein weiterer Teil bleibt - coronabedingt - im Homeoffice, ist zunächst also sehr wenig unterwegs. Damit wird klar:„One size fits all“ ist out.

Das Budget für flexible Mobilität

Bekanntermaßen wollen Arbeitgeber als attraktiv gelten und so gute Mitarbeiter binden und neue Talente gewinnen. Neue (Mobilitäts-)Lösungen müssen also her. Das kann zum Beispiel ein Mobilitätsbudget sein. Ein Mobilitätsbudget ist kein genormtes Produkt. Es gibt keine Standards dafür. Es ist, wie der Name sagt, ein Budget für Mobilität, den die Mitarbeitenden abhängig zum Beispiel von Hierarchie und Funktion bekommen.

Die Planung eines Mobilitätsbudgets

Vor der Einführung eines Mobilitätsbudgets klären die Verantwortlichen den strategischen Rahmen mit der Unternehmensleitung. Im Ergebnis löst eine (neue) Mobility Policy die (alte) Car Policy ab.

Dabei bilden die Merkmale der Arbeitgebermarke sowie weitere strategische Zielsetzungen die Grundlage. Es wird auch geklärt, welche messbaren Ziele konkret für die betriebliche Mobilität gelten. Wie nachhaltig soll sie bis wann sein? Eine gute Mobility Policy passt sich natürlich an die Geschäftserfordernissen des Unternehmens an. Autos werden sich dort ziemlich sicher auch weiterhin befinden, hinzukommen allerdings neue Angebote, die als Mobilitätsbudget zusammengefasst werden können.

Auswirkungen auch auf Dienstreisen

Arbeitgeber-Unternehmen sind dabei, wie bereits erwähnt, in ihrer Gestaltung frei: Ein kleines E-Auto könnte anstelle eines großen Verbrenners gemeinsam mit einem E-Bike gewählt werden. Der Dienstwagen kann zum Beispiel eine Bahncard und einen Betrag für Mikromobilitätsangebote ersetzt werden. Dies und vieles andere mehr ist möglich. Darüber hinaus sind Aspekte wie die Roadmap zum Wechsel der Dienstwagen-Flotte auf den Elektroantrieb zu regeln. Und es stehen auch Entscheidungen zum Beispiel dazu an, ob innerhalb Deutschlands noch geflogen oder für ein einziges Meeting zum Beispiel nach London geflogen werden darf? Soll zwischen den Betriebsstandorten vorzugsweise mit dem Fahrrad gefahren? Viele Aspekte, die mit einem Team aus der Belegschaft diskutiert werden müssen. Dabei erweist es sich als äußerst hilfreich, das Team äußerst divers aufzusetzen.     

Wichtig: Unterstützung aus dem Topmanagement     

Eine (neue) Mobility Policy benötigt die klare Unterstützung aus dem Topmanagement: Vorbild sein für verändertes Mobilitätsverhalten. Und noch eines gilt: Incentives sind immer wieder ein Beschleuniger für Verhaltensänderung. Mit der Belegschaft zum Beispiel Punkte beim Radbonus-Programm zu sammeln und dadurch gemeinnützige Projekte unterstützen, hat schon viele in die Pedale treten lassen. Eine Mobility Policy wirkt am besten, wenn sie Lust auf etwas macht.

Mobilitätsbudget: Diese Mobilitätsbausteine benötigen Sie

Für die operative Umsetzung sind Verträge mit Mietfahrrad-, Carsharing-, e-Scooter-Angeboten und anderen zu schließen. Wichtig ist dabei die Zusage, dass unterschiedlichen Accounts für die private und die betriebliche Nutzung zur Verfügung gestellt werden können. Wer einen Carpool einrichtet, lässt am besten gleich zu, dass ihn nicht nur die eigene Belegschaft am Abend und am Wochenende privat nutzen kann, sondern bietet ihn auch benachbarten Unternehmen an. Für das Corporate Carsharing brauchen übrigens keine neuen Fahrzeuge angeschafft zu werden; in Bestandsfahrzeugen können Bordcomputer nachgerüstet werden. Hinzukommen Bahn Card-Optionen, Dienst-/Leasingräder und sofern nicht bereits vorhanden Jobticket-Angebote der Verkehrsgesellschaft. All das gehört auf der „Hardware-Seite“ zu einem Mobilitätsbudget.

Mobilitätsbudget: Software- und Plattformanbieter

Beim Zugang, der Buchung, der Abrechnung und vor allem bei der Versteuerung der einzelnen Mobilitätsangebote kommen die neuen Anbieter für Mobilitätsbudgets zum Zuge. Bei den meisten Anbietern fotografieren die Mitarbeiter die Kostenbelege, senden sie per Mobilitätsbudget App an den Dienstleister, dieser prüft und ordnet die korrekte Versteuerung zu und überträgt die Datensätze an die Personalabteilung des Arbeitgebers. Zugrunde liegt dabei jeweils eine professionelle und komplexe Einkommenssteuersoftware.

Mobilitätsbudget: Die Kreditkartenvariante

Eine andere Variante ist eine Kreditkarte, die dem Mitarbeiter einen bestimmten finanziellen Verfügungsrahmen (für Mobilitätsangebote) einräumt. Dabei sollte geregelt sein, dass das gesamte „Budget“ nicht ausgegeben werden muss, sondern dass es auch über einige Jahre angespart werden kann.

Auch die Anbieter des ÖPNV werden Mobilitätsbudgets zukünftig anbieten

Es ist damit zu rechnen, dass neben den heute bereits bekannten Anbietern auch die öffentlichen Verkehrsgesellschaften Angebote für Mobilitätsbudgets auf den Markt bringen werden. Dies als sogenannte tief integrierte Lösung, die auch den Zahlvorgang über eine einzige payment-Funktion beinhaltet.  

Ein Mobilitätsbudget birgt bereits heute insgesamt viele neue Möglichkeiten, verbunden mit einfachen und schlanken Abwicklungsprozessen.

Die Versteuerung des Mobilitätsbudgets

Noch nicht sehr attraktiv ist die steuerliche Behandlung von Mobilitätsbudgets: Während das Jobticket und das Dienstrad aktuell steuerfrei zur Verfügung gestellt werden können, ist der Sharinganteil eines Mobilitätsbudgets gemäß Individualsteuersatz voll steuerpflichtig. Oder er muss zumindest pauschal mit 30 Prozent als Sachkosten versteuert werden. Das ist finanziell wenig attraktiv und aufwendig in der Administration. Um dies zu verändern, hat sich eine Interessengemeinschaft gegründet, die fordert, dass Sharingangebote steuerlich wie der ÖPNV behandelt werden, also von der Einkommenssteuerpflicht befreit werden. Näheres findet sich unter  www.verkehrswendemacher.de.  Die Interessengemeinschaft freut sich über Unternehmen, die ihre Forderung unterstützen.  

Mobilitätsbudget und UVV

Das Thema Unfallverhütungsvorschrift (UVV) stellt sich in Bezug auf die Sharingangebote erfreulicherweise etwas einfacher dar als beim klassischen Dienstwagen. Dadurch, dass diese Verkehrsmittel keine Arbeitsmittel des Arbeitgebers sind, entfallen die sonst für den Dienstwagen bekannten Verpflichtungen für den Fuhrparkmanager und den Nutzer. Empfehlenswert ist auf jeden Fall ein Gespräch mit der Berufsgenossenschaft. Es sind Fälle bekannt, in denen die Nutzung der betriebseigenen Fahrräder, für zum Beispiel Wegstrecken zu anderen Firmenstandorten, aus Versicherungsgründen untersagt wurde. Dies lässt sich in der Regel auf Basis geänderter Genossenschaftsbeiträge neu vereinbaren.

Kostensenker und Klimaoptimierer Mobilitätsbudget

Insgesamt wird die Anwendung von Mobilitätsbudgets dazu beitragen, dass sich die Kosten für betriebliche Mobilität reduzieren. Diese alternativen Mobilitätslösungen sind flexibler und bedarfsgerechter, was sich in der aktuellen Corona-Zeit mit gänzlich geändertem Mobilitätsbedarf für die Nutzer bereits als vorteilhaft erweist. Aber nicht nur die Kosten sinken, auch die Belastung der Umwelt wird durch die Nutzung von E-Fahrzeugen, Fahrrädern, Sharingangeboten und öffentlichem Verkehr verringert.    

Flexibilität wird zum Statussysmbol

Das Auto war lange „das“ Statussymbol. Unser Konsumverhalten verändert sich, wir wollen flexiblere und bedarfsgerechtere Lösungen. Flexibilität in der Nutzung der Mobilität wird zukünftig wichtiger sein als der Besitz und diese Flexibilität wird zum neuen Statussymbol. Ein Mobilitätsbudget wird so ein neues Statussymbol.  

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    • Alternative Mobilität, eHUB, Fuhrparkmanagement, Fuhrparkmarkt, Fuhrparkwissen, Umfrage
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    • Alternative Mobilität, Dienstwagen, Dienstwagennutzung, Fahrrad, Firmenwagen, Fuhrparkmanagement, Umfrage, User-Chooser

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    • Interview, Full Service Leasing, Leasing, Automiete, Elektro-Antrieb, Hybrid-Antrieb

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